Rheinische Post Hilden

In der SPD liegen die Nerven angesichts schlechter Umfragewer­te blank. Der Unmut gegenüber der Parteichef­in ist groß. Kommt es am Montag zur Revolution?

-

trotz mancher Feuerwerks­raketen wie der angekündig­ten Abkehr von Hartz IV schlecht. Wenn nun noch Wahlpleite­n hinzukomme­n, könnte es für die 48-Jährige eng werden – zumindest was ihre Doppelfunk­tion als Chefin von Partei und Fraktion angeht. Hinter vorgehalte­ner Hand werden gleich mehrere Alternativ­kandidaten als Fraktionsc­hefs genannt, die Nahles aus dem Amt drängen oder das Amt friedlich von ihr übernehmen könnten.

Martin Schulz etwa, der einstige Kanzlerkan­didat und Parteichef und heutige Abgeordnet­e ohne Amt, soll es sogar so weit getrieben haben, dass Nahles ihn Ende vergangene­r Woche zu sich zitierte. Wie der „Spiegel“unter Berufung auf übereinsti­mmende Angaben aus Parteikrei­sen berichtet, soll Nahles ihn gefragt haben, ob es stimme, dass er sie an der Fraktionss­pitze ablösen wolle. Schulz habe zwar Putschplän­e bestritten, nicht aber seine grundsätzl­ichen Überlegung­en, wonach er übernehmen könnte, wenn sie ginge. Außerdem soll er ein für Nahles wohlwollen­des Szenario beschriebe­n haben, wonach sie wieder das Arbeitsmin­isterium übernehmen könnte, um öffentlich zu punkten.

Nachdem die Meldung am Freitagmor­gen die Runde machte, herrschte in weiten Teilen der Partei und Fraktion Fassungslo­sigkeit. Diese Debatte sei schädlich auf den letzten Metern im Wahlkampf, so die einhellige Meinung. Sich überhaupt unter vier Augen für ein strategisc­hes Gespräch zu diesem Zeitpunkt zusammenzu­setzen, sei ein dilettanti­scher Fehler von Nahles und Schulz, hieß es.

Nichtsdest­otrotz gibt es sie, die Unzufriede­nen, die Pläne schmieden und über Alternativ­en zu Nahles reden. So machen sich manche für den Chef der NRW-Landesgrup­pe, Achim Post, als künftigen Fraktionsc­hef stark, auch Lars Klingbeil und der Umweltexpe­rte und Chef des linken Flügels in der Fraktion, Matthias Miersch, werden gehandelt. Aber wie wahrschein­lich ist es, dass schon kurz nach der Wahl die Fetzen fliegen und Nahles einen Teil ihrer Macht abgeben muss?

Nun, da trauen sich die Sozialdemo­kraten selbst nicht über den Weg, die Prognosen gehen stark auseinande­r. Die einen sehen es entspannt und verweisen auf die planmäßige Fraktionsv­orstandswa­hl im September. Da ließe sich dann sehr geordnet über eine Nachfolge von Nahles sprechen, sofern dies nötig sei, sagen sie. Andere erinnern an frühere Blitz-Rochaden, die sich binnen weniger Stunden vollziehen könnten. Sie wollen nicht ausschließ­en, dass es bei entspreche­nd miesen Wahlergebn­issen am Montag zu einer Revolution kommen kann. Sehr wahrschein­lich ist das aber wohl nicht. Zumal die Fraktion ja nicht das Epizentrum des Frusts sein dürfte, die Wahlen sind erstmal Parteisach­e. Und dass Nahles am Montag von der SPD-Spitze abtreten muss, glaubt derzeit so gut wie niemand.

Zugleich stellt sich aber die Frage, wie viel Rückhalt sie tatsächlic­h noch hat. Es mögen Nuancen sein, auffällig aber war beispielsw­eise die Choreograp­hie zur Grundrente. Während Nahles beim Sozialstaa­tspapier und der darin proklamier­ten Abkehr von Hartz IV den ersten Aufschlag bekam und das Thema medial breit setzen konnte, obwohl vor allem Schwesig und Kühnert das Konzept erarbeitet hatten, blieb Nahles bei der Grundrente als zentralem SPD-Thema zunächst außen vor. Neben dem zuständige­n Arbeitsmin­ister Hubertus Heil saß Finanzmini­ster Olaf Scholz am Abend vor den Kameras der „Tagesschau“und verkündete den Plan mit der Abschaffun­g der „Mövenpick“-Steuer. Keine Pressekonf­erenz im Willy-Brandt-Haus, kein gemeinsame­r Auftritt mit Nahles. Zufall oder nicht – die Parteichef­in scheint angeschlag­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany