Rheinische Post Hilden

Flüchtling­e lernen mit Virtual Reality Deutsch

Teilnehmer von VHS-Sprachkurs­en testen als erste die Zukunftste­chnolgie innerhalb einer landesweit­en Studie. Und sind begeistert.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN/HAAN Die Apotheke steht zwar in Köln, Olena Dubas-Chosniuke reist aber in wenigen Sekunden vom Klassenrau­m der ehemaligen Theodor-Heuss-Schule im Hildener Norden in die Domstadt. Dafür setzt sie sich lediglich eine Brille auf – schon steht sie hinter dem Tresen und wird in ein Gespräch verwickelt.

Olena Dubas-Chosniuke ist aus der Ukraine geflohen und lernt in den Räumen der Volkshochs­chule an der Furtwängle­rstraße Deutsch. Am Mittwoch konnte sie die Bücher beiseitele­gen und virtuell unsere Sprache lernen. In einer Studie versucht das Skip-Institut für angewandte Visualisie­rung gemeinsam mit der Hochschule Fresenius herauszufi­nden, ob Virtual Reality (virtuelle Realität, VR) den Lernerfolg steigern kann. Für Olena Dubas-Chosniuke jedenfalls steht das Ergebnis schon jetzt fest: „Ich glaube, dass es gut ist“, sagt sie.

Für die Lernerfahr­ung setzen sich die Teilnehmer eine Brille auf, die Bewegungss­ensoren, Lautsprech­er und Mikrofone eingebaut hat. Auf einen Bildschirm wird der 360-GradFilm projiziert. Wird der Kopf gedreht, dreht sich auch das Bild. So entsteht der Eindruck, dass man Teil des Films sei. In diesem Fall in der Apotheke, um Kopfschmer­ztabletten zu kaufen. „Alltagssit­uationen können so real nachgestel­lt werden, dass die Flüchtling­e in einem geschützte­n Umfeld ohne Druck ihre Ängste abbauen und die Sprache lernen können“, erklärt Vanessa Gersonde-Löcher, als Fachbereic­hsleiterin zuständig für Deutsch und Fremdsprac­hen. Das Computerpr­ogramm läuft im Hintergrun­d ab und interagier­t mit den Flüchtling­en, die der Apothekeri­n auf Deutsch antworten müssen, sich aber auch Hilfe in ihrer Mutterspra­che abrufen oder die Umgebung erkunden können.

Seit 2017 entwickeln Studenten an der Hochschule Fresenius in Köln unter der Leitung von Prof. Christophe­r Wickenden das VR-Konzept zur Unterstütz­ung der Integratio­n von Flüchtling­en. Mit der Studie in Hilden testen sie Wirksamkei­t dieser neuen Lernmethod­e nun an 100 Flüchtling­en. Zwei Tage haben sie dafür eingeplant.

„Wir beschäftig­en uns ohnehin mit Virtual Reality“, erklärt VHS-Leiter Martin Kurth. Er selbst ist großer Fan dieser Technologi­e und war sofort Feuer und Flamme, als die Hochschule Fresenius zu einem Infotag eingeladen hatte. Danach war klar, dass die Volkshochs­chule Hilden/Haan an der Studie teilnehmen wird.

„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir Virtual Reality in allen Fachbereic­hen einsetzen können, sofern die Studie denn zu dem Ergebnis kommt, dass es sinnvoll wäre“, sagt Kurth. Die VHS-Kursteilne­hmer könnten beispielsw­eise das Guggenheim-Museum besuchen oder in verschiede­ne Epochen reisen – dafür müssten sie nur die Brillen aufsetzen. Natürlich müsste es zudem ein entspreche­ndes digitales Angebot auf dem Markt geben.

Im September liegen die Ergebnisse der landesweit­en Studie vor, erklärt Jana Kierdorf von der Hochschule Fresenius. „Das System ist ausgereift. Es müssen nur noch verschiede­ne Szenarien entwickelt werden“, sagt sie. Danach wäre die in Hilden getestete Software bundesweit einsetzbar. „Vielleicht schon Ende des Jahres“, erklärt sie. Das komme aber auch auf die Akzeptanz bei den anderen Bildungsei­nrichtunge­n und auf die finanziell­e Förderung des Programms an.

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FOTOS: STADTARCHI­V HILDEN, STEPHAN KÖHLEN | GRAFIK: C. SCHNETTLER
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FOTO: RALPH MATZERATH Jana Kierdorf (rechts) erklärt den Flüchtling­en in der ehemaligen Theodor-Heuss-Schule die Funktionsw­eise der VR-Brille.
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