Der Kampf um Mays Nachfolge beginnt
LONDON (witt) Der Sitzkrieg ist vorbei, jetzt wird das Rennen offiziell. Nach Monaten des Manövrierens und Positionierens begann am Montag der Kampf um die Nachfolge von Theresa May als Vorsitzende der Konservativen Partei. Fast ein Dutzend Bewerber ließen sich für das Amt nominieren. Dazu gehören Kandidaten, denen kaum eine Chance eingeräumt wird, wie der neoliberale Brexit-Hardliner Dominic Raab oder der Gesundheitsminister Matt Hancock. Das Favoritenfeld dagegen besteht aus drei Konkurrenten: Außenminister Jeremy Hunt, Ex-Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove.
In einer ersten Runde ermitteln die Abgeordneten der Regierungsfraktion zwei Bewerber durch eine Reihe von Wahlgängen. Die beiden Finalisten treten danach in der zweiten Runde in einer Stichwahl gegeneinander an, bei der das Parteivolk von rund 160.000 Mitgliedern entscheidet. Ende Juli sollen die Konservativen dann einen neuen Chef und das Land einen neuen Premierminister haben.
Boris Johnson hat bisher vermieden, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Sein Team fürchtet, dass der zu verbalen Ausrutschern neigende Blondschopf wieder einmal patzen könnte und seine Spitzenreiterposition verspielt. In einem Interview mit der „Sunday Times“meldete sich der 54-Jährige zu Wort und verkündete, die Brexit-Austrittsrechnung von rund 44 Milliarden Euro vorerst nicht zahlen wollen. Dabei handelt es sich um finanzielle Verbindlichkeiten, die Großbritannien gegenüber der EU eingegangen ist. Er werde das Geld zurückhalten, so Johnson, bis die EU ihm einen besseren Deal anbieten würde: „Um einen guten Vertrag zu bekommen, ist Geld ein großartiges Lösungsmittel und Schmierstoff.“
Johnsons Ankündigung kam in Paris nicht gut an. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte eine Person aus dem Umfeld von Präsident Emmanuel Macron: „Wenn man seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, verstößt man gegen internationale Zusagen, was einem Zahlungsausfall von Staatsschulden entspricht. Die Konsequenzen daraus sind wohlbekannt“. Soll heißen: Die Ratingagenturen würden die Bonität Großbritanniens herabstufen. Und die EU würde auf Zahlung bestehen, bevor irgendetwas anderes verhandelt wird. Der Erpressungsversuch von Johnson illustriert, wie abgehoben von der Wirklichkeit die Brexit-Diskussion im Land verläuft. Der ehemalige Außenminister verspricht den unbedingten Austritt am 31. Oktober „mit Deal oder ohne“, ohne zu realisieren, dass es im Falle eines No Deals eine Reihe von kleinen Deals braucht, um das Land vor Chaos zu bewahren.