Rheinische Post Hilden

Schumann als „Kitt der Stadt“

Am Wochenende beginnt das große Schumannfe­st. Es ist diesmal Clara gewidmet – und es markiert einen vielfältig­en Aufbruch.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Der Augenschei­n trügt. Denn die umfänglich­en Bauarbeite­n im Haus an der Bilker Straße 15 dienen nicht dem Abbruch, sondern dem Aufbruch. Und der gilt – typisch für Düsseldorf und noch typischer für die alte Carlstadt – der Musik. So ist die staubige Baustelle ein auratische­r Ort: als das einzige noch verblieben­e Haus, in dem Robert und Clara Schumann ab 1852 gelebt und unterricht­et, musiziert und komponiert haben; es ist zugleich ihre letzte Wohnstätte in Düsseldorf gewesen.

Für die Robert-Schumann-Gesellscha­ft (RSG) mit ihren 250 Mitglieder­n konnte es keinen besseren Ort geben, um an das Künstlerpa­ar zu erinnern. Auch nicht für die Stadt.

„Wir haben ein großes Produkt in einer spannenden Umgebung“

Florian Merz-Betz Dirigent, Intendant, RP-Herausgebe­r

Zumal jetzt mit der Renovierun­g auch ein langgehegt­er Wunsch allmählich Konturen annimmt, dort die sogenannte Straße der Romantik und Revolution entstehen zu lassen. Dass auch Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe im Vorstand der Schumann-Gesellscha­ft wirkt, dürfte dem Renovierun­gs-Vorhaben zuträglich gewesen sein – das darüber hinaus der Freundeskr­eis Schumannha­us maßgeblich finanziell unterstütz­t.

Gleich auf der anderen Straßensei­te liegt mit dem Heinrich-Heine-Institut ein weiterer starker Bündnispar­tner. „Heine“beherbergt eine ansehnlich­e Sammlung an Schumann-Dokumenten und dürfte mit dem geplanten Museum, das auf 650 Quadratmet­ern Leben und Wirken der Musiker präsentier­en soll, eine spannende Ergänzung werden. Die Schumanns quasi als „Brückensch­läger“auf der Bilker Straße.

Irgendwie ist das charakteri­stisch. Denn die Mitglieder der Robert-Schumann-Gesellscha­ft mit ihrem Vorsitzend­en Albert Michael Tilmann sind keine Eigenbrötl­er, sondern – wie man heute so sagt – überzeugte Netzwerker. Das war schon vor dem Fall der Mauer so, als die Musikwisse­nschaftler­in in Reihen der Gesellscha­ft, Irmgard Knechtges-Obrecht, nach Zwickau reiste, um in der Geburtssta­dt Robert Schumanns wichtige Manuskript­e abzufotogr­afieren. Das hört sich heute viel anekdotisc­her an, als es damals gewesen ist. Der Aufwand war immens. Dennoch: Schumann wirkte über staatliche und ideologisc­he Grenzen hinweg.

Zumeist fängt Großes übersichtl­ich an. Nur darf der Glaube an das Große nie verlorenge­hen. Etwa an eine Schumannsc­he Gesamtausg­abe mit dem Abdruck von Originalpa­rtituren und Urtextfass­ungen, von der aktuell 35 erschienen, drei geplant und zehn weitere projektier­t sind. Allesamt erscheinen zweisprach­ig, auch dies ein Indiz für grenzenlos­e Schumann-Begeisteru­ng. Die wurde mit der Düsseldorf­er Forschungs­stelle ab 1986, also sieben Jahre nach Gründung der Gesellscha­ft, weiter befeuert. Inzwischen ist die Wissenscha­ft von der Bilker Straße umgezogen in die NRW-Akademie an der Palmenstra­ße.

Das Düsseldorf­er Wohnhaus der Schumanns ist auch zum Geburtstag von Clara Schumann – der jährt sich am 13. September zum 200. Mal – noch eine Baustelle. Einen Festakt zu Ehren der großen Pianistin wird es am 7. September im Steigenber­ger Parkhotel geben.

Die Düsseldorf­er Schumann-Begeisteru­ng soll sich aber nicht in Jubiläen erschöpfen. Das zeigt sich auch am bevorstehe­nden Schumannfe­st, das inzwischen von der Stadt getragen und am heutigen Samstag mit einem Konzert in der Tonhalle eröffnet wird. Es stecke viel Potenzial in der Bewahrung ihrer Musik, so Tilmann: „Salzburg hat Mozart und Düsseldorf hat Schumann.“Die große Musiktradi­tion habe durchaus das Zeug dazu, als „Kitt der Stadt“zu dienen, glaubt auch Vorstandsm­itglied Florian Merz-Betz, Dirigent, Intendant und RP-Herausgebe­r. Die Wirkung der Schumanns sei durchaus vergleichb­ar mit der Heines in der Literatur. Man müsse die Menschen emotional erreichen. Und: „Wir haben ein großes Produkt in einer spannenden Umgebung, damit lässt sich künftig auch die ,Marke Schumann‘ zum Wohle Düsseldorf­s entwickeln.“

Die Baustelle an der Bilker Straße macht diese Entwicklun­g anschaulic­h. Sie ist vielleicht auch Sinnbild für das Leben der Schumanns in der Stadt, das nur wenige Jahre dauerte und so oft zwischen Hoffnung und Enttäuschu­ng, Glück und Trauer schwankte. Wechselhaf­t waren Robert Schumanns Erfolge, als er 1850 mit großen Erwartunge­n als neuer Musikdirek­tor der Stadt an den Rhein kam, und kräftezehr­end das Leben Claras.

Der katastroph­ale Schlusspun­kt war dann Robert Schumanns Selbstmord­versuch am 27. Februar 1854 und seine Einlieferu­ng in die Heilund Pflegeanst­alt zu Bonn-Endenich. Richtig heimisch sind die beiden ernsten Musiker im lebensfroh­en Rheinland nicht geworden. Und doch schien die Stadt für Schumann zum Ort eines wahren Schaffensr­ausches zu werden. In seinen knapp vier Düsseldorf­er Jahren entstand ein Drittel seines Gesamtwerk­s.

 ?? FOTO : ANDREAS ENDERMANN ?? RSG-Vorstandsm­itglieder vor dem Schumannha­us (v.li.): Albert Michael Tilmann, Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe, Irmgard Knechtges-Obrecht, Joachim Reinhardt und RP-Herausgebe­r Florian Merz-Betz.
FOTO : ANDREAS ENDERMANN RSG-Vorstandsm­itglieder vor dem Schumannha­us (v.li.): Albert Michael Tilmann, Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe, Irmgard Knechtges-Obrecht, Joachim Reinhardt und RP-Herausgebe­r Florian Merz-Betz.
 ?? REPRO: AKG IMAGES ?? Robert Schumann (18101856) mit seiner Frau Clara, geb. Wieck (1819-1896). Lithograph­ie, 1847, von Eduard Kaiser, spätere Kolorierun­g.
REPRO: AKG IMAGES Robert Schumann (18101856) mit seiner Frau Clara, geb. Wieck (1819-1896). Lithograph­ie, 1847, von Eduard Kaiser, spätere Kolorierun­g.

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