Millionen-Klage gegen Bayer startet neu
Ein Gericht hatte Bayer zur Zahlung von 289 Millionen Dollar verdonnert. Nun will die nächste Instanz den Fall neu aufrollen.
LEVERKUSEN Gute Nachrichten für Bayer waren in den vergangenen Monaten selten. Nun aber hat der Konzern einen aus seiner Sicht wichtigen Etappensieg errungen: Der Prozess gegen die Tochter Monsanto in den USA um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat wird wohl neu aufgerollt. Die Richterin der zweiten Instanz, Suzanne Bolanos, gab nun vorläufig dem Antrag von Monsanto statt, die Strafzahlungen in Höhe von 250 Millionen Dollar neu zu verhandeln. Die Parteien hätten bis zum heutigen Freitag Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Dann will Bolanos ihre endgültige Entscheidung bekannt geben.
Entsprechend erleichtert reagierten die Anleger. Die Bayer-Aktie legte gegen den allgemeinen Kursrutsch zeitweise um sechs Prozent auf 79 Euro zu. Nach dem Urteil im August war sie kräftig abgestürzt und zeitweise auf 70 Euro gefallen. Von früheren Höchstkursen um 140 Euro ist Bayer aber weiterhin entfernt.
Der Fall ist entscheidend, weil er der erste aus einer Welle von Klagen ist. In den USA haben 8700 Bürger Bayer beziehungsweise seine Tochter Monsanto wegen Erkrankungen verklagt, die sie auf den Umgang mit dem Unkrautvernichter Glyphosat zurückführen. Die Kläger werfen dem Konzern vor, nicht ausreichend vor den Gefahren gewarnt oder diese gar mit böswilliger Absicht verschleiert zu haben.
Als erstes wurde die Klage von Dewayne Johnson verhandelt, weil der 46-Jährige womöglich nicht mehr lange zu leben hat. Er ist an Lymphdrüsen-Krebs erkrankt und macht dafür Glyphosat-haltige Mittel wie Roundup verantwortlich. Diese hatte er lange als Hausmeister an Schulen und Sportplätzen eingesetzt. Im August sah ein erstes Jury-Gericht seine Vorwürfe als berechtigt an und sprach ihm 289 Millionen Dollar (250 Millionen Euro) an Schadenersatz zu. Die Bayer-Aktie stürzte daraufhin ab.
Erinnerungen an den Lipobay-Skandal vor fast 20 Jahren kamen hoch. Damals hatten Todesfälle und Klagen im Zusammenhang mit dem Cholesterinsenker Bayer zum Wanken gebracht. Am Ende nahm Bayer Lipobay vom Markt. Ein Gericht im texanischen Corpus Christi sprach Bayer letztlich frei, der Konzern musste den Tausenden Klägern keinen Schadenersatz zahlen.
Auch Monsanto hat gegen das Glyphosat-Urteil von August Berufung eingelegt und fordert, den Fall wegen mangelnder Beweise neu aufzurollen. Dem scheint die Richterin zu folgen. Johnsons Anwälte hätten keine überzeugenden Beweise für vorsätzliches Fehlverhalten von Monsanto vorgelegt, lautet die Begründung der zweiten Instanz.
Der Konzern reagierte erleichtert: „Bayer begrüßt die vorläufige Entscheidung von Richterin Suzanne Bolanos vom Superior Court des Staates Kalifornien, wonach sie beabsichtigt, den Strafschadenersatz im Fall Dewayne Johnson gegen Monsanto aufzuheben.“Mehr noch: „Das Gericht prüft auch den Antrag von Monsanto auf Durchführung eines neuen Prozesses, Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage.“Bayer sei weiter davon überzeugt, dass das Urteil und Johnsons Schadenersatzforderungen im Widerspruch zu den vorgelegten Beweisen stehen. Der Konzern verweist darauf, dass Glyphosat-basierte Herbizide seit über 40 Jahren eingesetzt würden und mehr als 800 Zulassungsstudien zum Ergebnis gekommen sein, dass Glyphosat sicher sei – bei sachgerechter Anwendung.
Allerdings hatte die Weltgesundheitsorganisation erklärt, sie halte Glyphosat für „wahrscheinlich krebserregend“. Unabhängig von den Klagen gibt es weltweit Proteste gegen das Pflanzengift aus der Monsanto-Küche. Auch in der EU gibtes heftige Debatten, auch wenn am Ende die Zulassung für einige Jahre verlängert wurde. Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment warnte bereits: „Nun zeigt sich auch, welch große Reputations- und Klage-Risiken Bayer sich mit der Monsanto-Übernahme aufgebürdet hat.“