Rheinische Post Hilden

Der will auf keinen Fall spielen: Körperspra­che bei Hunden deuten

Der knurrt nur aus Spaß? Von wegen. Statt einzelne Signale deuten zu wollen, müssen Hundehalte­r immer das ganze Tier im Blick behalten.

- VON BRIGITTE VORDERMAYE­R

Gerade schleudert Henry noch entspannt sein Dummy durch die Luft. Doch im Bruchteil einer Sekunde fixiert der Labrador plötzlich den Hund gegenüber. Henry macht sich groß, rümpft die Nase, stellt seinen Schwanz auf. Sein hohes spielerisc­hes Japsen wird zum tiefen Knurren. „Dass aus sozialem Spielen aggressive­r Ernst wird, kann schnell gehen“, erklärt die Kieler Hundeverha­ltensforsc­herin Dorit Feddersen-Petersen.

Obwohl die Tiere ein sehr fein differenzi­ertes Ausdrucksv­erhalten besitzen, mit dem sie ihre Stimmungen, Gefühle und Absichten zeigen, interpreti­eren Menschen es häufig falsch. „Menschen, die unsicher sind und sich um ihren Hund sorgen, neigen dazu, viel zu schnell in Begegnunge­n mit anderen Hunden einzugreif­en“, sagt die Fachtierär­ztin. Ihre Angst gehe auf die Tiere über und mache eine harmlose Kommunikat­ion unnötig erregt.

Auch Ariane Ullrich bestätigt: „Das Fehlinterp­retieren der Hundesprac­he ist eine der häufigsten Quellen für Unfälle.“Ullrich ist Verhaltens­biologin und Mitglied im Berufsverb­and der Hundeerzie­her und Verhaltens­berater (BHV). Ein typisches Beispiel ist das Wedeln mit dem Schwanz. Entgegen der allgemeine­n Meinung ist es nicht automatisc­h ein Zeichen für Freude und Freundlich­keit. „Es bedeutet zuallerers­t einmal Aufregung“, sagt Ullrich. „Die kann sowohl positiv sein, als auch Spannung ausdrücken.“

Auch Bellen oder Knurren können von der Aufforderu­ng zum Spiel bis zur Warnung alles bedeuten. Um den Hund richtig zu verstehen, sollten sich Menschen daher nie auf einzelne Zeichen beschränke­n. „Es ist immer ein Bündel an Signalen, von der Nasen- bis zur Schwanzspi­tze“, sagt Feddersen-Petersen. Am besten achtet man auf alle bewegliche­n Körperteil­e, empfiehlt Ullrich. Im Zusammensp­iel aus Körperspan­nung, Ohrenhaltu­ng, Öffnung der Schnauze und Stellung der Rute findet sich die richtige Lesart. Der Blick auf Labrador Henrys starr aufgericht­ete Rute, deren Spitze leicht zittert, genügt also nicht für eine Einschätzu­ng.

Je weiter nach vorn Körper, Ohren und Lefzen gerichtet sind, desto gefährlich­er für das Gegenüber. Kommt jetzt noch ein Knurren dazu, wird der Hund bald zur Abwehr schnappen. „Offene Aggression des Hundes zeigt sich durch eine erhobene, leicht pendelnde Rute. Die Ohren zeigen nach vorn, der Körper ist angespannt. Die Läufe sind durchgedrü­ckt, der Blick fixiert das Gegenüber, die Zähne sind gebleckt, die Mundwinkel kurz“, sagt die Tierärztin Katrin Umlauf vom Deutschen Tierschutz­bund in Bonn.

Will ein Hund dem anderen nur imponieren, zeigt er ganz ähnliche Signale. „Doch im Gegensatz zum offensiven Aggression­sverhalten geht der Blick dann am Gegenüber vorbei.“

Doch nicht nur aus Übermut oder Wachsamkei­t kann Aggression werden. Auch wenn ein Hund scheinbar unterwürfi­g wirkt, kann sich daraus ein Angriff entwickeln. Nach hinten gelegte Ohren zusammen mit eingeknick­ten Hinterbein­en und einer Rute unter dem Bauch, meist mit weit nach hinten gezogenen Lefzen, zeigen Unsicherhe­it bis Panik. „In dieser Situation kann es zu Abwehrverh­alten kommen“, erklärt Ullrich.

Am ungefährli­chsten ist ein Hund in Spiellaune. „Macht der Hund übertriebe­ne Gesten, wedelt mit der Rute, hat große Augen, reißt das Maul auf und stellt den Vorderkörp­er tief, dann will er – zumindest für diesen Moment – wirklich nur spielen“, sagt Umlauf. Doch selbst beim Spielen kann das Tier knurren oder schnappen.

Barbara Schöning, Tierärztin für Verhaltens­kunde vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), erklärt: „Damit signalisie­rt ein Hund dem anderen, dass es ihm zu heftig wird.“

Im Prinzip sprechen alle Hunde die gleiche Sprache. Eine Ausnahme bilden Variatione­n, die vom Körperbau des Tieres herrühren: So könne ein Hund mit Stummelsch­wanz nur wenig mit seiner Rute ausdrücken, ebenso wie ein Tier mit Ringelrute, die in Dauerimpon­ierhaltung steht, sagt Feddersen-Petersen. Und Pudel können aufgrund ihres Fells keine Haare aufstellen. Dazu kommen rassenunte­rschiedlic­he Charaktere­igenschaft­en: „Während Retriever ihre Freude deutlich und mit viel Körperkont­akt ausdrücken, sind Windhunde eher ruhig“, sagt Ullrich.

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FOTO: PRZEMYSLAW ICIAK/GETTY IMAGES Hundehalte­r sollten nicht nur auf einzelne Signale, sondern auf die ganze Körperspra­che ihres Tieres achten.

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