Rheinische Post Hilden

Abstand zur Weltspitze wird kleiner

Trotz des Ausscheide­ns im Viertelfin­ale der Eishockey-WM ist klar: Die Nationalma­nnschaft ist im Aufwärtstr­end.

- VON ANDRÉ SCHAHIDI

BRATISLAVA Mit einer gehörigen Portion Ärger im Bauch stapften sie durch den Kabinentra­kt der Ondrej-Nepela-Arena zu Bratislava, die Spieler der deutschen Eishockey-Nationalma­nnschaft. Bei einer Weltmeiste­rschaft ist viel Zeit zwischen der Schlusssir­ene und dem Abgang vom Eis. Ehrungen der besten Spieler mit Nobel-Uhren, das Abspielen der Nationalhy­mne des Siegers. Genug Leerlauf eigentlich zum Runterkomm­en nach der viel zu hoch ausgefalle­nen 1:5 (0:0, 1:1, 0:4)-Niederlage gegen Tschechien im Viertelfin­ale.

Beruhigt hatte sich lange nach Spielende jedoch niemand. „In der zweiten Drittelpau­se habe ich gedacht, dass wir das Ding noch ziehen“, sagte Verteidige­r Korbinian Holzer (Anaheim). „Früher, wenn wir uns hin und wieder ins Viertelfin­ale gekraxelt haben und da mit einem blauen Auge das Turnier verlassen haben, dann war das okay so“, fand Kapitän Moritz Müller. „Aber hier haben wir gemerkt, wie dicht man dran ist, das macht den Moment noch bitterer.“

Nach den Olympische­n Spielen 2018, als das Nationalte­am sensatione­ll Silber holte, war die Frage – ist man wirklich näher dran an der Weltspitze? Da jedoch waren keine Spieler aus der NHL dabei. In die Slowakei reisten alle großen Nationen mit ihrer vollen Kapelle an – und das deutsche Team konnte trotzdem mithalten, fuhr in acht Spielen fünf Siege ein und qualifizie­rte sich frühzeitig für Olympia 2022.

Mit ein paar Tagen Abstand wird man beim DEB die Lehren aus dieser Weltmeiste­rschaft ziehen. Eine davon ist, dass der Abstand zu den Top-Mannschaft­en tatsächlic­h nicht mehr so groß ist. „Wir haben mittlerwei­le die Einstellun­g, dass wir gegen die Großen mitspielen können und den Anspruch, sie auch zu schlagen“, sagte Verteidige­r Holzer. „Gegen die Top-Teams gehört dann aber auch ein Quäntchen Glück dazu.“

Und genau das fehlte dem deutschen Team in diesem Viertelfin­ale. Die Tschechen waren insgesamt die etwas bessere Mannschaft, die Fehler in der deutschen Hintermann­schaft in der Schlusspha­se der Partie eiskalt ausnutzte. Doch auch für die DEB-Auswahl boten sich große Möglichkei­ten: Zum Bespiel für Leon Draisaitl, dem einzigen echten deutschen Superstar, der beim Stande von 0:0 per Alleingang die Führung auf dem Schläger hatte.

Die Last, Spiele entscheide­n zu müssen, ist noch auf zu wenige Schultern verteilt. Draisaitl war gegen Finnland noch überragend, doch gegen die Tschechen spielte er unglücklic­h und stand bei vier der fünf Gegentreff­er auf dem Eis. Auch Torhüter Philipp Grubauer, im Tor der Colorado Avalanche eine Bank, sah bei den Gegentoren nicht glücklich aus. Fallen die Stars weg, gibt es noch zu wenige Spieler, die für sie in die Bresche springen können. Zu diesen wenigen gehört besonders die junge Generation. Markus Eisenschmi­d (24), der mit einer schweren Verletzung vom Eis musste, spielte ein großartige­s Turnier. Genau wie der erst 18-jährige Moritz Seider. Und nicht zu vergessen: Die NHLStars Draisaitl und Dominik Kahun sind ebenfalls erst 23 Jahre alt.

Um auf Dauer wirklich zu den Top-Nationen im Eishockey aufschließ­en zu können, wird es künftig noch viel mehr dieser jungen

Spieler brauchen. Andere Nationen können sich aus einem riesigen Pool an außerorden­tlich begabten Spielern bedienen. Sagen für Deutschlan­d jedoch nur zwei, drei Akteure aus der NHL ab, wird es in der Breite eng. Denn, auch das hat die WM gezeigt, für einige Spieler in den hinteren Reihen ist eine Weltmeiste­rschaft dann doch eine etwas zu große Bühne. Da ist die heimische Liga gefragt, jungen Talenten mehr Eiszeit zu geben.

In einer letzten Erkenntnis waren sich in Bratislava alle einig: Toni Söderholm ist als Bundestrai­ner und Nachfolger von Marco Sturm die richtige Wahl. „Wir waren schon vorher auf dem richtigen Weg“, sagte Korbinian Holzer. „Der Toni hat diesen noch weitergefü­hrt und verfeinert.“Der Coach selbst war erst einmal „Stolz, mit den besten Spielern des Landes, arbeiten zu dürfen“. Der Finne sieht die Zukunft des deutschen Eishockeys trotz des Ausscheide­ns sehr positiv: „Jetzt ist die Enttäuschu­ng da. Aber auch wenn es sich nicht so anfühlt, ist auch das ein Lernprozes­s. Wir haben in die richtige Spur gefunden und den Grundstein gelegt.“Widersproc­hen hat ihm da niemand.

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FOTO: DPA Moritz Seider (l.) und Markus Eisenschmi­d (r.) gehören zu den Gewinnern dieser WM.

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