Von Düsseldorf zum Mars
Voestalpine stellt komplexe Bauteile in 3-D-Druck her, darunter auch die Schaufel für eine Test-Mission zu unserem Nachbarplaneten.
Aufwendige Werkzeuge, Spezialteile für die Luft- und Raumfahrt oder Komponenten für Rennfahrzeuge – der 3-D-Druck hat vielfältige Anwendungen. Im voestalpine Additive Manufacturing Center in Düsseldorf werden hochpräzise und maßgeschneiderte Einzelstücke und Serienbauteile hergestellt. Einer, der das kann, ist Bastian Schlüter. Der 32-jährige Industriemechaniker hat sich auf den sogenannten 3-D-Metalldruck spezialisiert, wobei man in Fachkreisen lieber von AM, vom Additiven Manufacturing, also der Fertigung von Produkten mit feinstem Metallpulver spricht, das in dünnen Schichten aufgetragen und dann mit einem Laser punktgenau aufgeschmolzen wird. So entsteht Schicht für Schicht über Stunden, manchmal sogar über Tage, das fertige Produkt.
„Als erstes muss man die Stahlplatte, die sogenannte Substratplatte, in die Maschine einsetzen und auf die exakte Höhe fahren“, erklärt Schlüter. Anschließend wird das Innere der Anlage auf 80 bis 200 Grad aufgeheizt, je nach Material und Produkt. „Dann wird die erste Schicht Pulver von mir manuell gesteuert aufgetragen und die Höhe der Platte nachjustiert.“Anschließend flutet er den hermetisch geschlossenen Innenraum mit dem Edelgas Argon, das sehr reaktionsarm ist und als Schutzgas wirkt, und verdrängt damit den Sauerstoff. „Bliebe zu viel Sauerstoff im Inneren, würde das den Schweißprozess erheblich stören“, so Schlüter. Als er die Maschine anfährt, sind nur noch 0,10 Prozent Sauerstoff im Inneren. Das sind nur zwei Hundertstel des Sauerstoffgehalts der normalen Umgebungsluft.
Der Industriemechaniker beobachtet noch durch ein Schutzfenster die Produktion der ersten drei Schichten. „Das mache ich, um zu überprüfen, ob die Druckvorgänge problemfrei laufen und der Zielvorgabe entsprechen.“Laser blitzen wenige Sekunden lang auf und bringen das Pulver bei mehr als 1000 Grad zum Schmelzen. Schlüter ist zufrieden, alles läuft nach Plan. Fast fünf Stunden lang rieselt jetzt mehrmals pro Minute feinstes Metallpulver über einen Spezialarm auf die Fläche – jeweils nur den Bruchteil eines Millimeters hoch. Die Körnchen des Pulvers haben einen Durchmesser von 0,015 bis 0,045 Millimeter. Ein menschliches Haar bringt es immerhin auf 0,06 Millimeter und ist damit doppelt so dick wie ein durchschnittliches Metallkörnchen.
Die additive Fertigung ist so neu jedoch nicht. „Bereits in den 1970er Jahren gab es das beim Kunststoff“, erklärt Eric Klemp, Leiter des Additive Manufacturing Centers bei voestalpine in Düsseldorf. „In den 1990er Jahren kam dann Metall dazu. Aber wirklich relevant wurde diese Technologie erst vor zehn Jahren.“Der technologische Fortschritt erlaubt die Fertigung von sehr spezifisch hergestellten Metallteilen. „Wir orientieren uns bei vielen Produkten an der Natur, etwa bei bionischen Strukturen“, so Klemp weiter. So erreiche man Gewichts- und Materialeinsparungen. Das ist gerade in der Luft- und Raumfahrt wichtig, wo es auf jedes Kilo ankommt. Eine Rakete kann nur ein bestimmtes Gewicht mitnehmen. Wenn sie durch ein entsprechendes Bauteil ein Kilo leichter wird, spart das bis zu 40.000 Euro. „Da wird es kostenmäßig wirklich interessant“, so Klemp.
Für die Massenfertigung eigne sich die Fertigungsweise allerdings nur in ausgewählten Fällen. „Bei hohen Stückzahlen kommen nach wie vor konventionelle Fertigungsverfahren wie Drehen und Fräsen oder Spritzgießen zum Einsatz. Bei uns geht es um hochkomplexe Einzelanfertigungen mit besonderen Eigenschaften, die höchsten Anforderungen genügen müssen“, so Bastian Schlüter weiter. Zu den Bereichen, in denen der Konzern das größte Wachstumspotenzial sieht, gehören die Leichtbauweise und Kühlkanäle im Werkzeugbau. So hat man bei voestalpine in Düsseldorf einen Prototypen eines Motorhaubenscharniers zusammen mit dem Ingenieursdienstleister EDAG entwickelt, das eine Gewichtsersparnis von 50 Prozent gegenüber konventioneller Fertigung ermöglicht. Statt rund 1,5 Kilo, wiegt es nur noch knapp über 700 Gramm, ist in Bezug auf Festigkeit aber identisch mit dem konventionellen Modell. Im Werkzeugbau ist Kühlung wichtig. „Mit dem Schichtbauverfahren können konturnahe Kühlkanäle gefertigt werden, zum Beispiel für Spritzguss-Werkzeuge in der Automobilindustrie. Das ist schon eine große Herausforderung auch für den Maschinenbediener“, so Schlüter weiter. Aber auch die Schaufel für die österreichische Mars-Test-Mission in der omanischen Wüste kam aus dem 3-D-Druck.
Fünf Stunden sind vergangen und mehrere Hundert Schichten Metallpulver sind zu einem soliden Teil geworden: ein Testprodukt, um verschiedene Eigenschaften von Formen und Metallen überprüfen zu können. Jetzt muss Bastian Schlüter nur noch warten, dass sich die Anlage auf unter 70 Grad Celsius abkühlt. „Die Türe ist speziell gesichert. Vorher kann man sie nicht öffnen“, erklärt der Industriemechaniker.
Die additive Fertigung erfordert ein Zusammenspiel von computergestützter Konstruktion, dem sogenannten CAD, und dem Wissen von Industrieingenieuren. voestalpine setzt stark auf AM. Bis Mitte der 2020er Jahre soll der Konzernumsatz mit diesen Produkten bereits am unteren Rand des dreistelligen Millionenbereichs liegen. Deswegen will der Konzern in dem Bereich, der neben der Teileproduktion auch die Herstellung des extrafeinen Metallpulvers als Vormaterial umfasst, weiter investieren.