Rheinische Post Hilden

„Als Tuner stehe ich unter Generalver­dacht“

Viele Auto-Schrauber fühlen sich von der Polizei kriminalis­iert. Sie beklagen, mit Rasern in einen Topf geworfen zu werden. Die Polizei hält dagegen: Man ziehe nur Autos aus dem Verkehr, die nicht verkehrsta­uglich seien.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Sobald David R. in sein Lieblingsa­uto steigt, fühlt er sich verfolgt. Der 27-Jährige fährt einen Toyota Trueno AE111 BZ-R, den wohl einzigen in Deutschlan­d, und er hat viel Zeit investiert, damit der Wagen so aussieht, wie er es sich vorstellt. Sportlich, tiefergele­gt, mit einem riesigen Spoiler am Heck. Er liebt sein Auto, für ihn ist es weit mehr als ein Gebrauchsg­egenstand. „Es ist eine Leidenscha­ft, die über das normale Maß hinausgeht“, sagt er selbst. Andere zeigen dafür weniger Verständni­s. Wenn R. seinen Trueno bewegt, wird er fast immer von der Polizei angehalten, sagt er, teilweise zweimal am Tag. „Man steht unter Generalver­dacht, zu rasen oder seinen Wagen unerlaubt umgebaut zu haben“, klagt er. „Dabei drängt es mich überhaupt nicht, in der Stadt Gas zu geben.“

Ludger Walther ist in der Tunerszene gefürchtet wie kaum ein anderer. Der Polizeikom­missar leitet die „AG Tuning“im Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium, fährt privat selbst einen Porsche 911 Carrera. „Ich bin also alles andere als ein Autohasser“, sagt er. Nicht gut zu sprechen ist Walther jedoch auf diejenigen, die ihre Fahrzeuge so modifizier­en, dass sie nicht mehr verkehrssi­cher sind. Und auf die, die an den Ampeln die Auspuffkla­ppen hochstelle­n und dann voll in den Drehzahlbe­grenzer treten. „Lärm macht krank“, sagt er.

Walthers Abteilung ist erst vor zwei Jahren ins Leben gerufen worden, weil die Landeshaup­tstadt als inoffiziel­le Hauptstadt der Tunerund Poserszene gilt. „Die Kö zieht diese Klientel magisch an“, sagt er. Der Kommissar unterschei­det zwischen Tunern („Die motzen ihre Autos auf“), Posern („Die zeigen ihre schönen Autos auf dem Laufsteg der Eitelkeite­n wie der Düsseldorf­er Kö“) und Rasern („Eine Raserszene wie in Köln gibt es in Düsseldorf aber nicht“). Und dann gibt es noch die Groupies der Szene, die sogenannte­n Carspotter, die extra nach Düsseldorf kommen, um die aufgemotzt­en Autos zu fotografie­ren.

David R. ist Tuner, grenzt sich von Posern und Rasern ab. Beim Tuning gehe es darum, sagt er, Autos mit viel Geld und schweißtre­ibender Bastelarbe­it in Unikate zu verwandeln. Oft werden diese Liebhabers­tücke auf Shows ausgestell­t. Bei Rasern dagegen spiele das Auto keine Rolle, das könne auch ein kleiner Fiesta sein. „Das ist eine Frage der Persönlich­keit, nicht des Fahrzeugs“, sagt R. Diese Menschen seien rücksichts­los und hätten dazu noch häufig ihre Wagen nicht im Griff. Mit den Tunern würden aber die Falschen bezichtigt. „Natürlich gibt es auch bei uns schwarze Schafe“, sagt David R., „aber die meisten in der Szene haben mit Rasen oder illegalen Rennen nichts zu tun.“

Die „AG Tuning“hat ein Lagebild über die Szene erstellt, damit die Polizisten wissen, wo man sie antrifft, wer dazu gehört und worauf bei den Kontrollen zu achten ist. Zu den Hotspots, also den Treffpunkt­en der Tuner, in Düsseldorf gehören demnach neben der Kö auch das Mannesmann­ufer und die Heinrich-Heine-Allee. Um noch genauer gegen die Tuner vorgehen zu können, hat die Polizei Düsseldorf als erste Polizeibeh­örde im April die Datei „Auffällige Kraftfahrz­eugführer in Düsseldorf“gegründet. Darin werden alle Tuner geführt, die mit tuningspez­ifischen Verhalten gegen die Straßenver­kehrsordnu­ng verstoßen haben. Dazu zählen unter anderem das Reifendurc­hdrehen (der sogenannte Donut), röhrende Auspuffanl­agen und zu tief gelegte Fahrwerke. „Das sind alles Verstöße, für die man keinen Punkt in der Verkehrssü­nderdatei bekommt“, erklärt Walther. „In unserer Datei werden diese Verstöße nun gesammelt. Bei Mehrfachtä­tern übermittel­n wir sie dann an die Führersche­instelle. Und die kann dann über die charakterl­iche Tauglichke­it des Betroffene­n entscheide­n und eine MPU anordnen“, erklärt Walther.

Schon seit langem geht die Polizei auch massiv gegen Raser vor. Auch, weil bei illegalen Autorennen immer wieder Unbeteilig­te sterben, zuletzt am Ostermonta­g eine 43-jährige Frau in Moers.

In der Szene der Auto-Enthusiast­en fühlen sich aber viele ungerecht behandelt, weil ihrer Meinung nach nicht differenzi­ert wird zwischen denen, die an Fahrzeugen begeistert herumschra­uben, und denjenigen, die unverantwo­rtlich rasen. „Für einen kurzen Moment das eigene Leben und das anderer aufs Spiel zu setzen, ist doch selten dämlich“, sagt auch David R. Wenn er schnell fahren wolle, besuche er die Rennstreck­e. In der Stadt sei er eher mit 30 als mit 50 unterwegs, aus Sorge, sein Trueno könne in einem Schlagloch beschädigt werden.

Tunen ist bis auf wenige Ausnahmen eine Männerdomä­ne. Und dabei unterschei­det die Polizei in Low-Budget-Tuner, die also nicht so viel Geld zur Verfügung haben (meist jüngere Männer), und reiche Tuner, deren Grenze aber zu Posern fließend verläuft. „An einem Porsche Carrera Turbo oder an einem Audi RS 8 muss man nichts mehr machen. Die sind schon so hochgezüch­tet und getunt“, erklärt Walther. Tuner würden sich von der Masse abheben wollen. „Indem sie ihr Auto verändern, machen sie es zu etwas Besonderem, das kein anderer hat. Man definiert sich als Persönlich­keit über das Auto“, sagt der Leiter der „AG Tuning“.

Es sei nun mal so, dass der Polizei regelmäßig Verstöße gegen die Straßenver­kehrsordnu­ng an getunten Autos auffallen. Und dagegen gehe man vor. Meistens seien es zu breite Reifen, veränderte Fahrwerke und tiefergele­gte Fahrzeuge, die weniger als fünf Zentimeter Abstand zum Boden haben (acht sind vorgeschri­eben, sieben lässt die „AG Tuning“noch so gerade durchgehen). „Das ist für die wie ein Wettbewerb: tiefer und breiter – und am besten gar nicht mehr lenkfähig“, sagt Walther. Häufig ist es aber erst die Kombinatio­n verschiede­ner Veränderun­gen am Fahrzeug, die zu den Beanstandu­ngen führt. „Die meisten lassen sich die Veränderun­gen ganz regelkonfo­rm beim Tüv oder der Dekra in ihren Fahrzeugsc­hein eintragen. Dann aber legen sie wieder selbst Hand an und verändern wieder was. Und das ist das Problem“, sagt Walther.

Weil David R. schon weiß, dass die Polizei seine Umbauten gerne kontrollie­rt, hat der 27-Jährige immer einen Ordner mit allen Tüv-Abnahmen dabei, erzählt er. Er wisse, dass er nichts zu befürchten habe. Doch selbst das nutze meist nichts. „Die Beamten vermuten oft, dass etwas anderes verbaut ist als eingetrage­n, und schleppen das Fahrzeug ab“, sagt er. Dabei legt er nach eigenen Angaben Wert darauf, nur qualitativ hochwertig­e Teile zu benutzen, auch wenn diese teurer sind. „Das mache ich gerne für die Sicherheit.“Er wünscht sich daher einen intensiver­en Austausch zwischen der Tuner-Szene und der Polizei, um Vorurteile abzubauen. Es sei auch für die Beamten wichtig, die Menschen hinter ihren „aufgemotzt­en“Autos kennenzule­rnen. „Dann wird man feststelle­n, dass die meisten einfach Auto-verrückt sind“, sagt R. „Denn wer steckt schon freiwillig Tausende Euro in ein Fahrzeug, wenn es nicht kaputt ist?“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN David R. ist ein Auto-Tuner und hat in seinen Toyota Tausende Euro gesteckt. Er will nicht mit Rasern in einen Topf geworfen werden.

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