Strom-Anbieterwechsel fast ohne Aufwand
Der Strompreis ist so hoch wie nie zuvor. Dennoch wechseln nur wenige ihren Stromanbieter. Helfen könnten Angebote von neuen Anbietern.
DÜSSELDORF Haben Sie schon einmal Ihren Stromanbieter gewechselt? Falls ja, haben Sie vielen Deutschen etwas voraus. Laut der Bundesnetzagentur wurden 2017 69 Prozent aller Haushalte nach wie vor von ihrem Grundversorger beliefert. Also dem Energieversorgungsunternehmen, das im Netzgebiet vor Ort die meisten Haushaltskunden mit Strom und/oder Gas beliefert. Also in vielen Städten beispielsweise die lokalen Stadtwerke. 41 Prozent der Haushaltskunden hatten aber immerhin einen Sondertarif mit dem Grundversorger abgeschlossen, der günstiger ist als die teuren Grundversorger-Tarife.
Dabei hat sich auch in den ersten Monaten dieses Jahres gezeigt, dass ein Wechsel vom Grundversorger zu einem anderen Unternehmen attraktiv sein kann. Nach einer Auswertung des Vergleichportals Verivox haben in den ersten fünf Monaten schon mehr als 654 der 826 Grundversorger die Strompreise um durchschnittlich fünf Prozent erhöht. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden pro Jahr führe dies zu Mehrkosten in Höhe von 60 Euro im Jahr. Mit einem Durchschnittspreis von 29,60 Cent pro Kilowattstunde erreichten die Strompreise im Mai zudem einen neuen Höchststand. Zur Freude des Fiskus. Denn der Anteil von Steuern, Umlagen und Abgaben liegt beim Strompreis in Deutschland bei 54 Prozent. Wie die Statistikbehörde Eurostat kürzlich mitteilte, ist der Steuer-Anteil nur in Dänemark (64 Prozent) und Portugal (55) noch höher. Der Rest des Strompreises entfällt auf Netzgebühren und den Anteil der Stromversorger (23 Prozent).
Trotz der vielen Preiserhöhungen hält sich die Bereitschaft der Kunden, den Lieferanten zu wechseln, in Grenzen. „Die immer noch hohe Zahl von Haushaltskunden, die in der Grundversorgung oder im Rahmen eines anderen Vertrags vom Grundversorger beliefert werden, zeigt, dass noch nicht alle Verbraucher ihr Wechselpotenzial nutzen“, schreibt auch die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht 2018. Woher kommt die Zurückhaltung? „Das Produkt Strom ist genau gleich, egal, von wem ich es beziehe“, sagt Christina Wallraf, Energie-Referentin bei der Verbraucherzentrale NRW. Bei einem Wechsel des Handyvertrags gehe in der Regel neben einem neuen Preis auch eine Verbesserung der Leistung einher oder der Kunde bekommt noch ein neues Handy. „Strom ist also schwer zu vermarkten“, sagt Wallraf.
Mit dem Anspruch, genau das zu ändern, sind vor wenigen Jahren die ersten der sogenannten Tarif-Aufpasser angetreten. Ihre Idee: Weil den meisten Deutschen ein Wechsel zu misslich ist, kümmern sie sich einfach darum. Ihr Versprechen: Sie optimieren den Strom- / Gas-Tarif des Kunden automatisch, indem sie stets nach besseren Angeboten Ausschau halten und rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist aktiv werden. Die Tarifaufpasser übernehmen zudem die komplette Kommunikation mit dem Stromanbieter. Der Kunde erhält aber die Möglichkeit, einem geplanten Anbieter-Wechsel erst noch zuzustimmen, bevor er vollzogen wird. Ansonsten erfolgt er automatisch, sofern dem Anbieter eine Vollmacht des Kunden vorliegt. „Was die meisten Menschen nicht wissen: Bei einem Stromanbieterwechsel ändert sich nur die Firma, die einem einmal pro Jahr eine Rechnung schickt“, sagt Arik Meyer, Gründer des Tarifaufpassers Switchup. „An der Stromversorgung ändert sich gar nichts.“
Was bleibt, sind die Kosten für diesen Service. Ein Teil der Anbieter verlangt eine Provision, die zwischen 20 und 30 Prozent der Ersparnis liegt. Beim Berliner Anbieter Switchup. de zahlt hingegen nicht der Kunde, sondern der neue Stromanbieter, der an Switchup eine Wechselprovision zahlen muss.
In einem Test über mehr als zwölf Monate hat Stiftung Warentest („Finanztest“-Ausgabe 04/2019) neun Tarif-Aufpasser getestet. Vom ersten Tarifvorschlag für das erste Vertragsjahr über den ersten Anbieterwechsel bis zum Tarifvorschlag für
das zweite Vertragsjahr. Das Fazit: „Alle optimieren nicht nur regelmäßig den Stromtarif und helfen so beim Sparen. Sie übernehmen auch die gesamte Kommunikation mit dem Versorger.” Sieben Wechseldienste könnten Kunden problemlos nutzen, zwei seien nicht empfehlenswert. Vier der Tarif-Aufpasser wurden sogar als „sehr empfehlenswert” eingestuft (siehe Grafik). Abzüglich der Kosten für den Wechseldienst haben die Tester mithilfe der Tarifaufpasser zwischen 73 und mehr als 400 Euro in einem Jahr gespart. Auch die Verbraucherzentrale NRW bewertet die Wechseldienste positiv. „Sie sind sinnvoll für Verbraucher, die sich nicht jedes Jahr um den Tarifvergleich kümmern wollen“, sagt Wallraf. Verbraucher sollten aber auf mögliche Mitwirkungspflichten achten, bevor sie einen Tarifaufpasser beauftragen.