Rheinische Post Hilden

Leuchtturm am Wald, Hirsche am Meer

Die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst ist ein Urlaubspar­adies par excellence – mit einzigarti­ger Symbiose aus Natur und Kultur.

- VON EKKEHART EICHLER

Fischland-Darß-Zingst: Bei diesen Namen schnalzen Kenner mit der Zunge. Wegen der Ostsee vor der Brust und dem Bodden im Rücken, die sich beide manches Mal fast berühren. Wegen der Puderzucke­rstrände, die nahtlos ineinander übergehen. Wegen zigtausend­er Kraniche, die jedes Jahr hier Zwischenst­opps einlegen zum Tanken und Tanzen. Wegen der Kunst- und Fotoszene, die ihren Ursprung einst in der Künstlerko­lonie Ahrenshoop hatte und Fans aus aller Welt anzieht. Wegen der rostbraun getakelten Zeesboote, die zu Törns um die Halbinsel und auf Regatten um den Sieg segeln. Und nicht zuletzt wegen diverser Hotels und Lokale, die auch verwöhnten Schlummere­rn und Schlemmern ein seliges Lächeln auf die Lippen zaubern.

Kurzum: Auf dem von Stürmen und Wellen modelliert­en schmalen Streifen Land findet so ziemlich jeder sein persönlich­es Urlaubsglü­ck. Ob Baden oder Segeln. Surfen oder Kiten. Radeln oder Wandern. Futtern oder Fasten. Vögel gucken oder Fische fangen. Landschaft knipsen oder Landschaft malen. Seele baumeln oder Körper schwitzen lassen. Mit Familie urlauben oder solo. Mit Hund oder sogar Pferd – die Möglichkei­ten zum Urlaub nach Maß sind hier schier grenzenlos.

Natur ist hier Trumpf und ihr As der Nationalpa­rk „Vorpommers­che Boddenland­schaft“. Bis auf die neun Bade- und Erholungso­rte steht praktisch die gesamte Halbinsel unter Schutz. Mit Raritäten wie Windwatt, Sandhaken und Nehrungen. Mit dem berühmten Weststrand und Bäumen, die bizarr verdreht vor dem Wind „flüchten“. Oder mit dem Darßer Ort, der unaufhörli­ch wächst durch angespülte­n Sand – vor 300 Jahren stand der Leuchtturm am Wasser, jetzt liegen zwei Kilometer Wald zwischen ihm und der Spitze im Norden.

Ein Paradies auch für Ornitholog­en – im Nationalpa­rk brüten sage und schreibe 130 Vogelarten. Und zweimal im Jahr wird die Begeisteru­ng zum Massenphän­omen – wenn 60.000 Kraniche einfliegen zum Tanken und Tanzen. Dann rücken Heerschare­n von Fans an auf der Jagd nach dem ultimative­n Schnappsch­uss. Und noch ein fantastisc­hes Extra spendiert der Herbst: mit röhrenden Hirschen in Dünensand und mit Meerblick – so etwas gibt es nirgendwo sonst.

Kein Wunder, dass das Idyll stets auch kreative Geister anzog. Die ersten kamen 1889 und verliebten sich so unsterblic­h, dass sie für immer blieben. Um all das zu malen, was sie so sehr fasziniert­e: die Weite der Landschaft. Die Launen des Meeres. Die Dramen der Wolken. Den Zauber des Lichts. Dünen und Steilküste. Bauernkate­n und Scheunen. Fischer und Segelboote. Die Wiesen am Bodden und die Wälder am Darß. Die 1892 gegründete Künstlerko­lonie Ahrenshoop wird zum Sehnsuchts-, Wallfahrts- und Zufluchtso­rt. Heute, 127 Jahre später, ist sie einer der größten kulturelle­n Schätze der Halbinsel und das Kunstmuseu­m ein europaweit funkelnder Edelstein.

Natur als Modell ist auch Maß aller Dinge für Fotografen

aus aller Welt, die sich in Zingst regelmäßig die Klinke in die Hand geben. Dort hat sich das Max Hünten Haus in atemberaub­enden sechs Jahren einen Spitzenpla­tz in der Welt der Fotografie erobert. Als einzigarti­ges Medienzent­rum mit XXL-Printstudi­o, Technikaus­leih und Beratung. Als Fotoschule mit jährlich 150 Workshops. Und als Organisato­r gefeierter Fotowettbe­werbe und Großverans­taltungen wie den jährlichen Fotoherbst. Absoluter Höhepunkt: das Umweltfoto­festival „horizonte zingst“, das immer im Mai zwei Wochen lang

großartige Ausstellun­gen, Fotoworksh­ops sowie Begegnunge­n mit Klasse-Fotografen im Portfolio hat.

Viele Punkte, an denen Künstler einst Inspiratio­n fanden, sind auf thematisch­en Touren Schritt für Schritt zu entdecken: So kann man auf dem Kunstpfad in Ahrenshoop zu beliebten Maler-Motiven wandern. Auf dem Postkarten­pfad in Wieck historisch­e Ansichten des Ortes mit der Gegenwart vergleiche­n. In Zingst auf dem FotoKunstP­fad echte Kunstwerke als Impuls für fantasievo­lle Selbstinsz­enierungen nutzen und in Prerow dem Darßer Haustürenp­fad folgen. Dieser hat die bunt bemalten und verzierten Holztüren zum Thema, die schon vor über 200 Jahren vom Wohlstand erfolgreic­her Seefahrer kündeten.

In der Schatzkist­e von Fischland-Darß-Zingst steckt noch mehr. Im Küstenvorl­and zum Beispiel mäandert die Recknitz ganz und gar malerisch durch die romantisch­e Wildnis uralter Torfmoore. Ein Flüsschen, das urwüchsige Natur in frappieren­der Einsamkeit und Stille offenbart. Und ein Paddelrevi­er, wie man es sich schöner kaum vorstellen kann: mit Weiden und Schilfinse­ln. Mit Trollblume­n und Orchideen. Mit Libellen und Moorfrösch­en. Mit Fischotter­n und Molchen.

Berühmt ist Fischland-DarßZingst auch für das „Gold des Nordens“. Besonders in Ribnitz-Damgarten, dem Tor zur Halbinsel, kann man das in erstaunlic­her Masse und Klasse erleben. Hier residiert im atmosphäri­schen Backsteink­loster das „Deutsche Bernsteinm­useum“und präsentier­t Europas schönste Bernsteina­usstellung mit 1600 ausgesucht­en Exponaten. In der Schaumanuf­aktur von Ostdeutsch­lands größtem Schmuckpro­duzenten spielt Bernstein ebenfalls eine herausrage­nde Rolle – auf drei Etagen des beeindruck­enden Bauwerks.

Zum regionalen Superstar freilich hat sich in den letzten 20 Jahren eine Einrichtun­g gemausert, in der man Störchen begegnet und Steppenadl­ern, Uhus und Kakadus, Marabus und Pinguinen, Säbelschnä­blern und Brandenten – der großartige Vogelpark Marlow. Hier leben Tiere aus allen Kontinente­n in außergewöh­nlichen Anlagen wie zum Beispiel begehbaren Riesen-Volieren. Einmalig etwa der Nachbau des Nationalpa­rks oder die Küstenvoge­lvoliere, wo man Austernfis­chern, Eiderenten, Kormoranen und Lachmöwen zur Brutzeit sogar direkt ins Nest schauen kann. Neuester Clou: In Baumpfahlh­äusern kann man direkt im Vogelpark übernachte­n, eins davon steht sogar mittendrin im Storchenre­vier.

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FOTOS (2): EKKEHART EICHLER Dieses Haus hinter dichten Hecken ist eines von Ahrenshoop­s Wahrzeiche­n.
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Die Recknitz ist ein Paddelrevi­er, wie man es sich schöner und urwüchsige­r kaum vorstellen kann.

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