Ein sensationeller Kuss
Vor 50 Jahren küsste Captain Kirk vom Raumschiff „Enterprise“seine afroamerikanische Funkerin. Es war der erste geplante Kuss zwischen hell- und dunkelhäutigen Menschen im US-Fernsehen überhaupt.
LOS ANGELES Ein halbes Jahrhundert ist eine sehr lange Zeit. Das zeigt die erste „Star Trek“-Serie überdeutlich. So schlecht sie technisch und schauspielerisch gealtert ist, so fortschrittlich war ihr Macher Gene Roddenberry mit seiner Vision einer gerechten Gesellschaft ohne Krieg, Rassismus, Sexismus und religiösen Fanatismus. Ideale, die noch längst nicht erreicht sind – die aber auch durch die Hintertür dieser „naiven“Science-Fiction-Utopie mehrheitsfähig wurden.
Das Raumschiff „Enterprise“wurde vom Publikum zunächst als futuristischer Nachfolger des Flugzeugträgers „USS Enterprise“verstanden, des damals größten Kriegsschiffs der Welt mit Atomantrieb und 5000 Mann Besatzung. Langsam, aber sicher aber machte es Forschung und Entdeckung cool: Erst fragen, dann schießen. Die Hauptfigur Captain Kirk war wenig progressiv, sondern ein klassisch amerikanischer Draufgänger und Frauenheld. Umso mehr mutete Roddenberry dem Publikum mit dem weiteren Personal zu: Mitten im Kalten Krieg hieß der Bordkanonier Pavel Chekov (Walter Koenig) und sprach mit schwerem russischem Akzent. Der heute legendäre Außerirdische Mister Spock (Leonard Nimoy) erinnerte Millionen von US-Amerikanern gar an den Satan höchstpersönlich, seiner spitzen Ohren wegen. Am schwersten zu verwinden aber war für viele damals die Person des Funkers. Der war nämlich weiblich. Und afroamerikanisch, also dunkelhäutig. Und musste zwar stets im Uniform-Minirock herumlaufen, wurde aber zugleich als starke, fähige Frau dargestellt, die im Zweifel auch das Steuer des Raumschiffs übernahm.
Am 22. November 1968 dann flimmerte ein Kuss zwischen ebendieser Uhura (Nichelle Nichols) und Captain Kirk (William Shatner) über die Bildschirme, zu dem es nach dem Willen der Produzenten niemals hätte kommen sollen. Denn als geplantes Ereignis war er eine Premiere – anders etwa als ein Kuss auf die Wange zwischen Nancy Sinatra und Sammy Davis Jr. im Jahr zuvor.
Doch sowohl der Macher Roddenberry als auch sein Star Shatner bestanden darauf – und setzten dabei auf eine Doppelstrategie: Erstens findet der Kuss in der Folge „Platos Stiefkinder“unter dem Einfluss von Außerirdischen statt, die ihn erzwingen. Zweitens und vor allem aber torpedierte Shatner alle vorsorglich alternativ gedrehten Versionen der Szene, in der es eben nicht zum Kuss kommt.
In ihrer Autobiographie erinnert sich Nichols: „Der letzte Take der Szene ohne Kuss sah auf dem Set okay aus, aber am nächsten Tag wurde klar, dass Will Shatner dabei schielte wie verrückt. Völlig unbrauchbar. Schließlich gaben die Verantwortlichen auf: ‚Dann senden wir den Kuss eben!‘ Ich vermute, sie dachten, unsere Serie würde ohnehin bald abgesetzt. Also blieb der Kuss.“
Die erwarteten Zuschauerreaktionen kamen zu Tausenden – blieben aber zum Erstaunen aller Beteiligten in der absoluten Mehrheit positiv. „Star Trek“selbst wuchs zu einem beispiellosen Phänomen mit diversen TV-Serien, Kinofilmen und Buchreihen. Und Nichols wurde zu einer Pionierin, die unter anderem Whoopi Goldberg sowie die afroamerikanische Astronautin Mae Jemison inspirierte.
Dabei hatte Nichols ihre Rolle in „Star Trek“bereits 1967 aufgeben wollen. Doch dann traf sie einen Fan, der ihr ins Gewissen redete und den Ausstieg geradezu verbot: „Das können Sie nicht, Sie schreiben damit Geschichte! Denn Sie spielen keine Rolle, die für einen Schwarzen typisch wäre. Sie spielen eine Rolle auf Augenhöhe.“Sein Name: Martin Luther King.