Er kehrt nie wieder
Vier Folgen noch, dann ist endgültig Schluss für „Tatortreiniger“Bjarne Mädel. Nachruf auf ein Serien-Kleinod.
HAMBURG „Wuäh?“Dieser Laut zwischen „Wat?“und „Hä?“brach heraus aus Heiko „Schotty“Schotte, wann immer er überrumpelt oder überfordert war. Und das war der Tatortreiniger aus der gleichnamigen NDR-Serie häufig.
Am Dienstag ging es halb Fernseh-Deutschland ähnlich, als die Runde machte, dass die einzigartige Serie beendet würde, endgültig: Wieso, weshalb, wuäh? Die schlechte Nachricht ist: Das Ende ist tatsächlich nah. Die gute Nachricht ist: Die letzte Klappe fällt aus dem besten, ja, einzig legitimen Grund, einem inhaltlichen nämlich – unabhängig von schnöden Quoten.
Die Autorin Mizzi Meyer ist schlicht überzeugt, dass sie nach 31 Folgen keine weiteren guten Geschichten finden wird für dieses Kammerspiel: Tatortreiniger trifft Hinterbliebene. Der Mann, der so unerschütterlich Blut und Gedärme entfernt, wird umso gründlicher erschüttert von den Fragen, vor die ihn Bestatter und Schamanen stellen, Manager und Prostituierte, alte Kumpels und seine Ex-Freundin, ein Roboter und auch ein, zwei Geister.
Im Angesicht des Todes ist kein Raum für Smalltalk, schnell geht es um den Sinn des Lebens – und alles, was dazu gehört: Gefühle, Geld und Gerechtigkeit. Lustvoll lassen die Macher ihren Schotty – eine Seele von Mensch, aber eben auch Proletarier –, los auf ihm fremde Milieus und die Menschen darin, homosexuelle Zauberer etwa und vegan lebende Rollstuhlfahrerinnen. Das Ergebnis ist stets lustig, manchmal brüllend komisch, dazu auf angenehm lakonische Weise lehrreich, tiefsinnig, diskutabel. Eine „Tatortreiniger“-Folge kann selbst die schweigsamsten Pärchen wieder ins Gespräch bringen.
Bjarne Mädel (50) spielt diesen Schotty als glaubhaften Sympathen: Ein kleiner Mann von nebenan, der schwer schleppt und schnauft und schwitzt, der die Blicke von oben satt hat und meist doch die Größe hat, darüber zu stehen in dem Wissen: Manche Leute sind so arm, dass sie nichts haben außer Geld. Aber ein Übermensch ist er nicht, moralisch nicht und intellektuell schon gar nicht. Hilflos steht er etwa den Salon-Neonazis gegenüber, die Hitlers Verbrechen mit immer neuen, eloquent vorgebrachten historischen Vergleichen relativieren. Für die Folge „Schottys Kampf“gab es deshalb 2013 den zweiten Grimme-Preis in Folge, als Auszeichnung für „eine nochmalige Qualitätssteigerung“der Serie, so die Jury.
Umso peinlicher, dass der NDR sein eigenes Kleinod so kriminell missachtete: Ohne jede Ankündigung waren die ersten Folgen 2011 versendet worden, über Weihnachten, morgens zwischen 3.30 Uhr und 5.30 Uhr. Nach außen kommunizierte
der Sender das Kunstwerk zunächst als Krimiserie oder gar als Doku-Soap, selbst den Namen des Protagonisten schrieb die Pressestelle falsch. In den sieben Jahren seitdem wurde die Serie mit Preisen überschüttet und ins Ausland verkauft, sogar in die USA.
Irgendwann gewann dann auch der NDR den „Tatortreiniger“ein wenig lieb. Aus der Nische kam er dennoch nicht heraus. Für die Beerdigung der Serie gebührt Autorin Mizzi Meyer und Regisseur Arne Feldhusen Applaus. „Ich persönlich hätte gern noch die eine oder andere Sauerei weggemacht“, sagt Mädel dazu; der Abschied fühle sich an wie der Tod eines echten Menschen. Doch er respektiere die „künstlerische Konsequenz“seiner Partner.
Er selbst war 2014 bei „Mord mit Aussicht“ausgestiegen; 6,5 Millionen Zuschauern im Schnitt zum Trotz.