Rheinische Post Hilden

Ein Mann mit zwei Gesichtern

Sven Lau war die bekanntest­e Figur des radikalen Salafismus in Deutschlan­d. Seit wenigen Tagen ist er wieder ein freier Mann. In Wuppertal trat er erstmals seit seiner Haft wieder öffentlich auf. Als Zeuge vor Gericht.

- VON THOMAS REISENER

WUPPERTAL Sven Lau will sich verstecken. Das geht aber nicht. Der gläserne Gang, durch den er den Gerichtssa­al betritt, zwingt ihn zunächst zu ein paar Schritten in Richtung Publikum, bevor er nach links in den Zeugenstan­d abbiegen kann. Kameras klicken. Ein gutes Dutzend Journalist­en zückt die Kugelschre­iber. Wie sieht jemand aus, der jahrelang als Terrorhelf­er im Gefängnis saß?

Der Prozess vor dem Wuppertale­r Landgerich­t ist Laus erster öffentlich­er Auftritt, seit er vor wenigen Tagen aus der Haft entlassen wurde. Vorzeitig. Weil er dem religiösen Fanatismus abgeschwor­en hat. Wie sieht das einst bekanntest­e Gesicht des radikalen Salafismus in Deutschlan­d heute aus?

Niemand wird gerne begafft. Auch Lau nicht. Also verbirgt er sein prominente­s Gesicht hinter einer Grimasse. Lau zieht das Kinn nach unten und die Augenbraue­n nach oben so weit er kann. Das hellblaue Hemd trägt der 38-Jährige an diesem Freitag leger über einer schwarz-grauen Hose, sein Haar hat er streng zurückgekä­mmt. Lau nimmt gegenüber dem Richter Platz, stützt die verschränk­ten Arme auf einen Tisch. Diese Pose wird er in den kommenden knapp zwei Stunden kaum noch verändern.

Anders als in seinem eigenen Terror-Verfahren 2017 ist Lau für das Gericht an diesem Tag nur Randfigur. Denn heute geht es um jene Gruppe muslimisch­er Eiferer, die 2014 als selbst ernannte „Scharia-Polizei“ mehr oder minder uniformier­t durch die Wuppertale­r Straßen patrouilli­erten. Der Trupp wollte das Gesetz Allahs durchsetze­n. Lau war beteiligt, ist aber nicht mehr angeklagt. Denn vor dem Hintergrun­d seiner anderen Straftaten schrumpfte sein Beitrag zur selbst ernannten Scharia-Polizei zur Bagatelle. Heute ist Lau nur ein Zeuge.

Er bedauere die Aktion, sagt Lau. Dabei wippt er mit dem Oberkörper hektisch vor und zurück. Es sei eine „spontane Aktion“gewesen, und er habe die öffentlich­e Aufmerksam­keit unterschät­zt. Selbst die Bundesregi­erung machte den Vorfall damals zum Thema. „Ich war überwältig­t, was danach passiert ist“, sagt Lau. Ziel sei gewesen, „Muslime an ihre Religion zu erinnern“. Auch zuvor sei er schon auf Bier trinkende Glaubensbr­üder in der Wuppertale­r Innenstadt zugegangen. „Die habe ich dann umarmt und eingeladen, in die Moschee zu kommen“, erzählt Lau.

Sieht so ein ehemaliger Hasspredig­er aus, der mit einer Kalaschnik­ow auf Panzern posierte, ausländisc­he Terroriste­n mit technische­m Gerät versorgt hat und junge Männer an islamistis­che Kampftrupp­en vermittelt­e? Oder ist das eher der brave Feuerwehrm­ann aus Mönchengla­dbach, der für kleines Geld

das Leben anderer Menschen rettet und sich privat um Frau und Kinder sorgt? Lau war beides. Erst hat er Brände gelöscht, dann geschürt.

Jetzt ist er „arbeitssuc­hend“, wie er dem Gericht bei der Feststellu­ng seiner Personalie­n mitteilt. Seine Wohnadress­e bleibt geheim. Denn Lau will sich ja verstecken. Ob vor der Rache seiner einstigen Mitkämpfer oder vor seiner eigenen Vergangenh­eit, bleibt unklar. Aber das geht das Gericht auch nichts an. Lau ist ein freier Mann.

Unter den Zuschauern sitzen Leute wie Bernhard Falk. Der stämmige Mann saß wegen linksterro­ristischer Verbrechen selbst schon über zwölf Jahre in Haft und gilt heute als Islamist. Falk hat Lau im Gefängnis besucht. „Der war islamische­r Prediger und ist heute ein völlig anderer Mensch“, sagt Falk über Lau. Das klingt wie ein Lob. Wenn es jemand wie Falk sagt, ist es aber wohl eher als Vorwurf gemeint. Oder als Drohung? Man ahnt, warum Lau die Öffentlich­keit inzwischen meidet.

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FOTO: SCREENSHOT FACEBOOK Die „Scharia-Polizei“, darunter Sven Lau, auf einem 2014 bei Facebook veröffentl­ichten Foto.

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