„Ich bin einfach durch und durch Messianer“
Der Messe-Chef über die Bilanz 2018, die Pflege der Weltleitmessen und den voranschreitenden Bau der neuen Halle 1.
Herr Dornscheidt, Sie haben vor einigen Wochen eine Bilanz für 2018 vorgelegt, mit der Sie trotz einem ruhigen Veranstaltungsjahr sehr zufrieden waren. Was waren für Sie die entscheidenden Punkte? Dornscheidt Zunächst einmal ist es für uns ganz normales Geschäft, dass durch die Schwankungen im Messezyklus – einige Messen finden nicht jedes Jahr statt – auch die Umsätze variieren. Im Grunde genommen waren wir froh über das ruhigere Jahr 2018, weil wir so den Bau der Neuen Messe Süd mit der neuen Halle 1 vorantreiben konnten. Aus meiner Sicht einer der spektakulärsten Neubauten am Messeplatz Düsseldorf und prägend für das Stadtbild. Während der Arbeiten an der Halle 1 fehlen uns aktuell natürlich 14.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die wir zum Beispiel bei der Medica mit Leichtbauhallen kompensieren konnten. Ein anderer Treiber 2018 war unser Auslandsgeschäft – das hat sich inzwischen auf einer gewissen Größenordnung eingependelt: Im vergangenen Jahr haben wir 71 Millionen Euro Umsatz gemacht. Wir geben im Auslandsbereich mächtig Gas, zumal wir so auch zyklisch schwächere Messejahre im Inland abfedern können. Insgesamt sind wir im vergangenen Jahr bei 260 Millionen Euro GmbH-Umsatz gelandet – 80 Millionen Euro weniger als im Vorjahr wegen des Zyklus. Jetzt haben wir das Jahr 2019 im Blick: mit sehr guten Perspektiven.
Woran genau misst man bei einem so wechselhaften Zyklus eigentlich Erfolg?
Dornscheidt Wir messen uns nie am Vorjahr, sondern immer an der Vorveranstaltung – so machen es alle Messegesellschaften in Deutschland. Es gibt überall Veranstaltungen, die nur alle zwei oder drei Jahre stattfinden. Mit der Drupa sind wir eine kleine Ausnahme, weil sie sogar nur alle vier Jahre bei uns zu Gast ist. Die unterschiedlichen Turni hängen mit den Innovationszyklen der verschiedenen Branchen zusammen – die Druckindustrie produziert für die Weltleitmesse Drupa ihre Weltneuheiten – und schneller als vier Jahre ist sie nicht.
Düsseldorf nennt so einige seiner Veranstaltungen Weltleitmesse … Dornscheidt … und das tun wir nur, wenn eine Messe die vergleichbaren Marken der Ausstellerzahl und Internationalität knackt. Es gibt global gesehen 140 Weltleitmessen, von denen 90 in Deutschland stattfinden. Ein Vorteil ist, dass bei dem Veranstaltungsmodell der Messeplatz-Inhaber auch der Veranstalter der Messe ist – damit haben wir die gesamte Wertschöpfungskette in einer Hand. So kommt eben auch, dass alle zwölf Jahre zwei Großmessen wie Drupa und Interpack stattfinden – wie 2020. Die K findet noch in diesem Jahr statt, aber insgesamt liegen sie eng hintereinander, und wir haben Aussteller, die auf drei Messen vertreten sind – eine riesige Anstrengung. Aber alle sind schon lang ausverkauft.
Wie geht man eigentlich nach den Erfahrungen mit Schuh- und Modemesse mit dem Wissen um, dass auch jahrzehntelang etablierte Messen ein Ende haben können? Dornscheidt Wir haben ein Ohr am Markt: Man kann mit aufmerksamem Blick so etwas schon lange vorher sehen. Ich sage das mal am Beispiel der Modemesse: Da ahnten wir schon vor 15 Jahren, dass es eine endliche Geschichte sein könnte. Als sich die ersten Modeketten etablierten, war es klar – denn die präsentierten keine zwei Kollektionen im Jahr, sondern es kam jeden Monat eine neue – die Aussteller stiegen auf Showrooms um. Heißt: Sobald man irgendwo einen Ausschlag spürt, muss man sich Gedanken machen. Wir haben in Düsseldorf das Glück, dass wir vor allem Investitionsgütermessen und sehr hochwertige Konsumgütermessen (Boot, Caravan Salon) veranstalten – also mit Ausstellungsobjekten, die schon ein paar Euro kosten. Die will der Kunde sehen, ehe er sie kauft. Bei den Investitionsgütermessen haben wir zudem Top-Beiräte mit Partnern aus den jeweils relevanten Industrien, die uns mit ihrem Know-how sehr gut unterstützen. Wir wissen, dass wir diese Veranstaltungen auf einem hohen Qualitätslevel halten müssen.
Nach der Bilanz ist ja vor der Bilanz. Was sind für Ihre Branche die größten Herausforderungen? Dornscheidt Vor allem gilt es, technisch auf der Höhe der Zeit zu bleiben und ein 100-prozentig funktionierendes Gelände anzubieten. Bei der Kunststoffmesse K brauchen wir beispielsweise 68 Megawatt Strom. Das ist ein enormer technischer und logistischer Aufwand: Deshalb ist das entscheidende an unserem Gelände das, was unter der Erde liegt. Da gibt es nicht viele Messe-Gesellschaften in Deutschland, die solche Großveranstaltungen außer uns stemmen können.
Wer sind denn potenzielle Konkurrenten – kommen die aus dem Ausland?
Dornscheidt Das würde ich nicht unbedingt so sehen – wir sind dort ja selbst sehr stark vertreten und haben inzwischen 77 Auslandsvertretungen in 141 Ländern. Wir gewinnen damit Aussteller für Düsseldorf und haben große Zuwächse in wichtigen Märkten wie China und Indien. Oftmals bauen wir in diesem Bereich auch Partnerschaften auf. Es gibt in München eine Verpackungsmesse für Getränkeverpackungen; ein Bereich, der bei unserer Interpack überhaupt nicht vertreten ist. Wir sind dafür auf Süßwarenverpackungen und solche für Pharmazeutika spezialisiert. Also haben wir uns mit den Münchnern zusammengesetzt und besprochen, deren Drinktec und unsere Interpack auf einem Messegelände in Indien zu bündeln, um mehr Besucher und mehr Aussteller zu akquirieren Die Veranstaltung heißt jetzt Pacprocess India. Gute Partner im Ausland, die die Gepflogenheiten, die Branchen und ländertypischen Bedarfe unsere Kunden kennen, sind für uns unabdingbar.
Welche Rolle spielt das Thema Digitalisierung?
Dornscheidt Eine große. Wir selbst wickeln als Unternehmen über 90 Prozent unserer Geschäfte digital ab. Digitalisierung heißt für uns Vernetzung, intern wie extern. Wir lernen in diesem Zusammenharng viel von unseren Kunden. Da weiß zum Beispiel ein Maschinenbauer, der eine Maschine in China aufstellt, immer über deren Zustand Bescheid, weil sie mit dem deutschen Herstellerwerk vernetzt ist. Seine Techniker rufen ihn schon vier Wochen vorher an, wenn sich abzeichnet, dass ein bestimmtes Teil nicht funktionieren könnte – und die Servicemannschaft bereitet sich schon darauf vor, die Maschine zu reparieren.
Wie praktisch für die Messe – da haben Sie die Fachleute für das Thema ja quasi als Ratgeber direkt im Haus…
Dornscheidt … wenn sie einem überhaupt etwas erzählen. Das ist nämlich eine komplexe und wertige Technik, die nicht jeder einfach ohne weiteres weitergibt und teilt. Und die Vorgänge sind hochspezifisch – wir haben in unserem Haus ja wieder eigene Bedürfnisse.
Ein großer Schritt für die Messe ist die von Ihnen eingangs erwähnte neue Halle 1.
Dornscheidt Das stimmt. Eine große Investition aus eigener Kraft, aber ich würde ja der Kö-Galerie auch keine Holztür einbauen. Wir haben diese wunderbare Lage direkt am Rhein, ideal für die Boot, mit dem Nordpark, dem Kongresscenter und mit der Stadthalle – die sich vielleicht auch mal einer Verjüngungskur unterzieht. Jedenfalls verdient es der Eingang Süd, dass man ihn herausragend gestaltet; und das schließt nicht aus, dass er auch praktisch ist. Wir haben fünf Konferenzräume für je 200 Leute – und dass wir den großen Sitzungsraum quasi in die Empfangshalle gehängt haben, ist auch besonders. Wir haben künftig die Möglichkeit, im Eingangsbereich Messe- und Konferenzbesucher zu trennen, und im mittleren Bereich genug Raum für große Empfänge. Dazu kommt natürlich das große Vordach und die elegante Freifläche. Die Autos parken unter der Erde – auch wenn es eine große Herausforderung war, eine Tiefgarage so nah am Rhein zu bauen.
Haben Sie auch deshalb Ihren Vertrag verlängert, weil Sie das Herzensprojekt noch fertiggestellt sehen wollten?
Dornscheidt Ich bin einfach durch und durch Messianer und wollte die Fertigstellung der Halle 1 gerne als Messechef erleben. Ich habe das Glück, dass bis dahin auch noch drei unserer größten Messen stattfinden – die K, die Interpack und die Drupa – und das Deutsche Haus bei den olympischen und paralympischen Spielen in Tokio, das wir im Auftrag der Deutschen Sport Marketing organisieren und betreiben. Ende Juni 2020 trete ich dann zufrieden von der Messebühne ab.
Dann werden Sie wirklich genug haben?
Dornscheidt Sagt mein Vertrag. Aber natürlich habe ich in meinem Leben nichts anderes gemacht, es war und ist nach wie vor mein absoluter Traumjob. Ich war von Beginn an viel im Ausland unterwegs, hatte immer besonders viel mit Ingenieuren zu tun – spannende, intelligente Leute, mit denen man reden kann und die immer ihr Wort halten. Auch die Vielfalt der Branchen ist etwas ganz Besonderes. Ich darf im Ruhestand aber weiterhin hier bei der Messe mein mexikanisches Generalkonsulat führen und ein Büro nutzen. Inhaltlich muss man dann sicher erstmal Abstand gewinnen: Ich werde sicher nicht der sein, der ungefragt auftaucht und für meinen Nachfolger kluge Ratschläge aus der Tasche zaubert. Da lässt man sich höchstens mal einladen, wenn es ein leckeres Alt gibt.
Was werden die Highlights des restlichen Jahres für die Messe? Dornscheidt Das nächste Highlight ist schon der Caravan Salon, der wächst und wächst. Aber auch die Gifa, Metec, Thermprocess sind Veranstaltungen, die im Wachstum begriffen sind. Die K ist dann natürlich das internationale Highlight im Oktober, viele der Besucher sind Top-Entscheider. Im November folgt die Medica. Ab Herbst brummt es einfach in Düsseldorf und Umgebung – und die Geschäftswelt wird davon profitieren. Im Grunde bringen wir viel mehr Umsatz in die Region als dass wir eigenen erwirtschaften.
Und was sind die nächsten großen Vorhaben im internationalen Geschäft?
Dornscheidt Da ist vieles in Bewegung. Ein schönes Beispiel: Wir schlagen dieses Jahr das erste Mal in Ägypten auf. Dort halten wir 50 Prozent an einer Messe für Processing und Packaging. Wir haben eine Konferenz zu Food, Verpackungen und unserem „Save food“-Projekt veranstaltet und anschließend einen Beirat gegründet – unter anderem mit dem Wirtschaftsminister und vielen namhaften Verbandsvertretern. Jetzt wird der Staatspräsident unsere Messe eröffnen, ein absolutes Novum. Hartnäckigkeit zahlt sich eben aus.