Pendler zwischen Rheinland und Mallorca
Martin Stötzel wuchs in Hilden auf und arbeitet heute auf der spanischen Lieblings-Insel der Deutschen im Mittelmeer.
HILDEN/DÜSSELDORF/PALMA Der Weg zur Arbeit – und zurück – dauert meistens zwei Stunden. Flugzeit! Entweder hebt Martin Stötzel in Düsseldorf Richtung Palma de Mallorca ab, oder er landet umgekehrt in seinem Büro am Zollhof im Düsseldorfer Hafen. Für den Diplom-Kaufmann, der in Hilden groß wurde, gehört zum Arbeitsalltag, was für andere den Ausflug in den Urlaub bedeutet. Es ist seine persönliche Lebensgeschichte zwischen Rhein und Mittelmeer.
Schon 1981 flog Stötzel, der 1964 in Heidelberg geboren wurde, zum ersten
Mal mit seinen
Eltern nach Mallorca. Im Studium lernte er Angela (gebürtige
Mallorquinerin) kennen, die in
Barcelona studierte. Dort traf man sich 1988 in einer Stadt, die wenige Jahre vor der Ausrichtung der Olympischen Spielen
1992 stand. „Ich war Student in Köln und deutscher Vizemeister über 800 Meter im Staffellauf, musste deshalb im Stadion auf dem Olympiagelände trainieren“, erinnert sich der sportliche Mann mit Doktortitel noch heute.
Es sei eine ungeheure Aufbruch-Stimmung damals in der Stadt gewesen. Stötzel gewann zwar keine Medaille, aber das Herz von Angela und so zogen sie zunächst an den Rhein. Angela sprach Deutsch, ihre Eltern waren Einzelhändler in Palma. Martin begann seine Karriere bei einer hiesigen Privatbank. „Dazwischen musste ich lernen, wie wichtig die Familie auf Mallorca ist.“Das heißt, mit mindestens 15 Menschen zum Essen zu gehen oder unbedingt am traditionellen „Matanza“(Schlachtfest) teilzunehmen. „Vom Kleinkind bis zur Oma haben alle dabei ihre Aufgabe, und sei es auch nur, die würzige Sobrasada zu stopfen“, erinnert er sich.
Umgekehrt begegneten seiner damaligen Freundin strenge deutsche Gesetze, wenn es um das Anrecht einer Ausländerin auf einen Platz im Studentenwohnheim ging. Tatsächlich sei ihm aber die Düsseldorfer Verkehrspolizei mal in den 90er Jahren entgegen gekommen, als er mit einem Mallorca-Kennzeichen in eine Kontrolle geriet: „Fahren Sie hier weiter, dort fahren wir immer in Urlaub hin.“
Martin Stötzel gründete 1999 zusammen mit einem Partner „Rhein Asset Management“und beschäftigt heute 20 Mitarbeiter. Vom 12. Stock eines der Gehry-Bauten blickt er auf Düsseldorf und den Hafen. Jahrelang ist er immer von Freitag auf Montag vom Rhein ans Mittelmeer geflogen. „Da hatte man noch eine LTU-Jahreskarte. Es waren ungefähr 40 Menschen an Bord, die alle den selben Rhythmus hatten und sich alle kannten.“Im Unterschied zu den Pendlern studierte der hochgewachsene Germane die südländischen Bewohner seiner neuen Heimat: „Sie sind etwas reserviert, bis sie dich richtig einschätzen können. Danach richtig herzlich.“Das habe vermutlich mit ihrer Historie und vielen Piratenüberfällen zu tun.
Für den Rheinländer sind die persönlichen Kontakte zu den Menschen auf Mallorca auch nach der Trennung von Angela nicht versiegt. „Ich habe mich gefragt, ob ich es schaffe, dort meinen Lebensmittelpunkt zu behalten.“Eine Tochter, und der Rückhalt von Freunden gaben den Ausschlag, weiterhin Palma als gefühlte Heimatstadt zu betrachten. Dann kam noch Maria ins Spiel, die er 2008 als Tenor im Chor der Universität kennen lernte. Sie sang Alt, war Sozialarbeiterin, wurde 2008 seine zweite Ehefrau. Heute arbeitet Maria als „Directora Insular“des „Consell de Mallorca“. Darunter versteht man die autonome Inselverwaltung Mallorcas mit weitreichenden Kompetenzen.
„Politik ist bei uns immer ein heißes Thema.“, sagt Stötzel und meint damit auch die Probleme, die der immer noch zunehmende Tourismus auf Mallorca verursacht. Er hat dank Maria sein Spanisch perfektioniert. Sie hat zwei heute erwachsene Kinder mit in die Ehe gebracht. Stötzels Tochter wohnt auch teilweise mit im umgebauten Stadthaus. „Das kann man wirklich „patchwork“nennen, auch weil wir inklusive Katalanisch drei verschiedene Sprachen sprechen.“Stötzel wohnt in Palmas Viertel Son Espanyolet, das sich an Santa Catalina, dem angesagten Ausgehviertel anschließt. Er beobachtet, dass hier viele Skandinavier große Immobilienflächen kaufen, um sie umzubauen und an Touristen zu vermieten. „Das führt natürlich bei den Einheimischen zu Protesten, wenn dann auch hier Tag und Nacht Party ist.“
Überfüllte und gesperrte Straßen, Parkplatznot und Müllberge vermiesen die Touristen-Saison, obwohl rund 40 Prozent direkt und weitere 10 Prozent der Inselbewohner indirekt davon abhängig sind. An den Strand geht die Familie Stötzel eher selten. Wenn es in der Stadt zu laut und zu heiß wird, fährt man lieber auf´s Land, idealerweise auf die eigene kleine Finca, wandert und isst „Tumbet“, diese köstliche Gemüse-leckerei aus dem Ofen.
Ein Resümee aus fast 40 Jahren Spanienkontakt lautet: „Man muss hier Zeit haben. Es geht im Verhältnis zu Deutschland alles etwas legerer zu.“Wer jemals „No te preocupes“(mach Dir keine Sorgen) von einem Spanier hört, sollte wissen, dass das richtig übersetzt „Es hat nicht geklappt“bedeutet. Und wenn Stötzel in Hinblick auf europäisches Miteinander noch einen Wunsch frei hätte: „Wir können uns überall frei bewegen, aber sollten trotzdem nie vergessen, dass wir in anderen Ländern zu Gast sind!“