Abstand zur Weltspitze wird kleiner
Trotz des Ausscheidens im Viertelfinale der Eishockey-WM ist klar: Die Nationalmannschaft ist im Aufwärtstrend.
BRATISLAVA Mit einer gehörigen Portion Ärger im Bauch stapften sie durch den Kabinentrakt der Ondrej-Nepela-Arena zu Bratislava, die Spieler der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Bei einer Weltmeisterschaft ist viel Zeit zwischen der Schlusssirene und dem Abgang vom Eis. Ehrungen der besten Spieler mit Nobel-Uhren, das Abspielen der Nationalhymne des Siegers. Genug Leerlauf eigentlich zum Runterkommen nach der viel zu hoch ausgefallenen 1:5 (0:0, 1:1, 0:4)-Niederlage gegen Tschechien im Viertelfinale.
Beruhigt hatte sich lange nach Spielende jedoch niemand. „In der zweiten Drittelpause habe ich gedacht, dass wir das Ding noch ziehen“, sagte Verteidiger Korbinian Holzer (Anaheim). „Früher, wenn wir uns hin und wieder ins Viertelfinale gekraxelt haben und da mit einem blauen Auge das Turnier verlassen haben, dann war das okay so“, fand Kapitän Moritz Müller. „Aber hier haben wir gemerkt, wie dicht man dran ist, das macht den Moment noch bitterer.“
Nach den Olympischen Spielen 2018, als das Nationalteam sensationell Silber holte, war die Frage – ist man wirklich näher dran an der Weltspitze? Da jedoch waren keine Spieler aus der NHL dabei. In die Slowakei reisten alle großen Nationen mit ihrer vollen Kapelle an – und das deutsche Team konnte trotzdem mithalten, fuhr in acht Spielen fünf Siege ein und qualifizierte sich frühzeitig für Olympia 2022.
Mit ein paar Tagen Abstand wird man beim DEB die Lehren aus dieser Weltmeisterschaft ziehen. Eine davon ist, dass der Abstand zu den Top-Mannschaften tatsächlich nicht mehr so groß ist. „Wir haben mittlerweile die Einstellung, dass wir gegen die Großen mitspielen können und den Anspruch, sie auch zu schlagen“, sagte Verteidiger Holzer. „Gegen die Top-Teams gehört dann aber auch ein Quäntchen Glück dazu.“
Und genau das fehlte dem deutschen Team in diesem Viertelfinale. Die Tschechen waren insgesamt die etwas bessere Mannschaft, die Fehler in der deutschen Hintermannschaft in der Schlussphase der Partie eiskalt ausnutzte. Doch auch für die DEB-Auswahl boten sich große Möglichkeiten: Zum Bespiel für Leon Draisaitl, dem einzigen echten deutschen Superstar, der beim Stande von 0:0 per Alleingang die Führung auf dem Schläger hatte.
Die Last, Spiele entscheiden zu müssen, ist noch auf zu wenige Schultern verteilt. Draisaitl war gegen Finnland noch überragend, doch gegen die Tschechen spielte er unglücklich und stand bei vier der fünf Gegentreffer auf dem Eis. Auch Torhüter Philipp Grubauer, im Tor der Colorado Avalanche eine Bank, sah bei den Gegentoren nicht glücklich aus. Fallen die Stars weg, gibt es noch zu wenige Spieler, die für sie in die Bresche springen können. Zu diesen wenigen gehört besonders die junge Generation. Markus Eisenschmid (24), der mit einer schweren Verletzung vom Eis musste, spielte ein großartiges Turnier. Genau wie der erst 18-jährige Moritz Seider. Und nicht zu vergessen: Die NHLStars Draisaitl und Dominik Kahun sind ebenfalls erst 23 Jahre alt.
Um auf Dauer wirklich zu den Top-Nationen im Eishockey aufschließen zu können, wird es künftig noch viel mehr dieser jungen
Spieler brauchen. Andere Nationen können sich aus einem riesigen Pool an außerordentlich begabten Spielern bedienen. Sagen für Deutschland jedoch nur zwei, drei Akteure aus der NHL ab, wird es in der Breite eng. Denn, auch das hat die WM gezeigt, für einige Spieler in den hinteren Reihen ist eine Weltmeisterschaft dann doch eine etwas zu große Bühne. Da ist die heimische Liga gefragt, jungen Talenten mehr Eiszeit zu geben.
In einer letzten Erkenntnis waren sich in Bratislava alle einig: Toni Söderholm ist als Bundestrainer und Nachfolger von Marco Sturm die richtige Wahl. „Wir waren schon vorher auf dem richtigen Weg“, sagte Korbinian Holzer. „Der Toni hat diesen noch weitergeführt und verfeinert.“Der Coach selbst war erst einmal „Stolz, mit den besten Spielern des Landes, arbeiten zu dürfen“. Der Finne sieht die Zukunft des deutschen Eishockeys trotz des Ausscheidens sehr positiv: „Jetzt ist die Enttäuschung da. Aber auch wenn es sich nicht so anfühlt, ist auch das ein Lernprozess. Wir haben in die richtige Spur gefunden und den Grundstein gelegt.“Widersprochen hat ihm da niemand.