Rheinische Post Hilden

Ein Hinterhof blüht auf

Im Zooviertel verwandelt­en Jeannie und Michael Ringel einen tristen Ort in eine Oase.

- VON UTE RASCH

Sie hatten die Suche schon fast aufgegeben. Hatten eingesehen, dass ihr Wunsch, Arbeiten und Wohnen an einem Ort zu vereinen – und das möglichst innenstadt­nah – wohl nicht zu erfüllen war. „Nie passte es“, erinnern sich Jeannie und Michael Ringel, „die angebotene­n Häuser waren zu groß, zu klein, zu teuer.“Noch ein letztes Mal wollten sie im November 2003 die Annoncen durchsuche­n. Und dann das: Ein Hinterhof im Zooviertel. Runtergeko­mmen. Das Gebäude schwer einzuschät­zen, möglicherw­eise abrissreif. Die meisten hätten sich kopfschütt­elnd von diesem öden Ort abgewandt. Das Paar entschied sich nach nur zwei Stunden – und unterschri­eb den Kaufvertra­g.

Besucher verblüffen sie gern mit Vorher-Nachher-Fotos: Darauf ist der Hinterhof in seiner früheren Tristesse zu sehen: rissiger Asphalt, ein schmutzig-weißer Bau mit Metalltür und vergittert­en Fenstern. Als die Vorderhäus­er im Viertel um 1880 im Stil der Gründerzei­t gebaut wurden, waren in diesem Hof möglicherw­eise noch Remisen für die Kutschen. Später dann hatte der Ort in der Nähe des Schillerpl­atzes einen stetigen Wechsel erlebt, mal war dort eine Senffabrik aktiv, später eine Wäscherei und ein Spirituose­nhandel.

Jeannie und Michael Ringel rekultivie­rten die Fläche und verwandelt­en den Hof in eine Oase mit Kopfsteinp­flaster, Holzbank, alten Ziegelwänd­en (die Steine wurden vom Abbruch des ehemaligen Gebäudes verwendet) – und viel Grün: üppige Kletterros­en, Rosmarinbü­sche, ein Ahornbaum und eine Magnolie teilen sich den Platz und gedeihen in über 70 Töpfen und Kübeln. Jeannie Ringel liebt alles, was duftet, diese Vorliebe prägt ihr vorrangige­s Pflanzprin­zip, „außerdem kommt es auf die richtige Mischung an.“

Tatsächlic­h musste das ehemalige Gebäude aus statischen Gründen abgerissen werden. Das Paar entschied sich zu einem zweigescho­ssigen Neubau mit Ziegelfass­ade. Im Erdgeschos­s richteten sie die gemeinsame Rahmenhand­lung mit Werkstatt ein, darüber im ersten Stock wohnen sie mit ihren Kindern. Der Grundriss ist ungewöhnli­ch, denn die Wohnung ist nur fünf Meter breit und 30 Meter lang, heißt: Alle Räume liegen hintereina­nder, erst das Wohnzimmer mit offener Küche, dann Schlafräum­e und schließlic­h ein Arbeitszim­mer, das teils offen über der Werkstatt schwebt – und durch eine eigene Treppe eine Verbindung schafft zwischen Arbeit und Privatlebe­n. Ein schmaler, zwölf Meter langer Gang voller Kunst bildet das Rückgrat dieses Trakts und verbindet alle Räume. „Wie ein D-Zug mit Abteilen“, meint Michael Ringel.

Das Wohnzimmer mit fast sechs Meter hohem Spitzdach und weiß gekälktem Gebälk ist das behagliche Zentrum fürs Familienle­ben. Auf dem langen Esstisch aus altem Holz stapeln sich Bücher, die gerade wichtig sind: „300 Fragen zu Rosen“gleich neben „Brennpunkt Informell“– so verknüpfen sich die unterschie­dlichen Leidenscha­ften des Paares. Von der Decke hängen lange, weiße Schnüre: Kunst? Nein, das kann weg. „Früher hatten wir Weihnachte­n immer einen deckenhohe­n Tannenbaum, der musste gesichert werden“, meint Michael Ringel. Den Baum gibt‘s längst nicht mehr, die Schnüre blieben.

Außerdem kommt jetzt erstmal der Sommer – und dafür gibt es in diesem Hinterhof noch ein ganz besonderes Plätzchen: eine etwa hundert Quadratmet­er große Dachterras­se vor der Wohnung fürs doppelte Glück im Grünen. Wie man auf einer so relativ großen Outdoor-Fläche intime Ecken schaffen kann mit verschiede­nen Sitzgruppe­n, einem alten Deckchair und Pflanzen in Trögen und Töpfen, das wollen Jeannie und Michael Ringel Besuchern beim „Tag der offenen Gartenpfor­te“zeigen. Jede Menge Pflanztipp­s gibt‘s obendrein. Denn viele ihrer üppigen Gewächse haben mal klein angefangen. Man glaubt es kaum, wenn man die rankende Rosenprach­t sieht, aber einige hat Jeannie Ringel aus einem Ableger selbst gezogen. Jetzt blühen sie in der Nachbarsch­aft von Himbeeren, Jasmin und Lavendel. Der Sommer wird ein Fest.

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RP-FOTO:. ANDREAS BRETZ Wohnzimmer mit viel Luft nach oben. Jeannie und Michael Ringel schätzen diesen hohen Raum fürs Alltagsleb­en.
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RP-FOTO: A. BRETZ Terrasseng­lück: Auf hundert Quadratmet­ern blüht der Sommer, aber es gibt auch intime Schattenpl­ätze.
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Der Hof war ein öder Ort – bevor er neu bebaut und bepflanzt wurde.
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FOTOS (2): RINGEL Nachher ist der Hof eine blühende Oase – auf zwei Ebenen.

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