Klima-Protest dämpft Wahlchancen der CDU
Kurz vor der Europawahl machen demonstrierende Jugendliche Druck auf die Regierungsparteien. Profitieren dürften die Grünen.
BERLIN/DÜSSELDORF Bundesweit sind am Freitag wieder Zehntausende Schüler, Studenten, aber auch ältere Bürger für die Klimaschutz-Bewegung „Fridays for Future“auf die Straße gegangen. In den großen Städten Nordrhein-Westfalens waren es mehr als 20.000 Schüler, die den Unterricht ausfallen ließen und für mehr Klimaschutz demonstrierten. Deutschlandweit gab es Proteste in über 200 Städten. International mobilisierte das Klimanetzwerk an rund 1600 Orten Kundgebungen. Gründerin und Führungsfigur Greta Thunberg beteiligte sich in ihrer Heimat in Stockholm. Sie nannte es „unglaublich“, dass zur gleichen Zeit Hunderttausende Kinder und Jugendliche weltweit für das Klima demonstrierten. In Brüssel, Straßburg und Luxemburg kam es zu Protesten vor den europäischen Institutionen.
Für die CDU hat sich das Thema Klima im Wahlkampfendspurt als Stimmungskiller erwiesen. Hinter vorgehaltener Hand räumten Spitzenpolitiker der Union ein, dass man tatsächlich keine überzeugenden Positionen zum Klimaschutz habe. Das zur Wochenmitte veröffentlichte polemische Video des Youtubers Rezo rückte das Defizit der Union bei diesem Thema gerade bei jungen Menschen noch einmal in den Fokus. Dass es Bund und Ländern gerade gelungen ist, den Kohleausstieg festzuzurren und dass auch die Tage von Atomkraftwerken in Deutschland gezählt sind – damit drangen die Regierungsparteien kaum noch durch.
Die jüngsten Umfragen sehen in Deutschland prompt die Grünen als die großen Gewinner der Europawahl. In einer am Freitag vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos veröffentlichten Umfrage kamen die Grünen auf 18 Prozent und lagen damit knapp vor der SPD, die nur auf 17 Prozent kam. Die Union lag bei 27 Prozent.
Die scharfe Kritik junger Menschen an den Regierungsparteien löste unterdessen in der CDU erste Bewegungen aus. So sprach sich der Vorsitzende der Brandenburger CDU, Ingo Senftleben, gegen die Parteilinie für die generelle Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus: Das war in der Partei jüngst noch abgelehnt worden. „Es ist wichtig, eine Generation, die sich politisch beteiligen will, früher und besser einzubinden“, sagte Senftleben unserer Redaktion. „Wir erleben eine junge Generation, die sich und ihren politischen Ansichten lautstark Luft macht, auf Demonstrationen wie bei ,Fridays for Future’ oder gegen Artikel 13 und im Internet wie jetzt in einem viel diskutierten Youtube-Video.“Der CDU-Politiker warnte davor, die Jugend hochnäsig und herablassend zu behandeln, „nur weil uns ihre Kritik unangenehm ist“. Senftleben forderte: „Lassen wir unsere Jugend wählen. Holen wir sie von Youtube ins Wahllokal.“Demokratie sei nur dann gut, wenn man dabei sein dürfe.
Europaweit wird bei den Wahlen mit einem Zuwachs für populistische Kräfte gerechnet. Bereits am Donnerstag hatten Großbritannien und die Niederlande gewählt. In Großbritannien dürfte die Brexit-Partei des EU-Gegners Nigel Farage stärkste Kraft werden. In den Niederlanden konnten Prognosen zufolge die Rechtspopulisten unter Thierry Baudet ebenfalls zulegen. Allerdings sind dort voraussichtlich die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Frans Timmermans Sieger der Wahl. Offizielle Ergebnisse dürfen jedoch erst nach Schließung der Wahllokale in allen EU-Ländern veröffentlicht werden, damit die Wahlen nicht durch bereits vorliegende Ergebnisse beeinflusst werden.