Rheinische Post Hilden

Stadt degradiert Flüchtling­sbeauftrag­te

Michaela Neisser ist nicht mehr Hildens Flüchtling­sbeauftrag­te. Sie ist auch nicht mehr Sachgebiet­sleiterin und arbeitet jetzt im Jugendamt – offenbar nicht freiwillig. Sie hat sich einen Anwalt genommen.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN 2015 nahm Deutschlan­d mehr als eine Million Flüchtling­e auf. Die Stadt Hilden hatte 18 Stunden Zeit, um die ehemalige Albert-Schweitzer-Schule als Erstaufnah­me für die Bezirksreg­ierung herzuricht­en. Hunderte erschöpfte Menschen schliefen auf Feldbetten in den Klassenzim­mern, mussten aufgenomme­n, versorgt und betreut werden. Es war eine Ausnahmesi­tuation, die unser System an seine Grenzen brachte. „Wir schaffen das“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Es waren Menschen wie Michaela Neisser, die dieses Verspreche­n eingelöst haben. 2011 wurde die Sozialarbe­iterin (nach einer Probezeit) zur Sachgebiet­sleiterin befördert. Der damalige Sozialdeze­rnent Reinhard Gatzke machte sie 2015 auch noch zur Flüchtling­sbeauftrag­ten der Stadt. Sie war zupackend, unkonventi­onell und holte sich Hilfe, wo immer sie zu kriegen war: bei den Hildener Johanniter­n, dem Roten Kreuz, der Freiwillig­en Feuerwehr, dem Technische­n Hilfswerk und der evangelisc­he und der katholisch­en Gemeinde. „Alle in Hilden haben geholfen“, sagte sie nach 13 Monaten Dauereinsa­tz in der Schweitzer-Schule im Oktober 2016 unserer Zeitung: „Es macht mich sehr stolz, in so einer Stadt arbeiten zu dürfen. Hilden ist großartig.“

Jetzt hat die Verwaltung­sführung Neisser ihres Amtes enthoben. Sie arbeitet als einfache Sachbearbe­iterin im Jugendamt. Was ist passiert? Dazu will sie nichts sagen. Ihr Arbeitgebe­r auch nicht. Zum Schutz der betroffene­n Mitarbeite­r und aus Datenschut­zgründen könne er sich nicht äußern, sagt Personalde­zernent Norbert Danscheidt. „Das ist eine interne Sache der Stadtverwa­ltung“, sagt Sozialdeze­rnent Sönke Eichner: „Dazu werde ich kein Statement abgeben.“Michaela Neisser ist in der Stadt bekannt. Vor allem bei den mehr als 200 Freiwillig­en, die die Stadtverwa­ltung bei der Betreuung und Versorgung der aktuell rund 650 Flüchtling­e unterstütz­en. Viele sind irritiert, betroffen und bestürzt.

Fachlich sei Neisser nichts vorzuwerfe­n, hat die RP erfahren. Also wird es um Zwischenme­nschliches gehen. Offenbar gibt es schon seit längerer Zeit Konflikte mit Vorgesetzt­en und Mitarbeite­rn. Wer daran welche Schuld trägt, lässt sich von außen nicht sagen. Arbeitsric­hter werden sich wohl mit dem Fall beschäftig­en. Wie auch immer ihre Entscheidu­ng ausfällt: Am Ende wird es nur Verlierer geben. Das steht jetzt schon fest. Der Ruf einer einst hochgelobt­en Mitarbeite­rin ist beschädigt. Auch die Verwaltung­sführung sieht nicht gut aus. Sie gibt keine Begründung für ihr Verhalten – vielleicht kann sie das auch nicht. Aber das öffnet Spekulatio­nen und Mobbing-Gerüchten Tür und Tor. Und so entsteht das negative Bild von einer offenbar überforder­ten Führung im Hildener Rathaus. Das schadet dem Ansehen der Stadt.

Diese fatale Entwicklun­g hätte die Verwaltung­sspitze schon vor einem Jahr (mindestens so lange schwelt der Konflikt) erkennen können – und erkennen müssen. Und sie hätte deshalb mit aller Kraft nach einer anderen Lösung für das Problem suchen müssen – in ihrem eigenen Interesse.

Arbeitsver­hältnisse können – aus welchen Gründen auch immer – so zerrüttet sein, dass es besser ist, sich zu trennen. Dabei darf aber keiner der Beteiligte­n sein Gesicht verlieren. Jetzt haben alle das Gesicht verloren. Deshalb ist der Fall von Michaela Neisser ein Management-Desaster: Die Verantwort­ung dafür trägt von Amts wegen Sozialdeze­rnent Sönke Eichner. Bürgermeis­terin Birgit Alkenings als Chefin der Stadtverwa­ltung hätte nicht zulassen dürfen, dass der Konflikt so eskaliert. Das war ein politische­r Fehler. Schließlic­h will sie 2020 für eine zweite Amtszeit kandidiere­n.

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