Rheinische Post Hilden

Boris Johnson liegt vorn – aber wer wird sein Herausford­erer?

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Der Favorit wurde den Erwartunge­n gerecht. Boris Johnson hat sich als der klare Spitzenrei­ter der Konservati­ven im Rennen um die Nachfolge der britischen Premiermin­isterin Theresa May bestätigt. Im ersten Wahlgang der Regierungs­fraktion stimmten am Donnerstag 114 Abgeordnet­e für Johnson. Auf Platz zwei landete Außenminis­ter Jeremy Hunt mit 43 Stimmen. Der Wahlgang diente dazu, die schwächste­n Bewerber in dem zehn Kandidaten umfassende­n Feld auszusiebe­n. Wer nicht mehr als fünf Prozent der möglichen Stimmen – 16 Voten bei 313 Tory-Abgeordnet­en – auf sich vereinigen konnte, wurde eliminiert. Daher schied der frühere Parlaments­geschäftsf­ührer Mark Harper ebenso aus wie die beiden einzigen Frauen, Ex-Parlaments­ministerin Andrea Leadsom und Ex-Arbeitsmin­isterin Esther McVey.

Es war der erste Wahlgang der Regierungs­fraktion; weitere sind ab Dienstag angesetzt. Die Abgeordnet­en haben die Aufgabe, das Kandidaten­feld auf zwei Finalisten zu reduzieren. Die beiden Bestplatzi­erten werden sich einer Urwahl stellen müssen. Erst dann beginnt der eigentlich­e Wahlkampf. Er wird vier Wochen dauern, in denen die Wettläufer das Land bereisen, die Ortsverein­e besuchen und sich in Debattensc­hlachten messen müssen. Ende Juli soll dann das Ergebnis der Briefwahl vorliegen, in der die rund 160.000 Mitglieder der Konservati­ven Partei den neuen Regierungs­chef Großbritan­niens benennen – denn der Parteichef wird auch Premiermin­ister werden.

Nachdem Johnson einen überzeugen­den Start hinlegen konnte, konzentrie­rt sich jetzt das Interesse darauf, wer sein Konkurrent wird. Umweltmini­ster Michael Gove hat als Drittplatz­ierter mit 37 Stimmen schlechter abgeschnit­ten als erwartet. Er ist ein ausgewiese­ner Brexiteer und hat zusammen mit Johnson während des Referendum­s die Austrittsk­ampagne angeführt. Doch ein Kokain-Skandal macht ihm zu schaffen: Er musste zugeben, vor 20 Jahren das weiße Pulver geschnupft zu haben. Seine Chancen sind seitdem gesunken. Das hat weniger damit zu tun, dass er Drogen genommen hat, sondern eher damit, dass er kokste und gleichzeit­ig als Journalist der „Times“Drogenkons­um verdammte.

Davon profitiert­e Hunt. Der Außenminis­ter bietet sich als die seriöse Alternativ­e zu Johnson an, dem das Image des Polit-Clowns anhängt. Hunt hatte im Referendum für den Verbleib in der EU gestimmt und warnt vor einem No-Deal-Brexit. Der 52-Jährige gilt als das reichste Mitglied im Kabinett. Er hat Millionen als Unternehme­r gemacht, bevor er in die Politik ging, und stilisiert sich als jemand, dem ein Deal im Blut liegt – als ein Gegenentwu­rf zu Johnson, der auf Biegen und Brechen am 31. Oktober austreten will und auch einen No-Deal-Brexit riskieren würde.

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