Stadt degradiert Flüchtlingsbeauftragte
Michaela Neisser ist nicht mehr Hildens Flüchtlingsbeauftragte. Sie ist auch nicht mehr Sachgebietsleiterin und arbeitet jetzt im Jugendamt – offenbar nicht freiwillig. Sie hat sich einen Anwalt genommen.
HILDEN 2015 nahm Deutschland mehr als eine Million Flüchtlinge auf. Die Stadt Hilden hatte 18 Stunden Zeit, um die ehemalige Albert-Schweitzer-Schule als Erstaufnahme für die Bezirksregierung herzurichten. Hunderte erschöpfte Menschen schliefen auf Feldbetten in den Klassenzimmern, mussten aufgenommen, versorgt und betreut werden. Es war eine Ausnahmesituation, die unser System an seine Grenzen brachte. „Wir schaffen das“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Es waren Menschen wie Michaela Neisser, die dieses Versprechen eingelöst haben. 2011 wurde die Sozialarbeiterin (nach einer Probezeit) zur Sachgebietsleiterin befördert. Der damalige Sozialdezernent Reinhard Gatzke machte sie 2015 auch noch zur Flüchtlingsbeauftragten der Stadt. Sie war zupackend, unkonventionell und holte sich Hilfe, wo immer sie zu kriegen war: bei den Hildener Johannitern, dem Roten Kreuz, der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und der evangelische und der katholischen Gemeinde. „Alle in Hilden haben geholfen“, sagte sie nach 13 Monaten Dauereinsatz in der Schweitzer-Schule im Oktober 2016 unserer Zeitung: „Es macht mich sehr stolz, in so einer Stadt arbeiten zu dürfen. Hilden ist großartig.“
Jetzt hat die Verwaltungsführung Neisser ihres Amtes enthoben. Sie arbeitet als einfache Sachbearbeiterin im Jugendamt. Was ist passiert? Dazu will sie nichts sagen. Ihr Arbeitgeber auch nicht. Zum Schutz der betroffenen Mitarbeiter und aus Datenschutzgründen könne er sich nicht äußern, sagt Personaldezernent Norbert Danscheidt. „Das ist eine interne Sache der Stadtverwaltung“, sagt Sozialdezernent Sönke Eichner: „Dazu werde ich kein Statement abgeben.“Michaela Neisser ist in der Stadt bekannt. Vor allem bei den mehr als 200 Freiwilligen, die die Stadtverwaltung bei der Betreuung und Versorgung der aktuell rund 650 Flüchtlinge unterstützen. Viele sind irritiert, betroffen und bestürzt.
Fachlich sei Neisser nichts vorzuwerfen, hat die RP erfahren. Also wird es um Zwischenmenschliches gehen. Offenbar gibt es schon seit längerer Zeit Konflikte mit Vorgesetzten und Mitarbeitern. Wer daran welche Schuld trägt, lässt sich von außen nicht sagen. Arbeitsrichter werden sich wohl mit dem Fall beschäftigen. Wie auch immer ihre Entscheidung ausfällt: Am Ende wird es nur Verlierer geben. Das steht jetzt schon fest. Der Ruf einer einst hochgelobten Mitarbeiterin ist beschädigt. Auch die Verwaltungsführung sieht nicht gut aus. Sie gibt keine Begründung für ihr Verhalten – vielleicht kann sie das auch nicht. Aber das öffnet Spekulationen und Mobbing-Gerüchten Tür und Tor. Und so entsteht das negative Bild von einer offenbar überforderten Führung im Hildener Rathaus. Das schadet dem Ansehen der Stadt.
Diese fatale Entwicklung hätte die Verwaltungsspitze schon vor einem Jahr (mindestens so lange schwelt der Konflikt) erkennen können – und erkennen müssen. Und sie hätte deshalb mit aller Kraft nach einer anderen Lösung für das Problem suchen müssen – in ihrem eigenen Interesse.
Arbeitsverhältnisse können – aus welchen Gründen auch immer – so zerrüttet sein, dass es besser ist, sich zu trennen. Dabei darf aber keiner der Beteiligten sein Gesicht verlieren. Jetzt haben alle das Gesicht verloren. Deshalb ist der Fall von Michaela Neisser ein Management-Desaster: Die Verantwortung dafür trägt von Amts wegen Sozialdezernent Sönke Eichner. Bürgermeisterin Birgit Alkenings als Chefin der Stadtverwaltung hätte nicht zulassen dürfen, dass der Konflikt so eskaliert. Das war ein politischer Fehler. Schließlich will sie 2020 für eine zweite Amtszeit kandidieren.