Auf der Straße für bessere Kitas
Das Bündnis „Mehr Große für die Kleinen“will am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Landtag für mehr Kita-Personal demonstrieren. Ein Vater und zwei Kita-Leiterinnen schildern, was sie ärgert und was sie sich wünschen.
DÜSSELDORF In jeder Landesregierung gibt es Themen, die kein Minister gerne anfasst. Kita-Reformen gehören dazu. Zu viele Akteure sind beteiligt, mit nicht immer gleichgerichteten Interessen. Die Finanzierungsstruktur ist komplex und stets absehbar sind harte Verhandlungen mit dem Finanzminister. Gleichzeitig ist einem Minister, der mit Kitas und dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) zu tun hat, öffentliche Aufmerksamkeit gewiss. Das musste schon Armin Laschet (CDU) in seiner Zeit als Familienminister erfahren. Auch Christina Kampmann (SPD) versuchte sich an einer KiBiz-Novelle.
So war es nun an NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP), die Finanzierung der Kitas im Land auf Dauer zu sichern. Für viele Einrichtungen ging es ums Überleben, erste Schließungen waren bereits die Folge. Hauptursache für die Finanznot waren stark gestiegene Personalund Sachkosten, die von den Landesmitteln nicht mehr gedeckt wurden. Stamp machte sich also daran, das Kita-System wieder auf eine solide Katharina Schwabedissen Sprecherin Gewerkschaft Verdi
Grundlage zu stellen. Nach wochenlangen Verhandlungen präsentierte er ein Ergebnis: Von 2020/21 an sollen die Kitas jährlich rund 1,3 Milliarden Euro mehr bekommen. Die für die Kinderbetreuung aufgewendete Gesamtsumme im Land liegt damit künftig bei 6,8 Milliarden Euro jährlich. Ein zweites Kita-Jahr soll beitragsfrei sein. Möglich wird diese Finanzspritze auch durch das Gute-Kita-Gesetz des Bundes, der im kommenden Jahr rund 430 Millionen Euro beisteuert.
Die Kommunen zeigten sich mit dem Resultat zufrieden – anders als die freien Träger, in deren Händen drei Viertel der Kitas im Land liegen. So ist es die Arbeitnehmerseite der Wohlfahrtsverbände und Kirchen, die Elternvertretungen und Gewerkschaften, deren Anhänger am Donnerstag parallel zur Plenarsitzung zu Tausenden vor dem Landtag protestieren. Anders als der Familienminister können sie nicht erkennen, wie die Finanzierung der Kitas so auf Dauer gesichert sein soll.
„Das Kernproblem in den Kitas ist, dass zu wenig Personal zu viele Aufgaben erfüllen muss“, sagt Katharina Schwabedissen von Verdi. Die Gewerkschaft hat die Proteste mit
Sonja Kern
(39), seit 19 Jahren in einer Kita tätig, Arnsberg
In Kitas wird man oft mit dem Vorwurf konfrontiert, dass wir ja „nur spielen“– dass Kinder dabei fürs Leben lernen, wird unterschätzt. Von uns Erzieherinnen wird immer mehr gefordert, wir müssen die Kinder fördern und betreuen, gleichzeitig aber dokumentieren und Gespräche etwa mit Eltern führen. Wir wickeln, putzen Zähne, helfen, Streitigkeiten zu klären, waschen Wäsche. Das erfordert Multitaskingfähigkeiten, man muss immer ansprechbar sein. Mit dem aktuellen Personalschlüssel ist das nicht umzusetzen, Krankheiten, Fortbildungen und Urlaubstage sind nicht vorgesehen. Kitas brauchen mehr Personal und mehr Geld. Dass eine Erzieherin an manchen Tagen für mehr als 20 Kinder zuständig ist, geht nicht. Von der Politik fühle ich mich als langjährige Erzieherin und jetzige Kita-Leiterin im Stich gelassen. Im Kindergarten zu arbeiten ist zwar der schönste Beruf der Welt, aber wir haben keine Lobby. Viele Politiker und auch die Gesellschaft haben von der Realität in den Kitas vor Ort keine Ahnung.
„Das Kernproblem ist, dass zu wenig Personal zu viele Aufgaben erfüllen muss“
Pamela Strutz
(40),
Vorsitzende des Trägervereins einer Initiativkita, Dortmund
Aus Sicht eines privaten Elternvereins als kleinem freien Träger sind wir mit 40 Plätzen strukturell unterfinanziert. Daran wird auch die geplante Gesetzesüberarbeitung nichts ändern. So können wir nur die Mindestausstattung an Personal finanzieren. Unser Team bezahlen wir nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, nicht-pädagogische Arbeiten wie Reparaturen leisten oft Eltern. Ohne ihr Engagement wäre vieles nicht möglich. In dem Gesetzentwurf spielt auch die Qualität des hauswirtschaftlichen Personals keine Rolle – dabei sollen sich Kinder gesund ernähren. Bei uns wird durch eigenes Personal gekocht. Das ist aber eine Ausnahme. Viele andere Träger entscheiden sich für Caterer, weil es billiger ist. Ich befürchte, dass sich unsere Situation auch mit dem überarbeiteten Gesetz nicht wirklich verbessert.
Darius Dunker
(49), Vater eines vierjährigen Sohnes und Mitglied im Landeselternbeirat, Aachen
Die Kitas haben zu wenig Personal und der Platzausbau in NRW schreitet viel zu langsam voran. Wenn Eltern froh sein müssen, überhaupt einen Platz für ihr Kind zu bekommen, können sie kaum bestimmen, welche Kita sie überzeugt. Außerdem würde ich mir mehr Mitbestimmungsrechte für Eltern in Kitas wünschen. Dabei geht es nicht darum, den Erziehern ihre Expertise streitig zu machen, sondern darum, gemeinsam die beste Lösung für die Kinder zu finden.