Rheinische Post Hilden

Das Modell Leipzig: Erfolg ist planbar

RB Leipzig kann am Samstag den ersten Titel der Klubgeschi­chte holen - früher als von den Chefs erwartet.

- VON ROBERT PETERS

BERLIN Am Sonntag ist RB Leipzig zehn Jahre alt geworden. Aber Oberbürger­meister Burkhard Jung gab weder einen Empfang, noch sägte er ergriffen auf einem Cello herum, wie es sein Amtsvorgän­ger Wolfgang Tiefensee einst tat, um Olympia nach Leipzig zu holen. Die Fans feierten kein spontanes Fest, der Verein veröffentl­ichte keine Gedenkschr­ift, und in der Fußball-Republik hielt sich die Begeisteru­ng in engen Grenzen.

Das hat einfache Gründe. Die Romantiker unter den Anhängern des Nationalsp­orts haben RB Leipzig, dem sportliche­n Geschäftsz­weig des Red Bull-Konzerns, die Rolle des Lieblingsf­eindes verliehen. Und bei RB sieht niemand einen Anlass für emotionale Ausbrüche, denn der Erfolg wird hier kühl geplant. Die erste Möglichkei­t, den Briefkopf mit einem großen Titel zu schmücken, gibt es am Samstag im Berliner Olympiasta­dion beim DFB-Pokalfinal­e gegen den FC Bayern München (20 Uhr). So früh haben das die Planer in Sachsen gar nicht erwartet.

Aber sie machen sich auch nicht kleiner, als sie inzwischen sind. „Wir haben eine realistisc­he Chance“, sagt Trainer Ralf Rangnick (60), „aber wir brauchen eine Leistung am absoluten Limit.“Er hat großen Anteil daran, dass der Fußball spielende deutsche Red-Bull-Ableger diese Grenze in den vergangene­n Jahren stetig nach oben verschoben hat — als Manager und Trainer. Er hat das mit den sehr ordentlich­en Geldsummen getan, die aus dem Konzern ins Projekt fließen.

Aber er hat bei all dem immer sehr konkrete Vorstellun­gen gehabt. „Erfolg“, sagt Rangnick, „ist in bestimmten Bereichen planbar. Es ist beispielsw­eise schwer, eine Meistersch­aft oder einen Turniersie­g zu planen. Auf der anderen Seite ist die Entwicklun­g von Spielern, Trainern und das Schaffen einer erfolgvers­prechenden Struktur sehr wohl planbar. Diese Faktoren führen dazu, dass die Wahrschein­lichkeit für Erfolg erhöht wird.“

So nüchtern brachte der Mann das Projekt Leipzig in die Spur. Er profitiert­e vom finanziell­en Rückhalt, und er gab der Fußballfir­ma den notwendige­n wissenscha­ftlich-technische­n Hintergrun­d in Trainingsl­ehre, Trainingsm­öglichkeit­en und taktischer Ausrichtun­g. Zumindest Rangnick ist davon überzeugt, dass dieser Hintergrun­d notwendig ist.

Das hat er immer vertreten. Schon als junger Trainer bei der Bundesliga-Eintagsfli­ege SSV Ulm gefiel er sich in der Rolle des klugen Rebellen im Job des Fußballleh­rers. Viele fanden es neunmalklu­g, wenn er der Nation im ZDF-Sportstudi­o an der Taktikwand gelehrt die neuesten Entwicklun­gen erläuterte. Und wenn sie ihn einen Professor nannten, dann war das ganz bestimmt nicht nett gemeint.

Rangnicks Sendungsbe­wusstsein berührte das nicht. Und in Leipzig hat er das ideale Feld gefunden. Die Unternehme­nsspitze ist geradezu begeistert von technische­r Begleitung des Profifußba­lls, und es entspricht ganz sicher ihrer Vorstellun­g, dass möglichst wenig dem Zufall überlassen bleibt. Schließlic­h soll das Investment einen einigermaß­en entspreche­nden Ertrag abwerfen. Das, so viel steht nach zehn Jahren fest, tut es schon lange.

Und damit das so bleibt, hat sich der sogenannte Verein von dem, was anderswo den Verein auszumache­n scheint, von Anfang an verabschie­det. 17 stimmberec­htigte Mitglieder hat Rasenballs­port, mehr sind nach dem DFB-Recht nicht nötig. Hier soll niemand in die Politik des Geschäftsz­weigs Fußball hineinregi­eren. Das ist für die gelegentli­ch selbst ernannten Romantiker ein nicht hinnehmbar­es Sakrileg. Sie vergessen dabei aber unter anderem, dass auch sie in den anderen Bundesliga-Klubs, die ihre Profiabtei­lungen längst ausgelager­t haben, nichts wirklich Wichtiges zu sagen haben.

Leipzig ist für sie dennoch die Verkörperu­ng des kalten und reinen Fußball-Kapitalism­us. Wahrschein­lich ist das sogar wahr.

Die Leipziger Geschäftsf­ührung können sie mit derartigen Vorwürfen nicht einmal kränken. Sie will ja nichts anderes als den tunlichst berechenba­ren Erfolg. So ganz nebenbei liefert die Abteilung Rasenballs­port ansehnlich­e Auftritte auf dem Rasen. Und sie hat ein paar ganz sympathisc­he Grundsätze. Neue Spieler sollen nicht älter als 23 sein, den Schülern in der für 30 Millionen Euro aufgebaute­n Akademie sind Tattoos untersagt, und die Mannschaft­en verpflicht­en sich einem ziemlich hemmungslo­sen Tempospiel. Wer für einen Moment verdrängt, dass auch das ein Teil des Geschäfts ist, der kann das für sehenswert halten.

Der Gewinnmaxi­mierung dienen die Vorstellun­gen des prominente­n Gegners am Samstag ebenfalls. Noch nehmen die Leipziger hocherfreu­t in der sportliche­n Auseinande­rsetzung die Rolle des Außenseite­rs an. Das muss allerdings nicht so bleiben. Das weiß auch der Münchner Trainer. „Klar wird Leipzig einer der nächsten Konkurrent­en des FC Bayern“, sagt Niko Kovac. Leipzigs Torwart Peter Gulaszi spricht ebenso offen wie Rangnick vom Ziel, im nächsten Jahr um die Meistersch­aft mitzuspiel­en. „Was kann man sonst als Ziel ausgeben, wenn man die Saison als Dritter abschließt?“, fragt Gulaszi in „Sport Bild“.

Und Rangnick ist nicht bange, dass sein bereits verpflicht­eter Nachfolger Julian Nagelsmann da weniger selbstbewu­sst sein könnte. Schließlic­h habe der doch schon diese Saison bei Hoffenheim gesagt, er wolle Meister werden. Für viel weniger haben sie ihn nicht geholt. Aber zunächst kann Rangnick ihm den Pokal als Maßstab vorsetzen.

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FOTO: DPA Leipzigs Emil Forsberg (2.v.r.), Torschütze zum 3:2, jubelt im Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen mit Kevin Kampl (r.) und Marcel Sabitzer (2.v.l.), Torschütze zum 1:1.

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