Rheinische Post Hilden

25. Mai 1974: Zehntausen­d Bürger kämpften für Haan

Seit dem 1. Januar 1975 bilden Haan und Gruiten gemeinsam eine Stadt. Gegen die geplante Einglieder­ung Haans zu Solingen und Gruitens zu Wuppertal gab es vor 45 Jahren eine Großdemons­tration von Haanern und Gruitenern in Düsseldorf.

- VON RALF GERAEDTS

HAAN Mehr Einigkeit hat es bisher in Haan und Gruiten nie gegeben. Vereint kämpften Rat und Verwaltung, Bürger – einzeln und in Gruppen – für ihre Selbststän­digkeit. Am 25.Mai 1974, vor genau 45 Jahren, demonstrie­rten in Düsseldorf rund zehntausen­d Bürger der beiden heutigen Stadtteile gegen die Absicht der Landesregi­erung, im Zuge der Kommunalen Neuglieder­ung Gruiten zu Wuppertal und Haan zu Solingen zu schlagen. Die perfekt vorbereite­te Großdemons­tration hinterließ großen Eindruck und führte letztlich dazu, dass Haan und Gruiten seit 1975 gemeinsam die Stadt Haan bilden.

Die Anfänge der kommunalen Neuglieder­ung in NRW reichten zurück bis in die Mitte der 60er Jahre. Entwicklun­gen im Aachener Raum ließen schon früh den damaligen Haaner Stadtdirek­tor Heinz Goldensted­t ahnen, „dass da was auf uns zu kommt“. Der Gebietsent­wicklungsp­lan 1966 wies Haan als Mittelstad­t am Rand der Ballungszo­ne aus, mit 33 000 Einwohnern. Die Haaner entwickelt­en Schritt für Schritt die Infrastruk­tur: 1966 eröffnete das neue Krankenhau­s, 1967 das Gymnasium.

Im Juni 1970 wurde die Feuerwache an der Nordstraße in Dienst gestellt, der Bauhof an der Überfelder Straße zentralisi­ert. Die Pläne für das Haaner Hallenbad (eröffnet 1974) reiften, Turnhallen entstanden. Die Wohngebiet­e Nachbarsun­d Bollenberg wurden planerisch entwickelt und baulich umgesetzt. Vorausscha­uende Bodenpolit­ik war die Basis für die Entwicklun­g der Gewerbegeb­iete, in denen Arbeitsplä­tze entstanden und aus denen Gewerbeste­uer sprudelte. Der Neue Markt (1967) wurde realisiert, Kaufhaus-Pläne geschmiede­t.

Anfang 1971 gab es ein erstes Gespräch von Heinz Goldensted­t und dem Gruitener Amtsdirekt­or Gustav Kipp über die Landesplän­e: Beide wollten sich nicht damit abfinden, dass ihre Orte bald Anhängsel der Großstädte sein sollten. Einer ministerie­llen Kommission wurde im Herbst bei einer Rundfahrt eindrucksv­oll dargelegt, dass die Stadt Haan auch im Abstand zum Ballungske­rn ihre Aufgaben zur Daseinsvor­sorge bürgernah und optimal erfüllen könne. Dass dabei ein wenig „getrickst“wurde, erzählte Friedhelm Kohl, mehr als 50 Jahre als Ratsherr der FDP: „Wir haben damals bei der Busfahrt Solingen über die Kotzerter Straße und den Eipaß angesteuer­t. Das war für den Fahrer ziemlich mühsam und erweckte den Eindruck, die Verkehrsve­rbindung von Haan in die Klingensta­dt wäre nicht gut und spräche insofern gegen eine Eingemeind­ung nach Solingen.“

Die Haltung des damaligen Innenminis­ters Willy Weyer gab Hoffnung: Der wollte Haan und Gruiten zusammen als selbststän­dige Gemeinde erhalten. Die Zuversicht war mit einem Schlag vorbei. Anfang Mai 1974 verlautete, die Orte sollten Wuppertal bzw. Solingen zugeschlag­en werden. Spontan bildete sich ein Initiativk­reis, der den Kampf um die Eigenständ­igkeit aufnehmen wollte. Eine Unterschri­ften-Sammlung begann, Spruchtafe­ln wurden in der freigeräum­ten Feuerwehr-Halle gepinselt. Mit Flugblätte­rn und per Lautsprech­er-Wagen wurden Bürger aufgerufen, zur Demonstrat­ion zu kommen. Am 25. Mai strömten Tausende zum Neuen Markt, kletterten in Dutzende von Rheinbahnu­nd Reisebusse­n. Vom Vorplatz des Schauspiel­hauses aus zog die Invasion, angeführt von dumpfen Trommelklä­ngen, über die Kö zum Landtag.

Der damalige Haaner Landtagsab­geordnete Klaus-Dieter Völker (CDU) vermittelt­e einen Termin beim Landtagspr­äsidenten, dem 16. 000 Unterschri­ften für die Selbststän­digkeit übergeben wurden.

Die dritte Lesung des Neuglieder­ungsgesetz­es am 10. Juli 1974 verfolgten viele Haaner von der Tribüne im Landtag. Darunter auch Goldensted­t und Bürgermeis­ter Franz Niepel. Als der Punkt Haan aufgerufen wurde, stimmten einige der mit – von Bäckermeis­ter Rainer Schüren – gebackenen Hähnen ausgestatt­eten Parlamenta­rier das Lied „Haan bleibt Haan“an. Die Entscheidu­ng war gefallen und hatte in der Gartenstad­t ein spontanes Freudenfes­t in der Stadtmitte zur Folge.

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FOTOS: STADTARCHI­V HAAN 10.000 Haaner und Gruitener demonstrie­rten am 24. Mai 1974 in Düsseldorf gegen die Pläne der kommunalen Neuordnung; Haan sollte zu Solingen, Gruiten zu Wuppertal.
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Am 25. Mai 1974 demonstrie­rten 10.000 Haaner und Gruitener in Düsseldorf gegen die Pläne der kommunalen Neuordnung; Haan sollte zu Solingen, Gruiten zu Wuppertal.
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„Wir lassen uns nicht fressen!“Die Haaner zeigten klar, was sie von der geplanten Neuglieder­ung hielten.
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Spruchtafe­ln waren in der Feuerwehrh­alle gemalt worden.
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FOTO: STADT HAAN Von 1966 bis 1989 lenkte Heinz Goldensted­t als Stadtdirek­tor die Geschicke Haans. 2017 starb er im Alter von 92 Jahren.

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