Österreich, du hast es besser
Der Bundespräsident in Wien ist stark, der Bundespräsident in Berlin schwach.
Als Urlaubsziel ist Österreich beliebt wie eh und je. Ein vergleichender Blick auf das charmante, uns nah verwandte Land und seine politische Verfassung an der Staatsspitze: Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde direkt von seinen Landsleuten gewählt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hingegen bezieht seine Legitimation von parteiisch kungelnden Vorauswahl-Runden und einem Gebilde namens Bundesversammlung. Dadurch entsteht eine von der Verfassung leider gewollte Selbstverzwergung, welcher Steinmeier blässlich Ausdruck verleiht. Er macht wenig aus dem höchsten Staatsamt; macht er es
nicht gar entbehrlich? Man rechnet eher mit der Fertigstellung des Berliner Flughafens als mit einer inspirierenden Rede Steinmeiers oder einem originellen Gedanken zu den großen Fragen der Zeit.
Österreichs Nummer eins ist vom
Typ her jemand, dem man, wie es der Volksmund sarkastisch sagt, beim Gehen die Schuhe besohlen könnte. Aber aus der Direktwahl bezieht der grüne Professor eine starke Legitimation, auf seine großväterlich bedächtige Art das aktuelle politische Geschehen in Wien zu prägen und sich in der Bevölkerung großen Respekt zu verschaffen. Wenn Van der Bellen agiert und spricht, hören Politik und Bürger zu; beim Bundesversammlungsgeschöpf Steinmeier braucht es dagegen für die gleiche Zuhörbereitschaft schon Engelsgeduld oder ein Übermaß an Verfassungspatriotismus.
Über die Direktwahl des deutschen Staatsoberhauptes wurde oft diskutiert. Johannes Rau, einer von Steinmeiers Vorgängern, empfahl sie, bei gleichzeitiger Amtszeitbegrenzung auf sieben Jahre. Wetten, dass daraus nichts wird? Biblisch formuliert: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass in Berlin alte Zöpfe abgeschnitten werden.