„Als Tuner stehe ich unter Generalverdacht“
Viele Auto-Schrauber fühlen sich von der Polizei kriminalisiert. Sie beklagen, mit Rasern in einen Topf geworfen zu werden. Die Polizei hält dagegen: Man ziehe nur Autos aus dem Verkehr, die nicht verkehrstauglich seien.
DÜSSELDORF Sobald David R. in sein Lieblingsauto steigt, fühlt er sich verfolgt. Der 27-Jährige fährt einen Toyota Trueno AE111 BZ-R, den wohl einzigen in Deutschland, und er hat viel Zeit investiert, damit der Wagen so aussieht, wie er es sich vorstellt. Sportlich, tiefergelegt, mit einem riesigen Spoiler am Heck. Er liebt sein Auto, für ihn ist es weit mehr als ein Gebrauchsgegenstand. „Es ist eine Leidenschaft, die über das normale Maß hinausgeht“, sagt er selbst. Andere zeigen dafür weniger Verständnis. Wenn R. seinen Trueno bewegt, wird er fast immer von der Polizei angehalten, sagt er, teilweise zweimal am Tag. „Man steht unter Generalverdacht, zu rasen oder seinen Wagen unerlaubt umgebaut zu haben“, klagt er. „Dabei drängt es mich überhaupt nicht, in der Stadt Gas zu geben.“
Ludger Walther ist in der Tunerszene gefürchtet wie kaum ein anderer. Der Polizeikommissar leitet die „AG Tuning“im Düsseldorfer Polizeipräsidium, fährt privat selbst einen Porsche 911 Carrera. „Ich bin also alles andere als ein Autohasser“, sagt er. Nicht gut zu sprechen ist Walther jedoch auf diejenigen, die ihre Fahrzeuge so modifizieren, dass sie nicht mehr verkehrssicher sind. Und auf die, die an den Ampeln die Auspuffklappen hochstellen und dann voll in den Drehzahlbegrenzer treten. „Lärm macht krank“, sagt er.
Walthers Abteilung ist erst vor zwei Jahren ins Leben gerufen worden, weil die Landeshauptstadt als inoffizielle Hauptstadt der Tunerund Poserszene gilt. „Die Kö zieht diese Klientel magisch an“, sagt er. Der Kommissar unterscheidet zwischen Tunern („Die motzen ihre Autos auf“), Posern („Die zeigen ihre schönen Autos auf dem Laufsteg der Eitelkeiten wie der Düsseldorfer Kö“) und Rasern („Eine Raserszene wie in Köln gibt es in Düsseldorf aber nicht“). Und dann gibt es noch die Groupies der Szene, die sogenannten Carspotter, die extra nach Düsseldorf kommen, um die aufgemotzten Autos zu fotografieren.
David R. ist Tuner, grenzt sich von Posern und Rasern ab. Beim Tuning gehe es darum, sagt er, Autos mit viel Geld und schweißtreibender Bastelarbeit in Unikate zu verwandeln. Oft werden diese Liebhaberstücke auf Shows ausgestellt. Bei Rasern dagegen spiele das Auto keine Rolle, das könne auch ein kleiner Fiesta sein. „Das ist eine Frage der Persönlichkeit, nicht des Fahrzeugs“, sagt R. Diese Menschen seien rücksichtslos und hätten dazu noch häufig ihre Wagen nicht im Griff. Mit den Tunern würden aber die Falschen bezichtigt. „Natürlich gibt es auch bei uns schwarze Schafe“, sagt David R., „aber die meisten in der Szene haben mit Rasen oder illegalen Rennen nichts zu tun.“
Die „AG Tuning“hat ein Lagebild über die Szene erstellt, damit die Polizisten wissen, wo man sie antrifft, wer dazu gehört und worauf bei den Kontrollen zu achten ist. Zu den Hotspots, also den Treffpunkten der Tuner, in Düsseldorf gehören demnach neben der Kö auch das Mannesmannufer und die Heinrich-Heine-Allee. Um noch genauer gegen die Tuner vorgehen zu können, hat die Polizei Düsseldorf als erste Polizeibehörde im April die Datei „Auffällige Kraftfahrzeugführer in Düsseldorf“gegründet. Darin werden alle Tuner geführt, die mit tuningspezifischen Verhalten gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen haben. Dazu zählen unter anderem das Reifendurchdrehen (der sogenannte Donut), röhrende Auspuffanlagen und zu tief gelegte Fahrwerke. „Das sind alles Verstöße, für die man keinen Punkt in der Verkehrssünderdatei bekommt“, erklärt Walther. „In unserer Datei werden diese Verstöße nun gesammelt. Bei Mehrfachtätern übermitteln wir sie dann an die Führerscheinstelle. Und die kann dann über die charakterliche Tauglichkeit des Betroffenen entscheiden und eine MPU anordnen“, erklärt Walther.
Schon seit langem geht die Polizei auch massiv gegen Raser vor. Auch, weil bei illegalen Autorennen immer wieder Unbeteiligte sterben, zuletzt am Ostermontag eine 43-jährige Frau in Moers.
In der Szene der Auto-Enthusiasten fühlen sich aber viele ungerecht behandelt, weil ihrer Meinung nach nicht differenziert wird zwischen denen, die an Fahrzeugen begeistert herumschrauben, und denjenigen, die unverantwortlich rasen. „Für einen kurzen Moment das eigene Leben und das anderer aufs Spiel zu setzen, ist doch selten dämlich“, sagt auch David R. Wenn er schnell fahren wolle, besuche er die Rennstrecke. In der Stadt sei er eher mit 30 als mit 50 unterwegs, aus Sorge, sein Trueno könne in einem Schlagloch beschädigt werden.
Tunen ist bis auf wenige Ausnahmen eine Männerdomäne. Und dabei unterscheidet die Polizei in Low-Budget-Tuner, die also nicht so viel Geld zur Verfügung haben (meist jüngere Männer), und reiche Tuner, deren Grenze aber zu Posern fließend verläuft. „An einem Porsche Carrera Turbo oder an einem Audi RS 8 muss man nichts mehr machen. Die sind schon so hochgezüchtet und getunt“, erklärt Walther. Tuner würden sich von der Masse abheben wollen. „Indem sie ihr Auto verändern, machen sie es zu etwas Besonderem, das kein anderer hat. Man definiert sich als Persönlichkeit über das Auto“, sagt der Leiter der „AG Tuning“.
Es sei nun mal so, dass der Polizei regelmäßig Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung an getunten Autos auffallen. Und dagegen gehe man vor. Meistens seien es zu breite Reifen, veränderte Fahrwerke und tiefergelegte Fahrzeuge, die weniger als fünf Zentimeter Abstand zum Boden haben (acht sind vorgeschrieben, sieben lässt die „AG Tuning“noch so gerade durchgehen). „Das ist für die wie ein Wettbewerb: tiefer und breiter – und am besten gar nicht mehr lenkfähig“, sagt Walther. Häufig ist es aber erst die Kombination verschiedener Veränderungen am Fahrzeug, die zu den Beanstandungen führt. „Die meisten lassen sich die Veränderungen ganz regelkonform beim Tüv oder der Dekra in ihren Fahrzeugschein eintragen. Dann aber legen sie wieder selbst Hand an und verändern wieder was. Und das ist das Problem“, sagt Walther.
Weil David R. schon weiß, dass die Polizei seine Umbauten gerne kontrolliert, hat der 27-Jährige immer einen Ordner mit allen Tüv-Abnahmen dabei, erzählt er. Er wisse, dass er nichts zu befürchten habe. Doch selbst das nutze meist nichts. „Die Beamten vermuten oft, dass etwas anderes verbaut ist als eingetragen, und schleppen das Fahrzeug ab“, sagt er. Dabei legt er nach eigenen Angaben Wert darauf, nur qualitativ hochwertige Teile zu benutzen, auch wenn diese teurer sind. „Das mache ich gerne für die Sicherheit.“Er wünscht sich daher einen intensiveren Austausch zwischen der Tuner-Szene und der Polizei, um Vorurteile abzubauen. Es sei auch für die Beamten wichtig, die Menschen hinter ihren „aufgemotzten“Autos kennenzulernen. „Dann wird man feststellen, dass die meisten einfach Auto-verrückt sind“, sagt R. „Denn wer steckt schon freiwillig Tausende Euro in ein Fahrzeug, wenn es nicht kaputt ist?“