„Wir sind noch lange nicht fertig“
Die Landes- und die Kreisvorsitzende der Grünen über die Folgen des Rekord-Wahlergebnisses.
Seit der Europawahl reden alle über die Grünen – auch in Düsseldorf. Paula Elsholz (32) ist Sprecherin des Düsseldorfer Kreisverbands, Mona Neubaur (41) war bis 2015 ihre Vorgängerin und führt inzwischen den NRW-Landesverband.
Die Grünen waren erstmals stärkste Partei in Düsseldorf. Hatten Sie mit diesem Ergebnis gerechnet? MONA NEUBAUR In dieser Deutlichkeit sicher nicht. Das Ergebnis löst bei uns Euphorie und Demut aus. NRW lag sogar noch über dem Bundesschnitt. Wir verstehen das als Auftrag, uns weiter für Klimaschutz und ein starkes und fortschrittliches Europa einzusetzen.
Aber wie viel Düsseldorf steckte in dem Ergebnis?
PAULA ELSHOLZ Bremen hat gezeigt, dass die Wähler sehr wohl einen Unterschied machen. Bei der Europawahl hatten die Grünen dort deutlich mehr Stimmen als bei der zeitgleich stattfindenden Bürgerschaftswahl. Es wäre ein Fehler, die 29,2 Prozent bei der Europawahl in Düsseldorf auf die Kommunalwahl 2020 zu übertragen. Aber das Ergebnis gibt uns sicher Rückenwind.
Es fällt auf, dass die Grünen vor allem in der erweiterten Innenstadt stärkste Kraft waren. Sind Sie eine Großstadtpartei?
NEUBAUR So einfach ist das nicht. Wir waren zum Beispiel auch im Ennepe-Ruhr-Kreis die stärkste Kraft, und das ist sicher keine großstädtische Gegend. Und am kompletten Niederrhein lagen wir auf Platz zwei hinter der CDU.
ELSHOLZ Die Probleme mit Klima und Umwelt manifestieren sich vielleicht in den Großstädten nochmal anders. Wir hatten in Düsseldorf im vergangenen Jahr einen Hitzesommer, bei dem es Hitzeinseln mit deutlich über 40 Grad gab. Da hat man gespürt, warum es so wichtig ist, das Klimaanpassungskonzept, das Düsseldorf besser auf extreme Wetterlagen vorbereiten soll, umzusetzen. Eine zubetonierte Stadt mit immer weniger Natur und Grün – das wollen immer weniger Menschen.
Allerdings dürfte auch die Müdigkeit mit der Großen Koalition in Berlin eine Rolle gespielt haben. In Düsseldorf haben die Grünen keinen Oppositions-Vorteil.
NEUBAUR Ich glaube, dass die Inhalte die entscheidende Rolle gespielt haben. Seit der Diesel-Affäre und dem Hambacher Wald haben viele Menschen zurecht das Gefühl, dass Politik wieder handeln muss und den Mut zum Politikmachen braucht. Das wird sich bis zur Kommunalwahl nicht ändern.
Wie lässt sich der Wählerwille auf die Kommunalpolitik übersetzen? ELSHOLZ Wir haben in Düsseldorf bereits ein Klimaschutzkonzept, das sich auf viele Bereiche vom Wohnen bis zum Verkehr erstreckt. Da sind harte Ziele vereinbart. Wir müssen mehr investieren und schneller umsetzen, um sie zu erreichen. Darüber gibt es politisch noch keine Einigkeit.
Was meinen Sie konkret?
ELSHOLZ Dass das Konzept für mehr Straßenbäume zum Beispiel jetzt umgesetzt wird, war ein politischer Kampf.
Dieses „1000-Bäume-Programm“wurde nach dem Orkan Ela 2014 vorgestellt, aber über Jahre nicht ausfinanziert. Das hätten Sie doch längst ermöglichen können. ELSHOLZ Leider haben wir immer wieder mit Widerständen zu tun, sodass wichtige Vorhaben zu lange brauchen. Dass die Zivilgesellschaft nun laut geworden ist, hilft. Man bemerkt die Handschrift der Grünen aber bereits an vielen Stellen.
Woran denken Sie? ELSHOLZ Zum Beispiel die Verkehrswende. Düsseldorf ist immer noch eine autodominierte Stadt, aber es hat sich viel geändert, auch am Bewusstsein. Es ist nicht mehr so selbstverständlich, dass schamlos Radwege – von denen es immer mehr gibt – zugeparkt werden. Klar ist aber auch: Wir sind hier noch lange nicht fertig.
NEUBAUR Beim Klimaschutz muss der Verkehrssektor dringend liefern. Die Städte ersticken im Autoverkehr. Das kann Düsseldorf nicht alleine ändern, die Zusammenarbeit mit den umliegenden Kommunen ist wichtig, um zum Beispiel den Pendlerverkehr auch auf attraktive Bus- und Bahnangebote zu lenken. Auch Land und Bund müssen die Verkehrswende endlich zur Priorität machen – und den Kommunen bei der Umsetzung helfen.
Gesetzt den Fall, die Grünen schneiden auch so stark bei den Kommunalwahlen ab: Haben Sie dafür überhaupt genug Personal? NEUBAUR Das ist in der Tat eine Herausforderung – aber eine sehr positive. Wir müssen uns plötzlich als 20-Prozent-Partei aufstellen und auch einen riesigen Mitgliederzuwachs bewältigen. Wir haben in NRW jetzt 15.700 Mitglieder, das ist ein Wachstum von 25 Prozent in den letzten zwei Jahren. Wir als Landespartei machen Angebote, die kommunalen Kandidaten für ganz NRW auf die Gremienarbeit vorzubereiten.
Die Grünen wollen einen eigenen OB-Kandidaten für Düsseldorf aufstellen. Wird im Rathaus ab jetzt gegen Thomas Geisel gearbeitet? ELSHOLZ Nein. Obwohl der OB nicht Teil der Ampel ist, haben wir gemeinsame Erfolge vorzuweisen, auch wenn es sicher unnötige Konflikte und Alleingänge gab.
Die Grünen haben sich zuletzt gegen Geisels Pläne zum Umbau des Beteiligungsmanagements gestellt. ELSHOLZ Ja. Wir sehen keinen Vorteil darin, wenn er die Leitungsfunktion von der Kämmerei ins OB-Büro zieht, von einer fehlenden demokratischen Legitimirung ganz abgesehen.
NEUBAUR Thomas Geisel hat gesagt, er wolle eine „Entpolitisierung der Aufsichtsräte“erreichen. Wir halten sein Vorgehen für gefährlich. Die demokratische Kontrolle der Beteiligungen muss erhalten bleiben
Wer wird denn Ihr OB-Kandidat? ELSHOLZ Der Vorstand wird den Mitgliedern im Juli eine eigenständige Kandidatur vorschlagen. Sollten die Mitglieder unserem Vorschlag folgen, werden wir mit der Suche beginnen.
Sie könnten einen gemeinsamen Kandidaten mit der CDU aufstellen, wie Henriette Reker in Köln... NEUBAUR Das entscheiden bei uns jeweils die Kreisverbände. Ich glaube, die aktuelle Stimmung spricht für eigenständige grüne Kandidaturen. Das ist die richtige Antwort darauf, dass man uns zutraut, die Lösung für drängende Zukunftsfragen zu finden.
ELSHOLZ Bei aller Verbundenheit zu unseren Nachbarn: Düsseldorf ist nicht Köln.