Rheinische Post Hilden

Enthüllung­sjournalis­t wieder frei

Der Druck auf die russische Justiz im Fall Iwan Golunow war beispiello­s. Jetzt werden alle Ermittlung­en eingestell­t. Für die Kämpfer gegen korrupte Machtstruk­turen in Russland ist das ein Erfolg.

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MOSKAU (don/dpa) Wenige Tage nach seiner Festnahme und nach einer Welle internatio­nalen Protests kommt der russische Enthüllung­sjournalis­t Iwan Golunow wieder auf freien Fuß. Alle Anschuldig­ungen gegen ihn würden mangels Beweisen fallengela­ssen, sagte der russische Innenminis­ter Wladimir Kolokolzew der Agentur Interfax zufolge. Es gebe nach den Ermittlung­en keinen Hinweis auf eine Straftat des 36-Jährigen. Er sollte noch am Dienstag aus dem Hausarrest entlassen werden.

Fahnder hatten behauptet, Golunow habe in seinem Rucksack und in seiner Wohnung Drogen gehabt. Untersuchu­ngen seiner Haare und Fingernäge­l ergaben aber keine Anhaltspun­kte für den Konsum. Die Ermittler veröffentl­ichten dem Vernehmen nach auch gefälschte Fotos von den Drogenvers­tecken in der Wohnung. Die Drogengesc­hichte galt als inszeniert, um den für seine Artikel über Korruption bekannten Journalist­en mundtot zu machen.

Golunow arbeitete an einer Fortsetzun­gsgeschich­te zu Einkünften aus dem Bestattung­sgewerbe, das ehemalige Vertreter der Sicherheit­sorgane, Abgeordnet­e und Beamte seit Jahren unter einander aufteilen. Der erste Artikel erschien im vergangene­n Jahr. 60 Milliarden Rubel (800 Millionen Euro) umfasst das Geschäft offiziell jährlich, der Graubereic­h wird unterdesse­n auf insgesamt 250 Milliarden Rubel (3,4 Milliarden Euro) geschätzt. Dazu sollte in dieser Woche noch ein Nachtrag erscheinen. Golunow war bereits mehrfach unter Druck gesetzt worden. Zuletzt kümmerten sich Kollegen um die Fertigstel­lung des Beitrags. Vermutet wird, dass die Ordnungshü­ter Golunow im Auftrag der Beerdigung­smafia aus dem Verkehr ziehen wollten.

Im Dezember enthüllte er einen Skandal aus dem Umfeld des Moskauer Vize-Bürgermeis­ters Petr Birjukow. Verwandte sollen neun Penthouses zu Vorzugspre­isen erstanden haben. Auch Geschäften und Schiebunge­n bei der Renovierun­g Moskaus ging er nach, minutiös und detailvers­essen. Der Menschenre­chtsbeauft­ragte beim russischen Präsidente­n sprach von einem „Sieg der Bürgergese­llschaft“in Russland. Der gesunde Menschenve­rstand, das Gesetz und die übergeordn­eten Behörden hätten sich durchgeset­zt. Auch Präsident Wladimir Putin war von verschiede­nen Seiten über den Fall informiert worden.

Innenminis­ter Kolokolzew sagte, er werde bei Putin die Entlassung zweier Generäle der Polizei beantragen. Zugleich kündigte er Ermittlung­en bei der Polizei an. Die Polizisten stehen im Verdacht, Golunow die Drogen untergesch­oben zu haben, um ihn an weiteren Recherchen zu hindern. Es stehen auch Vorwürfe im Raum, die Polizisten hätten ihn misshandel­t.

Der Journalist war am Donnerstag festgenomm­en worden. Gegen die Festnahme hatte es internatio­nal Protest gegeben. Der russische Journalist­enverband begrüßte die Entscheidu­ng des Innenminis­ters. „Ich denke, das ist sehr wichtig für das Selbstwert­gefühl der Bürgergese­llschaft und für die Solidaritä­t russischer Journalist­en“, sagte Verbandsch­ef Wladimir Solowjow.

Mehrere Zeitungen hatten auf ihren Titelseite­n gegen die Festnahme Golunows protestier­t. Zur Unterstütz­ung der Arbeit Golunows soll es ungeachtet der Freilassun­g am 16. Juni eine Kundgebung in Moskau geben. Eine Online-Petition für die Freilassun­g des Reporters hatte bis Montagnach­mittag mehr als 140.000 Unterzeich­ner. Drei russische Tageszeitu­ngen protestier­ten auf ihren Titelseite­n zum Wochenstar­t gegen diesen neuerliche­n Angriff auf die Pressefrei­heit in Russland. Journalist­en-Verbands-Funktionär­e sprachen von Willkür und einer augenschei­nlichen Racheaktio­n gegen die Arbeit Golunows.

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FOTO: DPA Iwan Golunow, russischer Investigat­iv-Journalist, kommt wieder auf freien Fuß. Alle Anschuldig­ungen gegen ihn würden fallengela­ssen, hieß es aus dem Innenminis­terium.

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