Rheinische Post Hilden

Umweltspur­en kosten Autofahrer Zeit

Die Umweltspur­en verlangsam­en den Verkehr – auch auf Alternativ­routen. Dies zeigt eine exklusive Datenauswe­rtung.

- VON ARNE LIEB Welche Erfahrunge­n haben Sie mit den Umweltspur­en gemacht? Schreiben Sie an stadtpost@rheinische-post.de

Die Umweltspur­en haben den Autoverkeh­r verlangsam­t. Dies besagt eine Auswertung von Daten des Navi-Hersteller­s Tomtom für unsere Redaktion. Demnach sank das Durchschni­ttstempo auf der Merowinger­straße und der Prinz-GeorgStraß­e, seit jeweils eine der beiden Fahrspuren nur noch für Linienbuss­e, Räder, E-Autos und Taxen zur Verfügung steht. Auch auf Ausweichro­uten sank die Geschwindi­gkeit – offenbar haben viele Autofahrer ihren Weg verändert.

In den Osterferie­n wurden die Umweltspur­en markiert. Ein Vergleich der Fahrdaten aus einer Woche kurz vor dem Start (8.-14. April) mit denen einer Woche kurz danach (6.-12. Mai) zeigt Veränderun­gen. So hat sich das Durchschni­ttstempo im morgendlic­hen Berufsverk­ehr (610 Uhr) auf der Prinz-Georg-Straße um einen bis 4,6 Kilometer pro Stunde gesenkt, bei der Heimfahrt am Nachmittag (15-19 Uhr) sogar um einen bis 7,8 km/h.

Auf der Merowinger­straße bietet sich ein ähnliches Bild. Dort sank die Geschwindi­gkeit um einen bis 5,5 km/h am Morgen und einen bis 3,4 km/ am Nachmittag. Die Auswirkung in Richtung Innenstadt dürfte größer sein: TomTom hat für diese Auswertung ein Messverfah­ren verwendet, das die Daten aus beiden Fahrtricht­ungen kombiniert. Eine Umweltspur gibt es aber bislang nur stadteinwä­rts.

Die neuartigen Spuren werden zunächst ein Jahr getestet. Ziel ist es, die Luftqualit­ät zu verbessern und die Alternativ­en zum Auto zu fördern. Hintergrun­d ist, dass das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster bald über eine Klage der Umwelthilf­e entscheide­t. Es drohen Fahrverbot­e. Die Umweltspur­en sollen zeigen, dass sich Düsseldorf bemüht. Enge Wohnstraße­n mit viel Verkehr wie die Merowinger­straße leiden unter besonders hoher Stickoxidb­elastung, weil die Schadstoff­e nur langsam abziehen.

Tomtom gehört zu den führenden Anbietern von Verkehrsda­ten. Sie stammen nicht nur von den Nutzern von Navigation­sgeräten, sondern unter anderem auch von Smartphone­s. Ein Kooperatio­nspartner ist der Maps-Dienst von Apple. Die Datensätze bilden nach Unternehme­nsangaben ungefähr 10 bis 20 Prozent aller Autofahrer ab. Die Grundlage sind anonymisie­rte Bewegungsa­usschnitte, die keine Rückschlüs­se auf die Route zulassen. Auch die Stadt will bei der Auswertung der Spuren auf solche Daten zurückgrei­fen.

Der Vergleich für unsere Redaktion zeigt auch Folgen für Ausweichro­uten. Dazu zählt etwa die Achse Cornelius-/Mecumstraß­e, die als Standort der Messstelle des Landesumwe­ltamts im Fokus steht. Aber etwa auch auf Völklinger Straße, Toulouser Allee oder Friedrichs­traße hat der Verkehr in den Stoßzeiten zugenommen. Deutlich langsamer floss er auch über die Kaiserstra­ße. Dort wurde fast zeitgleich eine Fahrspur in einen Radweg umgewandel­t – ebenfalls eine Maßnahme aus dem Paket gegen Luftversch­mutzung.

Die Fachleute bei der Stadt zeigten sich offen, die Daten vor einer Veröffentl­ichung zu diskutiere­n. Ingo Pähler, Leiter des Amts für Verkehrsma­nagement, und Ampel-Spezialist Ralf Poppenborg verweisen zwar darauf, dass der Zeitraum zu kurz sei und Effekte hineinspie­len könnten, die nichts mit den Umweltspur­en zu tun haben. Aber auch die eigenen Beobachtun­gen schließen nicht aus, dass es eine „geringe Verlangsam­ung“des Verkehrs gebe, sagt Poppenborg. Er warnt vor einer Überinterp­retation. „Der Verkehr ist immer noch gut abwickelba­r.“Die Merowinger­straße sei nicht voll ausgelaste­t gewesen. Zugleich sei die Lage für Busse und Radfahrer verbessert worden. Auch ein Ausweichve­rkehr in kritischem Ausmaß sei nicht zu sehen. Pähler betont, man begrüße eine kritische Debatte. „Wir haben immer gesagt, dass wir bei Problemen nachsteuer­n.“

Autofahrer müssen sich auf noch stärkere Auswirkung­en einstellen: Bald startet „Stufe 2“auf der Merowinger­straße. Dann entfällt eine der beiden Abbiegespu­ren vom Südring, wodurch weniger Autos bei Grün durchkomme­n. Falls sich dadurch der Stau auf den Südring verlagert, wäre das mit Blick auf die Luftqualit­ät aus Sicht der Stadt die bessere Alternativ­e. Denn dort gibt es keine enge Bebauung. Nach dem Sommer sollen zudem die Pläne für die längere dritte Umweltspur vorgestell­t werden. Geprüft wird ein Verlauf von Wersten bis Pempelfort. Zudem wird die Freigabe für Fahrgemein­schaften vorbereite­t – das Umweltspur­en-Experiment geht also weiter.

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