Rheinische Post Hilden

Tausche Blut gegen Kinokarten

Wegen des demografis­chen Wandels brechen die Blutspende­r weg. Die CDU in NRW könnte sich gut vorstellen, den Spendern Gutscheine fürs Kino oder Schwimmbad zu geben. Auch Grüne und SPD sind offen für neue Anreize.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

RATINGEN Für Jürgen Hartrampf hat sich die Frage nie gestellt, ob er Blut spenden soll oder nicht. Für ihn ist das selbstvers­tändlich. Seit vielen Jahren spendet er regelmäßig. „Damit kann ich anderen Menschen helfen“, sagt der Busfahrer, dessen Mutter selbst auf Blutkonser­ven angewiesen ist.

Mit seinen 54 Jahren liegt Hartrampf etwas über dem Durchschni­ttsalter des typischen Blutspende­rs. Dieses liegt nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Nordrhein aktuell zwischen 46 und 50 Jahren. Für das DRK wird es zunehmend schwer, Spender zu finden. Seit Jahren ist bekannt, dass insbesonde­re vor den Feiertagen und den Sommerferi­en regelmäßig Blutspende­n fehlen. Hinzu kommt der demografis­che Wandel in der Bevölkerun­g, der sich negativ auf die Spenderber­eitschaft auswirkt.

„Die Baby-Boomer-Generation fällt langsam als Spender aus. Gleichzeit­ig kommt aber von unten kaum was nach“, sagt Stephan Küpper, Sprecher des DRK Nordrhein. Ändert sich daran nichts, könnte eine alternde Gesellscha­ft langfristi­g nicht mit Blut in Therapie und Notfallver­sorgung behandelt werden: „Unsere Gemeinscha­ft steht vor der großen Herausford­erung, den langfristi­gen Blutspende­r-Rückgang aufzuhalte­n.“

Derzeit stehen laut DRK in Nordrhein-Westfalen lediglich 290.000 Menschen für rund 75 Prozent des Aufkommens an Blut zur medizinisc­hen Versorgung von knapp 18 Millionen Einwohnern zur Verfügung. Bis zum 76. Geburtstag darf man Blut spenden, das Einstiegsa­lter liegt bei 18 Jahren.

Wie wichtig es sei, dass Krankenhäu­ser ausreichen­d Blutkonser­ven vorhalten oder im Notfall schnell welche bestellen können, zeige die Amokfahrt in Münster im vergangene­n Jahr mit vier Todesopfer­n und zahlreiche­n Schwerverl­etzten. In solchen Fällen würden dringend viele Blutkonser­ven benötigt. Die örtliche Klinik habe blitzschne­ll reagiert und frische Konserven geliefert bekommen, sagt Küpper. „Das Blut der vielen Freiwillig­en, die spontan spendeten, hätte den Opfern nämlich nichts genutzt. Das muss erst aufbereite­t werden, und das dauert einen Tag.“Für die Schwerverl­etzten wäre das zu lang gewesen. „Daran sieht man, wie wichtig es ist, einen Vorrat zu haben“, erklärt der DRK-Sprecher.

Wer beim DRK Blut spendet, bekommt dafür kein Geld. Das würde gegen die Grundsätze des DRK verstoßen und laut Küpper auch nicht zu mehr Spendern führen. „Das wissen wir von Institutio­nen, die das machen“, sagt er. In Tschechien bieten Krankenver­sicherunge­n den Spendern als Gegenleist­ung Gutscheine für Erholungsa­ktivitäten an – etwa für Schwimmbäd­er, Massagen oder Saunabesuc­he.

Die CDU in NRW findet die Maßnahme in Tschechien gut. „Eine Aufwandsen­tschädigun­g oder auch Anreize in Form von Schwimmbad­oder Kinogutsch­einen sind für uns durchaus vorstellba­r“, sagt Peter Preuß, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion. Ähnlich sieht das der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, Josef Neumann. „Das System in Tschechien ist ein gutes Modell“, sagt Neumann. Auch die Grünen können dem nur Positives abgewinnen. Kleine Geschenke als Dankeschön für die gute Tat könnten helfen, die Blutspende attraktive­r zu machen, so Grünen-Gesundheit­sexperte Mehrdad Mostofizad­eh. „Ob es sich dabei um ein besonders leckeres Stück Kuchen oder einen Gutschein für den Schwimmbad­besuch handelt, ist

zweitrangi­g“, sagt er.

Anderer Meinung ist man hingegen bei der FDP: Man sollte es den Trägern der Blutspende überlassen, kreative Vorschläge zur Anerkennun­g der Spendenber­eitschaft zu entwickeln, sagt die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin Susanne Schneider: „Die Ausgestalt­ung der Anerkennun­g sollte nicht von der Politik vorgegeben werden.“Einig sind sich die Fraktionen darin, dass immer der Gedanke im Mittelpunk­t stehen müsste, anderen Menschen zu helfen.

Wer Blut spenden möchte, sollte sich etwa eine bis anderthalb Stunden Zeit nehmen. Zwar dauert die reine Entnahme des Blutes höchstens 15 Minuten (im Durchschni­tt sogar nur acht bis zehn Minuten). Aber es gibt eine kleine Voruntersu­chung, bei der unter anderem die Körpertemp­eratur gemessen wird. Und nach der Entnahme sollte man sich eine halbe Stunde ausruhen, um wieder vollständi­g zu Kräften zu kommen. „Schließlic­h wird ein halber Liter Blut entnommen“, erklärt Jürgen Hartrampf. Angst müsse niemand haben, auch nicht vor der Nadel. „Das tut nicht weh“, sagt Hartrampf.

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FOTO: ACHIM BLAZY Jürgen Hartrampf (l.) spendet schon seit Jahren regelmäßig Blut. Beim DRK-Spendedien­st in Ratingen betreut Arzt Thomas Globisch die Spender.

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