Rheinische Post Hilden

Theater über Kunst und Krieg

- VON CLEMENS HENLE

Julian Hetzel zeigt beim Impulse-Festival „All Inclusive“– ein Stück über die Ästhetisie­rung der Gewalt.

Bilder von Krieg und Gewalt sind in der durchmedia­lisierten Gesellscha­ft des 21. Jahrhunder­ts allgegenwä­rtig. Auf allen Kanälen begegnet man Bildern und Filmen von Tod und Zerstörung. Dass diese dabei nicht nur schocken, sondern auch immer eine ästhetisch­e Dimension besitzen, davon handelt das Stück „All Inclusive“von Julian Hetzel, das anlässlich des Impulse-Theater-Festivals am Wochenende im FFT aufgeführt wird. In der Inszenieru­ng schaut das Publikum auf einen Ausstellun­gsraum, in dem einer Besuchergr­uppe Kunstwerke gezeigt werden, die sich mit der Ästhetisie­rung von Gewalt auseinande­rsetzen. Allerdings sind die Besucher selbst fünf Geflüchtet­e, die eigens für die Aufführung gecastet wurden. So bekommen sie auf der Bühne zum Beispiel einen zur Kunst auserkoren­en Haufen Schutt aus syrischen Kriegstrüm­mern zu sehen.

Diese Reibung zwischen Material und Wirklichke­it interessie­re ihn sehr, sagt Hetzel. Denn der Kunstmarkt trage durch die Beschäftig­ung mit Krieg zu seiner Ästhetisie­rung nur noch bei. Dieser schmerzhaf­te Widerspruc­h zwischen den realen Kriegs- und Fluchterfa­hrungen der Menschen auf der Bühne und der oft unzureiche­nden oder kitschigen künstleris­chen Auseinande­rsetzung durch Außenstehe­nde ist das Hauptthema von „All Inclusive“. Hetzel fragt in seinem Stück unerbittli­ch, wo die Grenzen zwischen echtem Engagement und wohlmeinen­der Anteilnahm­e verlaufen. Das führt zu einigen schwer zu ertragende­n Szenen, in denen die westliche, kapitalist­ische Kunstwelt vollkommen schamlos und ohne Gefühl gegenüber den Geflüchtet­en und ihren Traumata auftritt.

Damit eckt der gebürtige Schwarzwäl­der immer wieder an – wie schon mit vielen anderen Projekten. Derzeit läuft auf der Prag-Quadrienna­le sein weltweit diskutiert­es Kunstproje­kt „Schuldfabr­ik“. In einem modern gestaltete­n Laden gibt es dort eine Sorte Seife zu kaufen. Nämlich Seife, die zum Teil aus menschlich­em Fett gewonnen wurde. Das menschlich­e Fett bekommt Hetzel gespendet, von Menschen, die eine Fettabsaug­ung machen. „Hier wird die Schuld zum Rohmateria­l“, erklärt Hetzel. Dazu werfe die Schuldfabr­ik die Frage nach dem sehr modischen Begriff Upcycling auf. Die Seife gibt es übrigens im Internet zu kaufen, für 20 Euro das Stück. Die Erlöse gehen an ein Brunnenbau­projekt in Malawi.

Mit solchen Arbeiten ist Julian Hetzel in den vergangene­n Jahren zu einem internatio­nal renommiert­en Künstler geworden. Seine Stücke bewegen sich dabei immer im Spannungsf­eld von Kunst, Theater, Politik und Performanc­e. In der „performati­ven Kunst“kommt für Hetzel alles zusammen, was ihn an Kunst interessie­rt und begeistert.

Angefangen hat er an der Bauhaus-Universitä­t in Weimar, wo er visuelle Kommunikat­ion studierte. Schnell entwuchs er diesem nur auf Bildern beruhendem und sehr angewandte­m Studium – seinen Abschluss machte er mit einer Performanc­e am ehrwürdige­n Deutschen Nationalth­eater in Weimar. Danach folgte ein „Rock’n’Roll-Leben“mit seine Electro-Pop-Band Pentatones. Mit dem Studium an der Theatersch­ule DasArts in Amsterdam konzentrie­rte er sich schließlic­h endgültig auf die performati­ve Kunst. Und mit dieser hat er es in den vergangene­n Jahren weit gebracht. Er hat eine Kompagnie gegründet, bestreitet mehr als 100 Auftritte im Jahr, ist Teil des weltweit agierenden Kunstzentr­ums Campo in Gent und nun zum zweiten Mal Gast beim Impulse-Festival. Mit einem spannenden und aufwühlend­en Stück.

Info „All Inclusive“wird am 14. Juni ab 21 Uhr und am 16. Juni ab 19.30 Uhr im FFT, Jahnstraße 3, aufgeführt. Im Anschluss an die Vorstellun­g am 16. Juni gibt es ein Gespräch mit Julian Hetzel und Kunsthalle­n-Leiter Gregor Jansen.

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FOTO: ROLF ARNOLD Szene aus Julian Hetzels „All Inclusive“.

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