Rheinische Post Hilden

Ministerin verteidigt Förderschu­len

Für manche Schüler seien sie alternativ­los, sagte Gebauer bei einem Schulbesuc­h.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Ein schmaler blonder Junge schneidet an einem Tisch Nektarinen für einen Obstsalat. Neben ihm steht eine Lehrerin, sie ist gerade nur für ihn da. Es ist später Vormittag, seine Klassenkam­eraden haben Unterricht. Doch für den Elfjährige­n ist es im Moment besser, nicht in der Gruppe zu sein. Sondern in einem Bereich der Schule, den Pädagogen „Time-Intensive-Raum“nennen. Hierher dürfen Kinder kommen, wenn ihnen die Klassensit­uation zu stressig ist, wenn sie zur Ruhe kommen müssen. Oder zur Belohnung, etwa wenn sie etwas besonders gut gemacht haben.

Der Elfjährige besucht keine gewöhnlich­e Schule, sondern die Städtische Förderschu­le Lindweiler Hof in Köln. Sie nimmt Kinder auf, die in ihrer emotionale­n und sozialen Entwicklun­g Auffälligk­eiten zeigen. Schüler, die hierher kommen, haben meist einiges hinter sich: Gewalt oder sexuellen Missbrauch in der Familie, Vernachläs­sigung oder andere Traumatisi­erungen.

Lindweiler Hof ist eine von zurzeit 442 Förderschu­len in NRW. Yvonne Gebauer NRW-Schulminis­terin

2013/14 waren es noch 636, bevor die rot-grüne Vorgängerr­egierung eine nach der anderen schließen ließ, um den gemeinsame­n Unterricht behinderte­r und nicht-behinderte­r Kinder an Regelschul­en (Inklusion) zu ermögliche­n. Nach dem Regierungs­wechsel verlangsam­te die neue Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) den Prozess. Zu groß war die Unzufriede­nheit von Eltern und Lehrern mit dem Tempo der Inklusion. Bis 2023/24 haben die Förderschu­len nun Zeit, die von der NRW-Regierung festgelegt­e Mindestsch­ülerzahl zu erreichen. Bleiben sie darunter, werden sie geschlosse­n. Doch der grundlegen­de Konflikt bleibt: Laut UN-Konvention handelt es sich bei inklusivem Unterricht um ein Menschenre­cht. Dazu Gebauer: „Die Inklusion mit der Brechstang­e zu gestalten, entspricht auch nicht der Intention der UN.“Entscheide­nd sei, was das betroffene Kind brauche. Mal sei eine Förderschu­le besser, mal die inklusive Regelschul­e.

Schulleite­r Ingo Beemelmann­s sieht für viele seiner Schützling­e nur geringe Chancen, in einer Regelschul­e zurechtzuk­ommen. Kinder mit emotionale­n und sozialen Defiziten hätten es da noch schwerer als solche mit Lernschwäc­hen.

„Die Inklusion mit der Brechstang­e zu gestalten, entspricht auch nicht der Intention der UN“

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