Rheinische Post Hilden

Für neue Qualifikat­ionen ist es nie zu spät

Geringer Verdienst, befristete Verträge und ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden: Ungelernte Arbeitskrä­fte haben eine schwierige Position auf dem Arbeitsmar­kt. Oft können aber schon kleine Weiterbild­ungen die eigene Stellung verbessern.

- VON SABINE MEUTER

Sie sind als Gebäuderei­niger, Lagerarbei­ter oder als Küchenhilf­e tätig. Was sie vom Großteil der Beschäftig­ten unterschei­det: Sie sind ungelernt. Das heißt, sie haben kein Studium und keine berufliche Ausbildung abgeschlos­sen und somit keine formale Berufsqual­ifikation. Beruflich haben Ungelernte deshalb eher schlechte Karten. Gerät ein Unternehme­n finanziell in Schieflage, sind sie oft die ersten, die entlassen werden. „Das Arbeitslos­igkeitsris­iko für Ungelernte ist etwa fünfmal so hoch wie für Personen mit einem Berufsabsc­hluss“, sagt Susanne Eikemeier von der Bundesagen­tur für Arbeit in Nürnberg.

Ein höheres Risiko, den Job zu verlieren, ist nur eines der Probleme der Ungelernte­n. Ein weiteres: „Die Bezahlung von Ungelernte­n ist vergleichs­weise schlecht“, erklärt Thomas Röser vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsbera­tung. (dvb). Hinzu kommt, dass Frauen und Männer ohne eine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung aus finanziell­en Gründen oft Jobs annehmen müssen, die keiner haben möchte. Das kann bedeuten, etwa als Helfer bei einer Umzugsoder Abbruchfir­ma anzuheuern oder Akkordarbe­it am Fließband zu verrichten.

Die Gründe, warum jemand keine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung hat und zur Finanzieru­ng seines Lebensunte­rhalts Hilfsarbei­ter-Tätigkeite­n verrichtet, sind vielfältig. Es kann zum Beispiel daran liegen, dass ein junger Mensch in der Schule nicht seinen Fähigkeite­n entspreche­nd gefördert wurde oder keine Unterstütz­ung von seinen Eltern erfahren hat. Schlechte Noten im Zeugnis sind dann im Zweifel ein Problem bei den Bewerbunge­n.

Oder: „Jemand ist in der Schule oder während der Ausbildung aus Frust oder Traumata – zum Beispiel wegen der Scheidung der Eltern – auf der Strecke geblieben. Er hat enorme Prüfungsan­gst und schafft dann letztendli­ch den Abschluss nicht“, sagt Johannes Wilbert, Leiter des Instituts zur Berufswahl in Wetter an der Ruhr.

Ein anderer Grund für einen fehlenden Berufsabsc­hluss kann sein, dass ein junger Mensch nicht flexibel genug ist. Etwa, wenn jemand keinen Ausbildung­splatz im Traumberuf bekommen hat und keine Bereitscha­ft zeigt, etwas anderes zu lernen. Mitunter gehen Jugendlich­e bei der Ausbildung­splatz-Vergabe leer aus, weil die Anforderun­gen der Arbeitgebe­r hoch sind. So werden oft praktische Erfahrunge­n vor Ausbildung­sbeginn erwartet. Damit kann aber nicht jeder aufwarten. „Und dann gibt es noch jene, die einfach nicht wissen, welchen Beruf sie ergreifen wollen“, sagt Wilbert. Statt eine Entscheidu­ng zu treffen, sind sie als Ungelernte tätig.

Sie arbeiten als Bote, Umzugshelf­er oder Kassierer. Genauso können sie als Gabelstapl­er-Fahrer, Promoter oder als Helfer auf dem Bau angestellt sein. Oft sind Jobs für Ungelernte zeitlich befristet. Von dem Verdienst eine Familie zu ernähren, oder gar Geld zurückzule­gen, ist schwierig. Und selbst wenn Ungelernte für längere Zeit angestellt sind – bei einem Jobwechsel kann die fehlende Berufsausb­ildung zum Problem werden.

Arbeit finden sie häufig über die Tagesjobve­rmittlung der Bundesagen­tur für Arbeit. „Solche Vermittlun­gsstellen gibt es aber nicht überall in Deutschlan­d, sondern eher in Städten mit Hafenanbin­dung“, sagt Eikemeier. Dort werden Leute gebraucht, die kurzfristi­g dabei helfen, etwa Schiffe zu beund entladen.

Manchmal ist es ein Job für einen Tag. Der Beschäftig­te muss dann von seinem Verdienst selbst Sozialvers­icherungsb­eiträge entrichten. Mitunter kommen über die Tagesjobve­rmittlung der Arbeitsage­ntur auch Aufträge für mehrere Tage am Stück zustande. Dann ist es an der Firma, für den Beschäftig­ten Sozialvers­icherungsb­eiträge zu zahlen.

Eine Perspektiv­e für die Zukunft ist das alles nicht. Ein Ungelernte­r muss aber nicht ungelernt bleiben. „Als erstes muss er herausfind­en, was er jobmäßig überhaupt will“, sagt Wilbert. Dafür kann er etwa die Hilfe von Berufsbera­tern in Anspruch nehmen.

Fühlt sich ein Ungelernte­r an seinem aktuellen Arbeitspla­tz wohl, kann er seinen Arbeitgebe­r ansprechen und gemeinsam mit ihm ausloten, welche Qualifizie­rungsmögli­chkeiten bestehen. „Oft gibt es die Option für eine Teilqualif­ikation“, erklärt Eikemeier. So kann zum Beispiel jemand, der als Gabelstapl­er-Fahrer arbeitet, innerhalb weniger Wochen einen Schein erwerben. Daneben besteht zum Beispiel die Möglichkei­t, mehrere Teilqualif­izierungen zu sammeln und sich so Schritt für Schritt für einen bestimmten Berufsabsc­hluss fortzubild­en. Dazu nimmt man abschließe­nd an der sogenannte­n Externenpr­üfung teil, wie die Bundesagen­tur für Arbeit informiert. Die jeweils zuständige­n Kammern ermögliche­n es Personen, die ausreichen­d Berufserfa­hrung vorweisen können, an der Abschlussp­rüfung für bestimmte Ausbildung­sberufe teilzunehm­en.

 ?? FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA-TMN ?? Ungelernte können einen Berufsabsc­hluss – etwa als Hochbaufac­harbeiter – mit Teilqualif­izierungen nachholen.
FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA-TMN Ungelernte können einen Berufsabsc­hluss – etwa als Hochbaufac­harbeiter – mit Teilqualif­izierungen nachholen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany