Jedes vierte Kind ist chronisch krank
Für ihren ersten Kinderreport hat die Krankenkasse DAK die Daten von rund 110.000 jungen Patienten ausgewertet. NRW schneidet im bundesweiten Vergleich schlecht ab.
DÜSSELDORF Etwa jedes vierte Kind in NRW ist einer Untersuchung zufolge körperlich chronisch krank. Am häufigsten leiden die betroffenen Kinder oder Jugendlichen unter Neurodermitis und Asthma, gefolgt von Heuschnupfen und entzündlichen Darmerkrankungen. Das geht aus dem ersten Kinder- und Jugendreport der Krankenkasse DAK für NRW hervor. Für die repräsentative Studie werteten Forscher der Uni Bielefeld die Daten von insgesamt 108.512 minderjährigen DAK-Versicherten aus dem Jahr 2016 aus. Demnach sind in NRW mehr Kinder chronisch krank als im Bundesdurchschnitt.
Die Studie verzeichnet zugleich ein deutliches Gefälle zwischen Stadt und Land. Der Nachwuchs in Städten leidet häufiger unter extremem Übergewicht und hat öfter Karies. 2016 hatten der Untersuchung zufolge 88 Prozent mehr Stadtkinder als Kinder vom Land krankhaftes Übergewicht (Adipositas). Insgesamt waren 3,6 Prozent aller Kinder in NRW krankhaft dick. Für Arzneimittel von Stadtkindern gab die DAK mit 197 Euro pro Kopf gut ein Viertel mehr aus als für Landkinder mit 155 Euro. Dass NRW so schlecht abschneidet, liegt auch am hohen Anteil von Stadtkindern – 84 Prozent der bei der DAK versicherten Kinder leben in Städten.
Auch Kinderärzte wie Jörg Dötsch registrieren einen Anstieg der chronischen Erkrankungen. Allerdings seien die neuen Zahlen ausgesprochen hoch, sagt der Direktor der Uni-Kinderklinik Köln und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Erst 2017 war das Robert-Koch-Institut bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass 13 Prozent der Jugendlichen an einer chronischen Krankheit leiden. „Dahinter steht vielleicht eine unterschiedliche Methodik und die Frage, was als chronische Krankheit bezeichnet wird“, sagt Dötsch.
Davon unbenommen sieht er die Zunahme der Zahl chronisch kranker Kinder als Herausforderung für das Gesundheitssystem. Es brauche multiprofessionelle Teams, um die jungen Patienten zu behandeln, und deutlich mehr Klinikplätze. „Wir haben keinerlei Kapazitäten mehr“, so Dötsch. „Und die Bevölkerung wächst.“Daher müsse auch im Präventivbereich ein Bewusstseinswandel her, fordert der Krefelder Kinderarzt Edwin Ackermann vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Ein vernünftiges Freizeitverhalten, viel Bewegung, gesunde Ernährung seien wesentliche Faktoren, um etliche Erkrankungen zu vermeiden. „Wer auf dem Land mit Schmutz und Bakterien in Kontakt kommt, stärkt sein Immunsystem“, sagt Ackermann. Zudem sei es etwa wichtig, ergänzt Dötsch, Übergewicht ganz früh zu verhindern. „Schon im Kindergarten kann das zu spät sein – wer dann zu dick ist, hat zu 60 bis 70 Prozent das Risiko, es zu bleiben.“
Auch das NRW-Gesundheitsministerium hält die Zunahme der chronischen Erkrankungen bei Kindern für bedenklich. Neben der Prävention seien die Früherkennung sowie therapeutische Maßnahmen ein wichtiger Baustein für die Kinder- und Jugendgesundheit. „Notwendig sind die Stärkung professionsübergreifender Zusammenarbeit, die die Bereiche Ernährung, Bewegung, Umgang mit Suchtmitteln, seelische Gesundheit und Selbstmanagement systematisch verbindet“, sagt eine Sprecherin.