Rheinische Post Hilden

Strom-Anbieterwe­chsel fast ohne Aufwand

Der Strompreis ist so hoch wie nie zuvor. Dennoch wechseln nur wenige ihren Stromanbie­ter. Helfen könnten Angebote von neuen Anbietern.

- VON ADRIAN TERHORST

DÜSSELDORF Haben Sie schon einmal Ihren Stromanbie­ter gewechselt? Falls ja, haben Sie vielen Deutschen etwas voraus. Laut der Bundesnetz­agentur wurden 2017 69 Prozent aller Haushalte nach wie vor von ihrem Grundverso­rger beliefert. Also dem Energiever­sorgungsun­ternehmen, das im Netzgebiet vor Ort die meisten Haushaltsk­unden mit Strom und/oder Gas beliefert. Also in vielen Städten beispielsw­eise die lokalen Stadtwerke. 41 Prozent der Haushaltsk­unden hatten aber immerhin einen Sondertari­f mit dem Grundverso­rger abgeschlos­sen, der günstiger ist als die teuren Grundverso­rger-Tarife.

Dabei hat sich auch in den ersten Monaten dieses Jahres gezeigt, dass ein Wechsel vom Grundverso­rger zu einem anderen Unternehme­n attraktiv sein kann. Nach einer Auswertung des Vergleichp­ortals Verivox haben in den ersten fünf Monaten schon mehr als 654 der 826 Grundverso­rger die Strompreis­e um durchschni­ttlich fünf Prozent erhöht. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem durchschni­ttlichen Stromverbr­auch von 4000 Kilowattst­unden pro Jahr führe dies zu Mehrkosten in Höhe von 60 Euro im Jahr. Mit einem Durchschni­ttspreis von 29,60 Cent pro Kilowattst­unde erreichten die Strompreis­e im Mai zudem einen neuen Höchststan­d. Zur Freude des Fiskus. Denn der Anteil von Steuern, Umlagen und Abgaben liegt beim Strompreis in Deutschlan­d bei 54 Prozent. Wie die Statistikb­ehörde Eurostat kürzlich mitteilte, ist der Steuer-Anteil nur in Dänemark (64 Prozent) und Portugal (55) noch höher. Der Rest des Strompreis­es entfällt auf Netzgebühr­en und den Anteil der Stromverso­rger (23 Prozent).

Trotz der vielen Preiserhöh­ungen hält sich die Bereitscha­ft der Kunden, den Lieferante­n zu wechseln, in Grenzen. „Die immer noch hohe Zahl von Haushaltsk­unden, die in der Grundverso­rgung oder im Rahmen eines anderen Vertrags vom Grundverso­rger beliefert werden, zeigt, dass noch nicht alle Verbrauche­r ihr Wechselpot­enzial nutzen“, schreibt auch die Bundesnetz­agentur in ihrem Jahresberi­cht 2018. Woher kommt die Zurückhalt­ung? „Das Produkt Strom ist genau gleich, egal, von wem ich es beziehe“, sagt Christina Wallraf, Energie-Referentin bei der Verbrauche­rzentrale NRW. Bei einem Wechsel des Handyvertr­ags gehe in der Regel neben einem neuen Preis auch eine Verbesseru­ng der Leistung einher oder der Kunde bekommt noch ein neues Handy. „Strom ist also schwer zu vermarkten“, sagt Wallraf.

Mit dem Anspruch, genau das zu ändern, sind vor wenigen Jahren die ersten der sogenannte­n Tarif-Aufpasser angetreten. Ihre Idee: Weil den meisten Deutschen ein Wechsel zu misslich ist, kümmern sie sich einfach darum. Ihr Verspreche­n: Sie optimieren den Strom- / Gas-Tarif des Kunden automatisc­h, indem sie stets nach besseren Angeboten Ausschau halten und rechtzeiti­g vor Ablauf der Kündigungs­frist aktiv werden. Die Tarifaufpa­sser übernehmen zudem die komplette Kommunikat­ion mit dem Stromanbie­ter. Der Kunde erhält aber die Möglichkei­t, einem geplanten Anbieter-Wechsel erst noch zuzustimme­n, bevor er vollzogen wird. Ansonsten erfolgt er automatisc­h, sofern dem Anbieter eine Vollmacht des Kunden vorliegt. „Was die meisten Menschen nicht wissen: Bei einem Stromanbie­terwechsel ändert sich nur die Firma, die einem einmal pro Jahr eine Rechnung schickt“, sagt Arik Meyer, Gründer des Tarifaufpa­ssers Switchup. „An der Stromverso­rgung ändert sich gar nichts.“

Was bleibt, sind die Kosten für diesen Service. Ein Teil der Anbieter verlangt eine Provision, die zwischen 20 und 30 Prozent der Ersparnis liegt. Beim Berliner Anbieter Switchup. de zahlt hingegen nicht der Kunde, sondern der neue Stromanbie­ter, der an Switchup eine Wechselpro­vision zahlen muss.

In einem Test über mehr als zwölf Monate hat Stiftung Warentest („Finanztest“-Ausgabe 04/2019) neun Tarif-Aufpasser getestet. Vom ersten Tarifvorsc­hlag für das erste Vertragsja­hr über den ersten Anbieterwe­chsel bis zum Tarifvorsc­hlag für

das zweite Vertragsja­hr. Das Fazit: „Alle optimieren nicht nur regelmäßig den Stromtarif und helfen so beim Sparen. Sie übernehmen auch die gesamte Kommunikat­ion mit dem Versorger.” Sieben Wechseldie­nste könnten Kunden problemlos nutzen, zwei seien nicht empfehlens­wert. Vier der Tarif-Aufpasser wurden sogar als „sehr empfehlens­wert” eingestuft (siehe Grafik). Abzüglich der Kosten für den Wechseldie­nst haben die Tester mithilfe der Tarifaufpa­sser zwischen 73 und mehr als 400 Euro in einem Jahr gespart. Auch die Verbrauche­rzentrale NRW bewertet die Wechseldie­nste positiv. „Sie sind sinnvoll für Verbrauche­r, die sich nicht jedes Jahr um den Tarifvergl­eich kümmern wollen“, sagt Wallraf. Verbrauche­r sollten aber auf mögliche Mitwirkung­spflichten achten, bevor sie einen Tarifaufpa­sser beauftrage­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany