„Von mir aus bald eine neue Regierung“
Der FDP-Chef über den Wechsel an der CDU-Spitze, Wechselabsichten enttäuschter Christdemokraten – und seine Lust auf eine neue Regierung.
Herr Lindner, AKK ist CDU-Vorsitzende. Aufbruch oder Weiter so? LINDNER Unser Land braucht einen neuen Aufbruch. Die Abkühlung der Wirtschaft ist ein Warnsignal. Die von Friedrich Merz geforderte „Agenda für die Fleißigen“hätte ich daher für richtig gehalten. Jetzt sehe ich noch nicht, woher ein Aufbruch kommen sollte. Denn das dafür wichtige Amt ist das der Bundeskanzlerin. Und auch der Koalitionsvertrag von Union und SPD gilt ja weiter. Die Position von Frau Kramp-Karrenbauer ist daher unkomfortabel, Paul Ziemiak könnte sich im kommenden Jahr sogar in der Rolle des Kugelfängers wiederfinden.
Sie verspricht der CDU die Rückkehr zu 40 Prozent. Schafft sie das? LINDNER Vieles ist in Bewegung. Gegen eine stabile Union hätte ich nichts. Innere Sicherheit und Vertrauen in den Rechtsstaat bei der Migration, Konzentration auf das Erwirtschaften des Wohlstands statt auf Verteilung sowie eine rationale Politik bei Diesel, Klima und Energie scheinen mir dafür wichtig. Da bin ich gespannt, ob eine solche Wende kommt.
Rechnen Sie damit, dass die Koalition nun stabil bis 2021 arbeitet? LINDNER Ich hoffe es, aber erwarte es nicht. Frau Kramp-Karrenbauer hat angekündigt, sich auch gegen Frau Merkel zu profilieren. Die SPD ist von innerer Unruhe ergriffen. Wenn es nach mir geht, wird bald eine neue Regierung gebildet – vor oder nach einer neuen Wahl.
Als saarländische Ministerpräsidentin hat AKK einst die FDP aus der Regierung geworfen. Hat die FDP noch Vorbehalte?
LINDNER Frau Kramp-Karrenbauer hat damals Grüne und FDP aus der Regierung rausgeschmissen und die SPD an Bord geholt. Sie hat Nein zu Jamaika gesagt. Das kommt in den besten Parteien einmal vor. Wir sind quitt. Das ist für mich keine Belastung für die Zukunft.
Gibt es Überläufer zur FDP aus dem frustrierten Merz-Flügel? LINDNER Ja, es haben sich bereits einige Persönlichkeiten bei uns gemeldet. Viele sind noch auf dem Sprung, wie mir scheint. Eine große Enttäuschung ist mit Händen zu greifen. Dass Vertreter des Wirtschaftsflügels innerhalb der eigenen Partei als alte, weiße Männer von gestern diffamiert wurden, hat offenbar viele verletzt.
An welchen Stellen könnte sich die FDP Kooperationen mit der CDU vorstellen?
LINDNER Bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis 2021. Das war ja genau unsere Forderung im vergangenen Jahr. Dafür wurden wir von Frau Merkel, Herrn Altmaier und Herrn Kauder verhöhnt. Schwamm drüber, wir würden das sofort ins Gesetzblatt bringen. Aber 2017 wollte die Union das mit uns in Jamaika nicht umsetzen, jetzt ist sie in einer großen Koalition gefangen, die das nicht machen wird.
Was erwarten Sie von AKK im Streit um den Digitalpakt für die Schulen?
LINDNER Das ist jetzt eine Sache des Vermittlungsausschusses. Da richten sich jetzt alle Augen auf Armin Laschet. Er erzählt wider besseres Wissen etwas von Einheitsschulpolitik aus Berlin. In Wahrheit geht es lediglich um Qualitätsstandards. Kritisch aus Ländersicht sind insbesondere die Finanzierungsbedingungen. Die waren ein Anliegen der Unionsfraktion im Bundestag. Da ist die FDP flexibel. Wenn aber an den Qualitätsvorgaben im Interesse der Schülerinnen und Schülern gefummelt wird, würden wir im Deutschen Bundestag nicht zustimmen. Dann müsste Armin Laschet erklären, dass er auf Geld aus Berlin verzichtet hat. Lutz Lienenkämper müsste dann schauen, wie NRW das aus eigenen Mitteln realisiert.