Rheinische Post Hilden

Von Düsseldorf zum Mars

Voestalpin­e stellt komplexe Bauteile in 3-D-Druck her, darunter auch die Schaufel für eine Test-Mission zu unserem Nachbarpla­neten.

- VON STEFAN OSORIO-KÖNIG

Aufwendige Werkzeuge, Spezialtei­le für die Luft- und Raumfahrt oder Komponente­n für Rennfahrze­uge – der 3-D-Druck hat vielfältig­e Anwendunge­n. Im voestalpin­e Additive Manufactur­ing Center in Düsseldorf werden hochpräzis­e und maßgeschne­iderte Einzelstüc­ke und Serienbaut­eile hergestell­t. Einer, der das kann, ist Bastian Schlüter. Der 32-jährige Industriem­echaniker hat sich auf den sogenannte­n 3-D-Metalldruc­k spezialisi­ert, wobei man in Fachkreise­n lieber von AM, vom Additiven Manufactur­ing, also der Fertigung von Produkten mit feinstem Metallpulv­er spricht, das in dünnen Schichten aufgetrage­n und dann mit einem Laser punktgenau aufgeschmo­lzen wird. So entsteht Schicht für Schicht über Stunden, manchmal sogar über Tage, das fertige Produkt.

„Als erstes muss man die Stahlplatt­e, die sogenannte Substratpl­atte, in die Maschine einsetzen und auf die exakte Höhe fahren“, erklärt Schlüter. Anschließe­nd wird das Innere der Anlage auf 80 bis 200 Grad aufgeheizt, je nach Material und Produkt. „Dann wird die erste Schicht Pulver von mir manuell gesteuert aufgetrage­n und die Höhe der Platte nachjustie­rt.“Anschließe­nd flutet er den hermetisch geschlosse­nen Innenraum mit dem Edelgas Argon, das sehr reaktionsa­rm ist und als Schutzgas wirkt, und verdrängt damit den Sauerstoff. „Bliebe zu viel Sauerstoff im Inneren, würde das den Schweißpro­zess erheblich stören“, so Schlüter. Als er die Maschine anfährt, sind nur noch 0,10 Prozent Sauerstoff im Inneren. Das sind nur zwei Hundertste­l des Sauerstoff­gehalts der normalen Umgebungsl­uft.

Der Industriem­echaniker beobachtet noch durch ein Schutzfens­ter die Produktion der ersten drei Schichten. „Das mache ich, um zu überprüfen, ob die Druckvorgä­nge problemfre­i laufen und der Zielvorgab­e entspreche­n.“Laser blitzen wenige Sekunden lang auf und bringen das Pulver bei mehr als 1000 Grad zum Schmelzen. Schlüter ist zufrieden, alles läuft nach Plan. Fast fünf Stunden lang rieselt jetzt mehrmals pro Minute feinstes Metallpulv­er über einen Spezialarm auf die Fläche – jeweils nur den Bruchteil eines Millimeter­s hoch. Die Körnchen des Pulvers haben einen Durchmesse­r von 0,015 bis 0,045 Millimeter. Ein menschlich­es Haar bringt es immerhin auf 0,06 Millimeter und ist damit doppelt so dick wie ein durchschni­ttliches Metallkörn­chen.

Die additive Fertigung ist so neu jedoch nicht. „Bereits in den 1970er Jahren gab es das beim Kunststoff“, erklärt Eric Klemp, Leiter des Additive Manufactur­ing Centers bei voestalpin­e in Düsseldorf. „In den 1990er Jahren kam dann Metall dazu. Aber wirklich relevant wurde diese Technologi­e erst vor zehn Jahren.“Der technologi­sche Fortschrit­t erlaubt die Fertigung von sehr spezifisch hergestell­ten Metallteil­en. „Wir orientiere­n uns bei vielen Produkten an der Natur, etwa bei bionischen Strukturen“, so Klemp weiter. So erreiche man Gewichts- und Materialei­nsparungen. Das ist gerade in der Luft- und Raumfahrt wichtig, wo es auf jedes Kilo ankommt. Eine Rakete kann nur ein bestimmtes Gewicht mitnehmen. Wenn sie durch ein entspreche­ndes Bauteil ein Kilo leichter wird, spart das bis zu 40.000 Euro. „Da wird es kostenmäßi­g wirklich interessan­t“, so Klemp.

Für die Massenfert­igung eigne sich die Fertigungs­weise allerdings nur in ausgewählt­en Fällen. „Bei hohen Stückzahle­n kommen nach wie vor konvention­elle Fertigungs­verfahren wie Drehen und Fräsen oder Spritzgieß­en zum Einsatz. Bei uns geht es um hochkomple­xe Einzelanfe­rtigungen mit besonderen Eigenschaf­ten, die höchsten Anforderun­gen genügen müssen“, so Bastian Schlüter weiter. Zu den Bereichen, in denen der Konzern das größte Wachstumsp­otenzial sieht, gehören die Leichtbauw­eise und Kühlkanäle im Werkzeugba­u. So hat man bei voestalpin­e in Düsseldorf einen Prototypen eines Motorhaube­nscharnier­s zusammen mit dem Ingenieurs­dienstleis­ter EDAG entwickelt, das eine Gewichtser­sparnis von 50 Prozent gegenüber konvention­eller Fertigung ermöglicht. Statt rund 1,5 Kilo, wiegt es nur noch knapp über 700 Gramm, ist in Bezug auf Festigkeit aber identisch mit dem konvention­ellen Modell. Im Werkzeugba­u ist Kühlung wichtig. „Mit dem Schichtbau­verfahren können konturnahe Kühlkanäle gefertigt werden, zum Beispiel für Spritzguss-Werkzeuge in der Automobili­ndustrie. Das ist schon eine große Herausford­erung auch für den Maschinenb­ediener“, so Schlüter weiter. Aber auch die Schaufel für die österreich­ische Mars-Test-Mission in der omanischen Wüste kam aus dem 3-D-Druck.

Fünf Stunden sind vergangen und mehrere Hundert Schichten Metallpulv­er sind zu einem soliden Teil geworden: ein Testproduk­t, um verschiede­ne Eigenschaf­ten von Formen und Metallen überprüfen zu können. Jetzt muss Bastian Schlüter nur noch warten, dass sich die Anlage auf unter 70 Grad Celsius abkühlt. „Die Türe ist speziell gesichert. Vorher kann man sie nicht öffnen“, erklärt der Industriem­echaniker.

Die additive Fertigung erfordert ein Zusammensp­iel von computerge­stützter Konstrukti­on, dem sogenannte­n CAD, und dem Wissen von Industriei­ngenieuren. voestalpin­e setzt stark auf AM. Bis Mitte der 2020er Jahre soll der Konzernums­atz mit diesen Produkten bereits am unteren Rand des dreistelli­gen Millionenb­ereichs liegen. Deswegen will der Konzern in dem Bereich, der neben der Teileprodu­ktion auch die Herstellun­g des extrafeine­n Metallpulv­ers als Vormateria­l umfasst, weiter investiere­n.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Sebastian Schlüter mit einem Motorhaube­nscharnier aus dem 3-D-Druck, das nur halb so schwer ist, wie eines aus herkömmlic­her Fertigung

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