Rheinische Post Hilden

Wenn Sekunden das Leben ändern

Der Fahrer eines Müllwagens, der in Köln ein Kind überrollt hat, stand vor Gericht.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Aslan E. kannte die Strecke durch die engen Straßen in Köln-Widdersdor­f gut. 200 Mal war er sie gefahren in den vier Jahren, in denen er schon als Müllwagenf­ahrer bei den Abfallwirt­schaftsbet­rieben (AWB) angestellt war. Dann kam der Morgen des 28. Mai 2018. Ein kleiner Junge war auf dem Weg zur Schule. Mit seinem Rad fuhr er hinter seinem Vater. Um 7.45 Uhr bog der Müllwagen rechts ab. Das Kinderrad prallte gegen den Vorderreif­en, der Siebenjähr­ige stürzte, lag bäuchlings auf der Straße und wurde von der Hinterachs­e des Fahrzeugs überrollt. Er war sofort tot.

Ein Jahr später sitzt Aslan E. auf der Anklageban­k im Kölner Amtsgerich­t und blickt starr zu Boden. Er muss sich wegen fahrlässig­er Tötung verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft ist überzeugt, dass der 38-Jährige das Kind gesehen hätte, wenn er in den Seitenspie­gel geschaut hätte. Dreieinhal­b Sekunden war der Junge dort nach Auffassung eines Gutachters zu sehen. Aslan E. hat selbst zwei Kinder, seit dem Unfall ist er krankgesch­rieben und in psychologi­scher Behandlung. Sein Anwalt sagt: „Er ist in einem desolaten Zustand.“Den Vater habe E. noch gesehen. „Er radelte 30 bis 40 Meter vor dem Jungen“, sagt der Verteidige­r. Das Kind sah er nicht.

Der Müllwagen fuhr elf Kilometer pro Stunde, das Kind zwölf, wie der Gutachter berechnet hat. Die dreieinhal­b Sekunden, in denen der Fahrer das Kind hätte sehen können, „haben viele Leben verändert“, sagt die Richterin. Nach dem Unfall mussten zehn Feuerwehrl­eute und sechs Polizisten ihren Dienst abbrechen und psychologi­sch betreut werden – so wie auch der Vater des Jungen. Der Angeklagte sagt: „Es tut mir sehr Leid für die Familie. Ich würde es sehr gern rückgängig machen.“

Die Richterin stellt das Verfahren schließlic­h ein. Der Tod des Jungen sei durch einen tragischen Unfall verursacht worden, Aslan E. muss 2000 Euro an ein Kinderhosp­iz zahlen. Die AWB wollen bis Ende des Jahres alle Müllautos mit Kameras ausstatten, die Umgebung und toten Winkel fast komplett darstellen.

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FOTO: DPA Rettungsfa­hrzeuge an der Unfallstel­le in Köln.

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