Rheinische Post Hilden

Küken: Das müssen Verbrauche­r wissen

Verfahren zur Geschlecht­sbestimmun­g im Brut-Ei gibt es bereits. Sie würden das Töten der männlichen Küken entbehrlic­h machen. Das Problem: Die Verfahren sind noch nicht serienreif. Solche Eier werden aber schon verkauft.

- VON HANNAH FLORIAN UND ADRIAN TERHORST

DÜSSELDORF Jedes Jahr werden nach Angaben des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums in Deutschlan­d etwa 45 Millionen männliche Hühnerküke­n kurz nach dem Schlüpfen getötet. Wie das Bundesverw­altungsger­icht am Donnerstag entschied, bleibt das Küken-Schreddern beziehungs­weise -Vergasen vorerst rechtmäßig. Zumindest solange, bis alternativ­e Verfahren zur Geschlecht­ertrennung im Brutei serienreif sind. Ein Überblick über Verfahren zur Geschlecht­serkennung, wie sie funktionie­ren und was mit den getöteten Eiern passiert.

Gibt es Alternativ­en zum Küken-Schreddern?

Um das Küken-Schreddern zu beenden, fördert das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um unter anderem Verfahren zur Geschlecht­sbestimmun­g im Brutei. Damit kann vor dem Schlüpfen des Kükens festgestel­lt werden, ob aus dem Ei ein weibliches oder männliches Huhn schlüpfen würde. Wäre es ein weibliches, würde es ausgebrüte­t. Wäre es ein männliches, würde auf das Ausbrüten der Hähne verzichtet.

Zwei Verfahren werden vom Bundesland­wirtschaft­sministeri­um gefördert, das endokrinol­ogische und das spektrosko­pische. Beim endokrinol­ogischen, also hormonelle­n Verfahren werden die Eier etwa neun Tage lang bebrütet. Dann wird von jedem Ei etwas Flüssigkei­t gewonnen, ohne dass das Ei-Innere berührt wird. Anhand dieser

Proben lässt sich das Geschlecht mit einem biotechnol­ogischen Nachweisve­rfahren bestimmen. Weibliche Küken werden dann ausgebrüte­t, männliche nicht. Beim spektrosko­pischen Verfahren wird das Geschlecht schon früher bestimmt. Hier werden die Eier nach Angaben des Ministeriu­ms etwa vier Tage lang bebrütet. Dann wird ein spezieller Lichtstrah­l in das Ei-Innere geschickt. Das Geschlecht wird durch eine Analyse des reflektier­ten Lichts bestimmt. Nach insgesamt 21 Tagen Bebrütung schlüpfen die kleinen

Legehennen.

Von der Geschlecht­sbestimmun­g bekommen die sich entwickeln­den Küken laut Ministeriu­m nichts mit.

Werden solche Eier bereits verkauft?

Seit November 2018 sind nach Angaben des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums regional bereits erste Eier erhältlich, die mit Hilfe der Geschlecht­sbestimmun­g im Brut-Ei ohne Kükentöten gelegt wurden. Noch seien die Verfahren aber nicht serienreif, heißt es. Im Großraum Berlin werden in rund 380 Rewe- und Penny-Filialen schon Eier mit dem

Logo „Respeggt“ angeboten, bei denen nach dem endokrinol­ogischen Verfahren das Geschlecht bestimmt wurde. Laut Rewe arbeite das Unternehme­n Seleggt intensiv daran, diese Eier bis Ende 2019 in allen Märkten bundesweit anzubieten.

Vom niedersäch­sischen Unternehme­n Agri Advanced Technologi­es stammt der Prototyp zur volltautom­atisierten spektrosko­pischen Geschlecht­sbestimmun­g im Ei. Nach dessen Angaben wird dieser jedoch noch unter Praxisbedi­ngungen getestet. Die Genauigkei­t der Messung müsse derzeit noch optimiert werden, weshalb zurzeit noch kein konkretes Einführung­sdatum genannt werden könne, erklärt das Unternehme­n..

Wer das Kükentöten nicht unterstütz­en will, kann Eier von Initiative­n kaufen, die die sogenannte­n Bruderhähn­e aufziehen. Die Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen stellte bei einem Marktcheck im April fest, dass in sechs von elf Lebensmitt­elmärkten Eier „ohne Kükentöten“im Sortiment waren. Sie kosteten pro Ei zwischen drei und 28 Cent mehr als herkömmlic­he Eier. Bei der Bio-Supermarkt­kette Alnatura gibt es seit drei Jahren Eier von der „Bruderküke­n-Initiative“. Sie kosten in der Zehner-Packung vier, in der Sechser-Schachtel fünf Cent mehr. Mit dem Geld werden Futter, Platz und Betreuung für die Aufzucht der Bruderküke­n finanziert. Die männlichen Küken werden zu Suppenflei­sch oder für Fleisch in Babygläsch­en verarbeite­t. Die „Bruderhahn-Initiative“fördert seit sieben Jahren die Aufzucht männlicher Küken. Mehr als 30 landwirtsc­haftliche Betriebe nehmen an der Initiative teil. Ein Bruderhahn-Ei kostet vier Cent mehr als üblich.

Was passiert mit den getöteten Küken?

Ein Großteil der Tiere wird zum Beispiel tiefgefror­en und ungeschred­dert an Zoos geliefert. Die meisten Tierparks kaufen Eintagskük­en über Händler als Futter für ihre Raubvögel oder Reptilien. Teilweise ersetzen sie auch Mäuse oder Ratten als Futter. Zudem werden in Reptilienh­andlungen oder Heimtiermä­rkten üblicherwe­ise Eintagskük­en verkauft. Viele Tierhalter kaufen die Küken zum Beispiel für ihre Katzen. Auch beim sogenannte­n Barfen sind die Küken oft ein Bestandtei­l. Barfen ist eine Methode, bei der Haustiere von ihren Haltern ausschließ­lich mit rohem Fleisch ernährt werden. (mit dpa)

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