Flüchtlinge lernen mit Virtual Reality Deutsch
Teilnehmer von VHS-Sprachkursen testen als erste die Zukunftstechnolgie innerhalb einer landesweiten Studie. Und sind begeistert.
HILDEN/HAAN Die Apotheke steht zwar in Köln, Olena Dubas-Chosniuke reist aber in wenigen Sekunden vom Klassenraum der ehemaligen Theodor-Heuss-Schule im Hildener Norden in die Domstadt. Dafür setzt sie sich lediglich eine Brille auf – schon steht sie hinter dem Tresen und wird in ein Gespräch verwickelt.
Olena Dubas-Chosniuke ist aus der Ukraine geflohen und lernt in den Räumen der Volkshochschule an der Furtwänglerstraße Deutsch. Am Mittwoch konnte sie die Bücher beiseitelegen und virtuell unsere Sprache lernen. In einer Studie versucht das Skip-Institut für angewandte Visualisierung gemeinsam mit der Hochschule Fresenius herauszufinden, ob Virtual Reality (virtuelle Realität, VR) den Lernerfolg steigern kann. Für Olena Dubas-Chosniuke jedenfalls steht das Ergebnis schon jetzt fest: „Ich glaube, dass es gut ist“, sagt sie.
Für die Lernerfahrung setzen sich die Teilnehmer eine Brille auf, die Bewegungssensoren, Lautsprecher und Mikrofone eingebaut hat. Auf einen Bildschirm wird der 360-GradFilm projiziert. Wird der Kopf gedreht, dreht sich auch das Bild. So entsteht der Eindruck, dass man Teil des Films sei. In diesem Fall in der Apotheke, um Kopfschmerztabletten zu kaufen. „Alltagssituationen können so real nachgestellt werden, dass die Flüchtlinge in einem geschützten Umfeld ohne Druck ihre Ängste abbauen und die Sprache lernen können“, erklärt Vanessa Gersonde-Löcher, als Fachbereichsleiterin zuständig für Deutsch und Fremdsprachen. Das Computerprogramm läuft im Hintergrund ab und interagiert mit den Flüchtlingen, die der Apothekerin auf Deutsch antworten müssen, sich aber auch Hilfe in ihrer Muttersprache abrufen oder die Umgebung erkunden können.
Seit 2017 entwickeln Studenten an der Hochschule Fresenius in Köln unter der Leitung von Prof. Christopher Wickenden das VR-Konzept zur Unterstützung der Integration von Flüchtlingen. Mit der Studie in Hilden testen sie Wirksamkeit dieser neuen Lernmethode nun an 100 Flüchtlingen. Zwei Tage haben sie dafür eingeplant.
„Wir beschäftigen uns ohnehin mit Virtual Reality“, erklärt VHS-Leiter Martin Kurth. Er selbst ist großer Fan dieser Technologie und war sofort Feuer und Flamme, als die Hochschule Fresenius zu einem Infotag eingeladen hatte. Danach war klar, dass die Volkshochschule Hilden/Haan an der Studie teilnehmen wird.
„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir Virtual Reality in allen Fachbereichen einsetzen können, sofern die Studie denn zu dem Ergebnis kommt, dass es sinnvoll wäre“, sagt Kurth. Die VHS-Kursteilnehmer könnten beispielsweise das Guggenheim-Museum besuchen oder in verschiedene Epochen reisen – dafür müssten sie nur die Brillen aufsetzen. Natürlich müsste es zudem ein entsprechendes digitales Angebot auf dem Markt geben.
Im September liegen die Ergebnisse der landesweiten Studie vor, erklärt Jana Kierdorf von der Hochschule Fresenius. „Das System ist ausgereift. Es müssen nur noch verschiedene Szenarien entwickelt werden“, sagt sie. Danach wäre die in Hilden getestete Software bundesweit einsetzbar. „Vielleicht schon Ende des Jahres“, erklärt sie. Das komme aber auch auf die Akzeptanz bei den anderen Bildungseinrichtungen und auf die finanzielle Förderung des Programms an.