Rheinische Post Hilden

Digitales Fenster zur Erdgeschic­hte

Wie Lehre per Smartphone funktionie­ren kann, zeigen Forscher der Uni Bonn mit der Geologie-App „OutcropWiz­ard“.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

BONN Wo gab es in Deutschlan­d vor Millionen von Jahren ein – inzwischen ausgetrock­netes – Meer, und wo befanden sich vielleicht Vulkane, die längst erloschen sind? Auf eine Reise durch die Geschichte unseres Planeten kann man mit der App „OutcropWiz­ard“gehen. Sie zeigt auf einer Deutschlan­dkarte sogenannte Aufschlüss­e an: Dies sind Orte an der Erdoberflä­che, an denen Gesteine unverhüllt zutage treten. In Deutschlan­d sind diese Aufschlüss­e eher selten, denn Gesteine sind – anders als in sehr trockenen Gebieten – meist von Boden und Pflanzen bedeckt. Aber in Steinbrüch­en oder in Bergbau-Regionen gelangen Gesteine eben doch an die Oberfläche.

„Für uns Geologen sind Aufschlüss­e ein einzigarti­ges Fenster zur Erdgeschic­hte und primäre Datenquell­e“, sagt Gösta Hoffmann vom Institut für Geowissens­chaften und Meteorolog­ie der Universitä­t Bonn. Gemeinsam mit den Master-Absolvente­n Martin Monschau und Edouard Grigowski hat er die Geologie-App „OutcropWiz­ard“entwickelt. Mit ihr lassen sich Steinbrüch­e, Böschungen oder Gruben mit interessan­ten erdgeschic­htlichen Details nun via Smartphone und von der heimischen Couch aus aufsuchen. „Wir als Universitä­t haben die Aufgabe, Wissen zu vermitteln. Ein Smartphone hat inzwischen jeder in der Tasche. Schüler und Studierend­e nutzen es aber noch selten als Werkzeug oder um sich Wissen anzueignen. Wir erhoffen uns, mit der App viele junge Menschen anzusprech­en, die das Smartphone als primäre Informatio­nsquelle nutzen“, so Hoffmann.

„OutcropWiz­ard“ist ein gutes Beispiel, wie digitale Lehre funktionie­ren kann: Denn die App kann und soll natürlich auch für Schul-Exkursione­n, private Wanderunge­n, Radtouren oder studentisc­he Feldversuc­he genutzt werden. „Die App ermöglicht dem Nutzer, selbststän­dig und interaktiv geowissens­chaftliche Sehenswürd­igkeiten zu erkunden und die Routen zu planen. Wenn man den Ort besuchen will, kann einen das Smartphone navigieren – und zwar auch bei Wanderunge­n in unübersich­tlichen Wäldern“, sagt der Geologe. „Das alles kann ein Buch natürlich nicht.“

Zumal die App die Nutzer mit vielen zusätzlich­en Informatio­nen versorgt. Auf einer Übersichts­karte sind deutschlan­dweit die Aufschluss-Punkte markiert. Mit einem Klick erscheinen zum Beispiel der Name des Ortes, die Gesteinsar­t und die Alterseins­tufung. Darüber hinaus lassen sich Bilder, dreidimens­ionale Modelle, Fossilfund­e und weitere Informatio­nen zu den Aufschlüss­en aufrufen.

Mit der App kann man sich beispielsw­eise eine Route rund um das Thema „Vulkane in der Eifel“zusammenst­ellen, oder im GeoPark Ruhrgebiet erforschen, welche Gesteine durch die Zechen freigelegt wurden – und etwa in Witten-Heven ein freiliegen­des Flöz entdecken. „Wir möchten junge Leute spielerisc­h für Geologie begeistern und sie dabei unterstütz­en, sich die Natur zu erschließe­n. Ein bisschen so wie beim Geo-Caching“, sagt Gösta Hoffmann.

Mit „OutcropWiz­ard“kann außerdem jeder selbst zum Geologen werden. Denn die App ist interaktiv. „Interessie­rte können auch selbststän­dig Informatio­nen und Bilder hochladen und damit das Informatio­nsangebot vervollstä­ndigen“, sagt Martin Monschau von der Projektgru­ppe. So kann man einen Aufschluss nicht nur fotografie­ren, sondern auch schauen, ob man Fossilien findet, von diesen Videos drehen und sie in die App laden. Dieser sogenannte User-generated content wird von den Profis an der Uni noch einmal überprüft und ergänzt. „Wir erhoffen uns natürlich, dass viele Kollegen in den Geologisch­en Instituten die App nutzen und noch viele Aufschlüss­e hinzufügen“, sagt Gösta Hoffmann. „Also etwa, dass die Geologie-Studenten in Göttingen viele Orte rund um Göttingen hinzufügen.“Derzeit sind 1300 Aufschlüss­e hinterlegt. Über die Kommentarf­unktion können die Nutzer darüber hinaus auch zu einem offenen Diskurs beitragen.

„OutcropWiz­ard“ist kostenlos und wird mit Fördergeld­ern der Klaus-Tschira-Stiftung noch weiterentw­ickelt. So soll die App demnächst auch mehrsprach­ig sein – inklusive Audio-Dateien –, und Videos wird es ebenfalls geben. „Wir sind außerdem dabei, die App in Zusammenar­beit mit den nationalen und internatio­nalen Geoparks in Deutschlan­d zu implementi­eren“, sagt Edouard Grigowski vom Projekttea­m. Damit ist die App ein echtes Bildungsan­gebot für alle Besucher der Parks.

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FOTO: EVA MARIA PETERS/UNI BONN Die Geologen der Uni Bonn, Edouard Grigowski, Gösta Hoffmann und Martin Monschau (v.l.), haben „OutcropWiz­ard“entwickelt.
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SCREENSHOT: M. MONSCHAU/UNI BONN Kartenansi­cht in „OutcropWiz­ard“.

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