Spanien drohen „italienische Verhältnisse“
Regierungschef Pedro Sánchez gibt auf: Der Sozialist ruft Neuwahlen aus. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht vor schweren Zeiten.
MADRID (dpa) Europa hat ein neues Sorgenkind. Nur gut acht Monate nach seiner Amtsübernahme und 48 Stunden nach dem Scheitern seines Haushaltsplans hat der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez für den 28. April eine vorgezogene Parlamentswahl ausgerufen. „Spanien hat keine Minute zu verlieren“, erklärte der 46 Jahre alte Chef der sozialistischen Minderheitsregierung am Freitag im Madrider Palacio de la Moncloa. Die Zukunft des Landes stehe auf dem Spiel, betonte der PSOE-Parteivorsitzende mit ernster Miene und fester Stimme. Die nächste reguläre Parlamentswahl wäre eigentlich erst im Juni 2020 fällig gewesen.
Sánchez, der in die Geschichte als Ministerpräsident mit der kürzesten Regierungszeit der spanischen Demokratie eingehen wird, erklärte, es sei unmöglich, ein Land ohne Staatshaushalt zu regieren. Er verglich die konservative Opposition mit Piraten, die „den sozialistischsten Etat der vergangenen zehn Jahre“blockiert hätten. Die Bürger müssten daher nun entscheiden, was für ein Land sie wollen. „Spanien muss vorwärtskommen, muss Fortschritte erzielen“, deshalb die Neuwahl, sagte der Sozialistenchef.
Dass die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone aber auch in den Monaten nach der Neuwahl wirklich schnelle politische Fortschritte machen und in ruhigere Gewässer steuern wird, bezweifeln die meisten Beobachter. Die Renommierzeitung „El País“sprach am Freitag von „totaler Ungewissheit“. „Uns erwartet politische Ungewissheit, aber auch wirtschaftliche Unsicherheit in einer Zeit, in der aus dem Ausland Gegenwind kommt“, analysierte im Fernsehen Javier García Vila, Direktor der Nachrichtenagentur Europa Press.
In Spanien wurden am Freitag schnell Erinnerungen an das Jahr 2016 wach. Aufgrund des Endes des faktischen Zweiparteiensystems aus der konservativen Volkspartei PP und der sozialistischen PSOE und einer Stimmenzersplitterung war Spanien damals trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben. Anschließend hielt die schwache konservative Regierung von Mariano Rajoy nur gut eineinhalb Jahre. Im Juni 2018 holte Sánchez Rajoy per Misstrauensvotum aus dem Moncloa-Palast – unterstützt von den separatistischen Abgeordneten.
Inzwischen ist die Lage noch besorgniserregender. Denn die noch vor drei Jahren praktisch nicht existente rechtspopulistische Partei Vox könnte heute nach Umfragen angesehener Institute bis zu 13 Prozent der Stimmen holen und erstmals ins Nationalparlament einziehen. Damit würde es neben PSOE, PP, der linken Podemos und den liberalen Ciudadanos fünf relativ starke Parteien geben. Seit Anfang des Monats regieren PP und Ciudadanos in Andalusien, der bevölkerungsreichsten Region Spaniens, mit Unterstützung von Vox.
Hinzu kommt, dass die Spanier schon am 26. Mai wegen der Europawahl und verschiedener Kommunalund Regionalwahlen erneut zu den Urnen müssen. Deshalb wird es mit der Bildung einer Regierung eng.