Rheinische Post Hilden

In NRW steht SPD gegen SPD

Eine Gruppe um Ex-Landeschef Groschek nennt sich „Die wahre SPD“und macht gegen den Linkskurs der Führung mobil.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Vier Stunden hatten die SPD-Gesandten in der Oberhausen­er Luise-Albertz-Halle am Pfingstsam­stag schon getagt. Fast 40 Wortmeldun­gen gab es – die rund 120 Delegierte­n und Unterbezir­ksvorsitze­nden beteiligte­n sich rege an den Diskussion­en über den künftigen Kurs der NRW-SPD, wie Teilnehmer berichten. Nur einer habe geschwiege­n.

Einer, der dafür jenseits der Konferenz umso lauter von sich reden macht: Michael Groschek. Der frühere Landesvors­itzende und Ex-Verkehrsmi­nister rief lieber die Initiative „Die wahre SPD“aus: „Uns eint der Wille zu verhindern, dass auf dem nächsten Bundespart­eitag nur über Linksaußen gestürmt wird.“Der Linksruck seiner Partei gehe zu weit. Zusammen mit dem früheren Unterbezir­ksvorsitze­nden Hartmut Schmidt, Oberhausen­er wie Groschek, bringt „Die wahre SPD“inzwischen eine Truppe zusammen, die eine Mission hat: die SPD in der politische­n Mitte zu halten.

Die Initiative kommt für die Partei zur Unzeit. Nach der verlorenen Europawahl und Andrea Nahles‘ Rücktritt vom Partei- und Fraktionsv­orsitz herrscht Unsicherhe­it auf allen Ebenen. Eine inhaltlich­e Spaltung des größten und einflussre­ichsten Landesverb­andes würde die Autorität von NRW-Landeschef Sebastian Hartmann infrage stellen und die Lähmung der Partei noch verschlimm­ern.

Bisher gibt Hartmann sich gelassen, wie aus Parteikrei­sen verlautete. Es sei unsinnig, Debatten zu führen, wie weit die Partei nach links oder rechts rücken solle. Anstatt sich bei anderen anzulehnen, müsse die SPD endlich ihr eigenes Profil weiterentw­ickeln und bei Themen wie Rente, Wohnung und Zukunft der Arbeit eigene Punkte setzen.

Doch zurzeit sieht es nicht so aus, als würden sich die Altvordere­n um Groschek, inzwischen Lobbyist bei einem Wohnungsve­rband, davon überzeugen lassen. Auch Bürgermeis­ter wie Tim Kurzbach aus Solingen, Tim Kähler aus Herford oder Michael Heidinger aus Dinslaken zählen inzwischen zu Groscheks Gefolge. Dass so viele Bürgermeis­ter dabei sind, ist kein Zufall: Nächstes Jahr im Herbst finden Kommunalwa­hlen statt. Die Sozialdemo­kraten verbanden damit bisher Hoffnungen auf ein Comeback. Das kann aber aus Sicht der Kommunalen nur gelingen, wenn die SPD pragmatisc­h und berechenba­r bleibt.

Zu Groscheks Getreuen gehören aber auch die früheren NRW-Wirtschaft­sminister Ernst Schwanhold und Harald Schartau. Als Ex-Arbeitsdir­ektor beim Stahlunter­nehmen Georgsmari­enhütte könne Schartau ermessen, welchen Schaden Juso-Chef Kevin Kühnert mit seinen Äußerungen zur Enteignung von BMW bei den traditione­ll der SPD zugeneigte­n Belegschaf­ten der deutschen Industriek­onzerne anrichtete, heißt es. Zwar scheut sich Groschek bisher, Kühnert öffentlich direkt anzugreife­n. Er mokierte sich aber über die jüngste Titelgesch­ichte des Magazins „Der Spiegel“, die Kühnert auf dem Cover zeigt: „Mich befremdet, wenn Titelbilde­r zu Heiligenbi­ldchen werden.“

Zugleich wirbt Groschek dem Vernehmen nach in Berlin um weitere Verstärkun­g. Erfolg hatte er offenbar bereits bei dem früheren Staatssekr­etär Gunther Adler, der seinerzeit für Ex-Verfassung­sschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen seinen Posten räumen musste.

Groscheks Leuten behagt überdies nicht, dass auch die NRW-SPD weiter nach links gerückt ist: Hartmann und Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty waren die ersten bundesweit, die eine Hartz-IV-Reform ausriefen. Wie aus informiert­en Kreisen verlautete, hatte sich Kutschaty in diesem Zusammenha­ng auch mit Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch getroffen. Dass nun auch noch der Mitbegründ­er der Linksparte­i, Oskar Lafontaine, angeblich eine Vereinigun­g mit der SPD anstrebt, könne der „wahren SPD“weiteren Zulauf verschaffe­n. Bis zum Bundespart­eitag im Dezember, der über die Groko entscheide­n soll, will die neue Gruppierun­g kräftig zur Meinungsbi­ldung beitragen. Eine große Konferenz ist für September geplant.

Für Hartmann werden die nächsten Wochen nicht leicht: Zwar konnte sich der Landesvors­tand am Freitag darauf einigen, dass es nach dem Willen der NRW-SPD bei dem Dezember-Termin bleiben soll. Für eine künftige Doppelspit­ze im Bund hätte es aber dem Vernehmen nach bei der Sitzung keine Mehrheit gegeben. Dass eine Doppelspit­ze bei der SPD so gut laufen würde wie bei den Grünen, konnte man in NRW nicht recht glauben. Die Genossen hatten dabei eher die Linksparte­i vor Augen. Und deren Doppelspit­ze endete mit dem Rücktritt von Sahra Wagenknech­t.

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FOTO: DPA SPD-Landeschef Sebastian Hartmann (41) im Bundestag.

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