Digitales Fenster zur Erdgeschichte
Wie Lehre per Smartphone funktionieren kann, zeigen Forscher der Uni Bonn mit der Geologie-App „OutcropWizard“.
BONN Wo gab es in Deutschland vor Millionen von Jahren ein – inzwischen ausgetrocknetes – Meer, und wo befanden sich vielleicht Vulkane, die längst erloschen sind? Auf eine Reise durch die Geschichte unseres Planeten kann man mit der App „OutcropWizard“gehen. Sie zeigt auf einer Deutschlandkarte sogenannte Aufschlüsse an: Dies sind Orte an der Erdoberfläche, an denen Gesteine unverhüllt zutage treten. In Deutschland sind diese Aufschlüsse eher selten, denn Gesteine sind – anders als in sehr trockenen Gebieten – meist von Boden und Pflanzen bedeckt. Aber in Steinbrüchen oder in Bergbau-Regionen gelangen Gesteine eben doch an die Oberfläche.
„Für uns Geologen sind Aufschlüsse ein einzigartiges Fenster zur Erdgeschichte und primäre Datenquelle“, sagt Gösta Hoffmann vom Institut für Geowissenschaften und Meteorologie der Universität Bonn. Gemeinsam mit den Master-Absolventen Martin Monschau und Edouard Grigowski hat er die Geologie-App „OutcropWizard“entwickelt. Mit ihr lassen sich Steinbrüche, Böschungen oder Gruben mit interessanten erdgeschichtlichen Details nun via Smartphone und von der heimischen Couch aus aufsuchen. „Wir als Universität haben die Aufgabe, Wissen zu vermitteln. Ein Smartphone hat inzwischen jeder in der Tasche. Schüler und Studierende nutzen es aber noch selten als Werkzeug oder um sich Wissen anzueignen. Wir erhoffen uns, mit der App viele junge Menschen anzusprechen, die das Smartphone als primäre Informationsquelle nutzen“, so Hoffmann.
„OutcropWizard“ist ein gutes Beispiel, wie digitale Lehre funktionieren kann: Denn die App kann und soll natürlich auch für Schul-Exkursionen, private Wanderungen, Radtouren oder studentische Feldversuche genutzt werden. „Die App ermöglicht dem Nutzer, selbstständig und interaktiv geowissenschaftliche Sehenswürdigkeiten zu erkunden und die Routen zu planen. Wenn man den Ort besuchen will, kann einen das Smartphone navigieren – und zwar auch bei Wanderungen in unübersichtlichen Wäldern“, sagt der Geologe. „Das alles kann ein Buch natürlich nicht.“
Zumal die App die Nutzer mit vielen zusätzlichen Informationen versorgt. Auf einer Übersichtskarte sind deutschlandweit die Aufschluss-Punkte markiert. Mit einem Klick erscheinen zum Beispiel der Name des Ortes, die Gesteinsart und die Alterseinstufung. Darüber hinaus lassen sich Bilder, dreidimensionale Modelle, Fossilfunde und weitere Informationen zu den Aufschlüssen aufrufen.
Mit der App kann man sich beispielsweise eine Route rund um das Thema „Vulkane in der Eifel“zusammenstellen, oder im GeoPark Ruhrgebiet erforschen, welche Gesteine durch die Zechen freigelegt wurden – und etwa in Witten-Heven ein freiliegendes Flöz entdecken. „Wir möchten junge Leute spielerisch für Geologie begeistern und sie dabei unterstützen, sich die Natur zu erschließen. Ein bisschen so wie beim Geo-Caching“, sagt Gösta Hoffmann.
Mit „OutcropWizard“kann außerdem jeder selbst zum Geologen werden. Denn die App ist interaktiv. „Interessierte können auch selbstständig Informationen und Bilder hochladen und damit das Informationsangebot vervollständigen“, sagt Martin Monschau von der Projektgruppe. So kann man einen Aufschluss nicht nur fotografieren, sondern auch schauen, ob man Fossilien findet, von diesen Videos drehen und sie in die App laden. Dieser sogenannte User-generated content wird von den Profis an der Uni noch einmal überprüft und ergänzt. „Wir erhoffen uns natürlich, dass viele Kollegen in den Geologischen Instituten die App nutzen und noch viele Aufschlüsse hinzufügen“, sagt Gösta Hoffmann. „Also etwa, dass die Geologie-Studenten in Göttingen viele Orte rund um Göttingen hinzufügen.“Derzeit sind 1300 Aufschlüsse hinterlegt. Über die Kommentarfunktion können die Nutzer darüber hinaus auch zu einem offenen Diskurs beitragen.
„OutcropWizard“ist kostenlos und wird mit Fördergeldern der Klaus-Tschira-Stiftung noch weiterentwickelt. So soll die App demnächst auch mehrsprachig sein – inklusive Audio-Dateien –, und Videos wird es ebenfalls geben. „Wir sind außerdem dabei, die App in Zusammenarbeit mit den nationalen und internationalen Geoparks in Deutschland zu implementieren“, sagt Edouard Grigowski vom Projektteam. Damit ist die App ein echtes Bildungsangebot für alle Besucher der Parks.