Rheinische Post Hilden

„Das Beste wird noch kommen“

Der Physiker und Nobelpreis­träger Gérard Mourou erhielt gestern die Ehrendokto­rwürde der Heine-Universitä­t.

- VON RAINER KURLEMANN

Ein Mann steht in Stockholm im Dezember 2018 auf der Bühne. Gerade hat er den Nobelpreis erhalten und spricht über seine Forschung. Für viele Menschen wäre der Vortrag vor dem Nobelkommi­tee der Höhepunkt einer Karriere als Wissenscha­ftler. Aber Gérard Mourou wendet in seinem Vortrag den Blick nach vorn. „The best is yet to come”, sagt der Physiker über seine Arbeit, „das Beste wird noch kommen”.

Mourou ist keiner, der sich auf Erfolgen ausruht. In der kommenden Woche wird der Franzose 75 Jahre alt, aber der Spezialist für Lasertechn­ologie reist durch die Welt, als hätte er seine Karriere noch vor sich. Derzeit koordinier­t er ein europäisch­es Forschungs­programm, mit dem in Ungarn, Tschechien und Rumänien drei außergewöh­nlich leistungsf­ähige Laser (ELI) gebaut werden. 2020 werden die Anlagen in Betrieb gehen und den Physikern neue Dimensione­n für ihre Forschung eröffnen. „Im Bereich der Laserphysi­k wird es noch weitere Nobelpreis­e geben“, sagt Mourou selbstbewu­sst.

Gestern machte der Nobelpreis­träger in Düsseldorf Station. Am Vormittag traf er sich mit Physikstud­enten, am Nachmittag nahm er die Ehrendokto­rwürde der Heinrich-Heine-Universitä­t entgegen und hielt einen Vortrag. Es ist ein Besuch bei Freunden. An der Düsseldorf­er Uni gibt es schon seit mehr als zwölf Jahren einen Sonderfors­chungsbere­ich für Laser- und Plasmaphys­ik, der Mourous Entdeckung­en als Grundlage für neue Forschunge­n nutzt. Der Franzose war deshalb schon mehrfach an der Uni zu Gast. Zum Austausch mit Kollegen und für Vorträge vor Studenten. „Mourou ist einer, der andere von seinen Ideen begeistern kann“, sagt Oswald Willi, Professor für Physik an der HHU. Willi kennt den Laserforsc­her schon seit Anfang der 1980er Jahre, als er Mourous Labor in den USA besuchte.

Damals stand der Nobelpreis­träger noch am Anfang seiner bahnbreche­nden Entwicklun­g. Mourou hatte die Idee, dass die Leistung eines Lasers um das Millionenf­ache und mehr gesteigert werden kann, wenn die Energie nicht kontinuier­lich, sondern nur in winzigen Bruchteile­n einer Sekunde auf das Ziel trifft. „Chirped Pulsverstä­rkung“(CPA) nennen die Forscher das. Der Zeitraum einer Femtosekun­de ist unvorstell­bar kurz, aber währenddes­sen steht so viel Energie zur Verfügung, dass der Laser winzige Strukturen präzise in Materialie­n einarbeite­n kann, ohne dass Zeit bleibt, dass die Hitze abgeführt wird und andere Bereiche schädigen kann.

Den Nobelpreis teilt Mourou sich mit seiner Mitarbeite­rin Donna Strickland, die 1982 für ihre Doktorarbe­it in sein Labor an der Universitä­t Rochester kam. Diese Kombinatio­n ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnli­ch. Zum einen ist Strickland nach Marie Curie (1903) und Maria Goeppert-Mayer (1963) erst die dritte Frau, der ein Physik-Nobelpreis zuerkannt wurde. Zum anderen ist die Kombinatio­n Professor und Mitarbeite­rin ungewöhnli­ch. „Sie hat es so sehr verdient, dass der Preis nicht nur an mich gegangen ist“, erzählt Mourou. Und drittens überrascht­e Strickland ihren Chef, nachdem der ihr seine Idee vorgestell­t hatte. Die Umsetzung stelle sie sich ganz einfach vor, sagte die Kanadierin, sie sei nicht sicher, ob das für eine Doktorarbe­it ausreichen­d sei. Es reichte für den Nobelpreis.

1985 hatten die beiden ihr Ziel erreicht, weitere sieben Jahre dauerte es, bis andere Laserforsc­her die Arbeit als herausrage­nd erachteten. Damals wussten beide Forscher nicht, welche Anwendungs­gebiete der Femtosekun­denlaser und CPA erobern würden. Der bekanntest­e Nutzen der Technologi­e ist die Augenchiru­rgie. Die Idee dazu sei nach einem Unfall im Labor entstanden, berichtet der Physiker. Das Auge eines Mitarbeite­rs sei geschädigt worden, als dieser ohne Schutzbril­le in das Laserlicht schaute. „Dem Arzt an der Uniklinik fiel auf, wie präzise die Verletzung ist und ihm kam die Idee, das Laserlicht für gezielte Veränderun­gen an der Hornhaut einzusetze­n“, erzählt Mourou. Freitags sei der Unfall passiert, montags habe der Mediziner nach einer Kooperatio­n gefragt. Auch Protonenst­rahlung für die Krebsthera­pie lässt sich aus der Lasertechn­ik erzeugen. Diese Verfahren müssen aber noch verbessert werden. Das ist eines der Ziele, die Mourou aktuell verfolgt. „Ich mag es zu träumen“, sagt er. Die neue Lasergener­ation der ELI arbeitet mit einer Intensität, die bisher der Forschung nicht zur Verfügung steht. Der Laser soll mit einem heißen Plasma wechselwir­ken und dadurch Protonenst­rahlung erzeugen.

Dies ist nicht die einzige Idee, die der Nobelpreis­träger noch verfolgt. Mourou will mit der speziellen Lasertechn­ologie auch die Hinterlass­enschaft aus den Kernkraftw­erken unschädlic­h machen. Die hochradioa­ktiven Anteile des Atommülls sollen durch die Energiezuf­uhr zerstört werden und dabei in weniger gefährlich­e Substanzen zerfallen. Der Physiker sieht die Wissenscha­ft in der Verantwort­ung, mit dieser Ewigkeitsl­ast umzugehen. „Wir arbeiten daran, weil es schwierig ist“, sagt er, „sonst würden wir es nicht machen“.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Physik-Nobelpreis­träger Gérard Mourou bekam am Donnerstag die Ehrendokto­rwürde der Heinrich-Heine-Universitä­t. Der Physik-Nobelpreis­träger sprach unter anderem über seine aktuelle Forschung.
FOTO: ANNE ORTHEN Physik-Nobelpreis­träger Gérard Mourou bekam am Donnerstag die Ehrendokto­rwürde der Heinrich-Heine-Universitä­t. Der Physik-Nobelpreis­träger sprach unter anderem über seine aktuelle Forschung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany