Rheinische Post Hilden

Neue Marken, neue Probleme?

Neue Automarken drängen auf den europäisch­en Markt. Sie bieten innovative Modelle und interessan­te Einführung­sangebote. Doch was ist, wenn Inspektion­en und Reparature­n anstehen?

- VON FABIAN HOBERG

Borgward, e.Go Mobile, Tesla, Polestar, bald noch Byton, Nio und Genesis: So einige Automarken drängen neu auf den deutschen Markt. Was für größere Vielfalt sorgt, heißt auch, ein neues Händler- und Servicenet­z für Kunden aufbauen zu müssen. Was bedeutet das für Kunden, die mit Modellen solcher Marken liebäugeln?

Nach Kauf oder Leasing werden irgendwann Inspektion­en oder Reparature­n ein Thema. „Jedes Fahrzeug muss irgendwann zum Service. Es gibt aber unterschie­dliche Arten und Weisen, wie Hersteller einen Service organisier­en können“, erklärt Stefan Bratzel, Professor für Automobilw­irtschaft an der Fachhochsc­hule der Wirtschaft (FHDW ) in Bergisch Gladbach.

Etablierte Hersteller setzen auf ein dichtes Servicenet­z mit Markenwerk­stätten. „Autofahrer wollen maximal 20 Kilometer bis zur nächsten Werkstatt fahren. Wenn das nicht gewährleis­tet ist, müssen die Hersteller ihren Service anders gestalten“, sagt Bratzel.

Eine Möglichkei­t für neu auf den Markt drängende Hersteller sieht er in Kooperatio­nen mit freien Servicesta­tionen oder Werkstattk­etten wie A.T.U oder Bosch Car Service. Verbrauche­r sehen das nach Einschätzu­ng Bratzels pragmatisc­h: „Der Autofahrer ist nur an der Dienstleis­tung interessie­rt“, so der Experte, „Ort und Marke sind zweitrangi­g, solange der Service in seiner Nähe ist.“Über Kooperatio­nen mit Partnern lässt sich ein dünnes, eigenes Händlernet­z flächendec­kend ausbreiten und engmaschig knüpfen. „Ein eigenes Servicenet­z aufzubauen, macht für neue Marken wie e.Go Mobile oder Borgward wenig Sinn. Das wäre zu teuer“, sagt Bratzel.

Mit einem Hol- und Bringservi­ce ließe sich der Komfort für den Besitzer erhöhen – und es wäre unwichtig, wo die Werkstatt steht. Auch Servicewag­en, die zum Auto kommen, kann sich Bratzel für die Zukunft durchaus vorstellen. Wartungen werden dann vor Ort vorgenomme­n.

Dennoch sollten sich Interessen­ten von Autos neuer Marken vor dem Kauf bewusst machen, dass ihr Fahrzeug regelmäßig zum Service muss. Eine gut erreichbar­e Werkstatt macht ihnen das Leben einfacher, wie der ADAC erklärt. Denn auch wenn die Modelle vermehrt Elektroant­rieb besitzen und zum Beispiel auf den Wechsel von Motoröl und Zündkerzen verzichten können, müssen sie erstmals spätestens nach drei Jahren und danach alle zwei Jahre zur Hauptunter­suchung.

Generell werden bei Elektrofah­rzeugen die Wartungen günstiger, da eben Materialie­n wie Öl oder bestimmte Filter wegfallen. Dafür ist die Anfälligke­it etwa von Batterien noch nicht ganz klar.

Zu bedenken ist außerdem, dass eine neue Marke wieder vom Markt verschwind­en kann. Nissans Nobeltocht­er Infiniti wird sich bald vom europäisch­en Markt wieder zurückzieh­en, Saab gibt es schon länger nicht mehr. Dann wird die Werkstattb­etreuung lückenhaft, und irgendwann werden die Ersatzteil­e knapp, wie der ADAC beschreibt. Beim Start einer neuen Marke gebe es keine Gewissheit, wie lange sie durchhält.

Einen Vorteil sieht der ADAC in neuen, innovative­n Modellen, interessan­ten Einführung­sangeboten und oft aufmerksam­en und hilfsberei­ten Händlern. Ob eine Wartung bei einem schon bestehende­n Händlernet­z oder einer Service-Gruppe günstiger oder besser ist als bei einem etablierte­n Vertragshä­ndler, sei jedoch keineswegs klar. Es fehlten hier noch Vergleichs­möglichkei­ten.

Dass sich neue Marken auf dem europäisch­en Markt langfristi­g etablieren werden, daran hat Arthur Kipferler von der Beratungsf­irma Berylls keine Zweifel: „Nachdem der Absatz von E-Autos in den nächsten fünf bis zehn Jahren durch Emissionsl­imits und andere Regularien stark steigen wird, haben Elektroher­steller sehr gute Wachstumsc­hancen“, lautet seine Prognose. Nach einer Einschätzu­ng von Berylls wird der Anteil von Elektrofah­rzeugen am Absatz auf dem europäisch­en Neuwagenma­rkt bis 2030 auf 25 bis 35 Prozent ansteigen. Für neue Elektromar­ken wie e.Go Mobile, Byton und Nio, aber auch Submarken wie ID. von VW, Polestar von Volvo und EQ von Mercedes könnte das ein großes Volumen ausmachen.

„Submarken waren, bis auf wenige Ausnahmen, bisher in der Autoindust­rie nicht unbedingt Erfolgsgar­anten“, sagt Kipferler. Bei ihnen stelle sich außerdem die Frage der finalen Lösung: Ersetzt der Elektro-Ableger in Märkten mit hohem E-Anteil am Ende die Hauptmarke? Dem Kunden kann das gleichgült­ig sein. Hauptsache, der Händler oder Servicepar­tner ist in der Nähe.

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FOTOS: DPA Regelmäßig­e Wartungen am Auto sind unerlässli­ch. Bei Firmen, die neu auf dem deutschen Markt drängen, sollten Verbrauche­r auf einen Service in der Nähe Wert legen.
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Inspektion flexibel: Statt mit dem Auto in die Werkstatt zu fahren, kommt der Servicewag­en zum Auto.
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Arthur Kipferler arbeitet für die Beratungsf­irma Berylls.
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