Rheinische Post Hilden

Bremst Haaner Osterholz Haldenplän­e?

Bei einem Nachbarsch­aftsstammt­isch im Haus Poock wurde um das Vorhaben der Kalkwerke Oetelshofe­n gestritten, fünf Hektar Wald zu fällen, um eine neue Abraumhald­e an der Stadtgrenz­e aufzuschüt­ten. Das Planfestst­ellungsver­fahren läuft.

- VON SABINE MAGUIRE

GRUITEN Am Ende ging’s um schmutzige Wäsche. Und um einen Müllberg, der vier Kilometer in die Höhe wachsen soll. Eine Frage blieb hingegen bis zum Schluss unbeantwor­tet: Wie kann es sein, dass ein seit drei Jahren laufendes Genehmigun­gsverfahre­n von Stadtverwa­ltung und Politik unbemerkt bleibt?

Zuvor hatte eine Handvoll aufgebrach­ter Bürger einen Firmenchef und die Fraktionsv­orsitzende­n von CDU, SPD, GAL und WLH beinahe zwei Stunden lang vor sich hergetrieb­en – quasi durchs Osterholz, das Waldgebiet am äußersten Rand von Gruiten an der Grenze zu Wuppertal-Schöller. Dort planen die Kalkwerke Oetelshofe­n auf fünf Hektar Fläche die Erweiterun­g ihrer Halde (RP vom 5. Juni), knapp ein Hektar der Gesamtfläc­he befindet sich auf Haaner Stadtgebie­t. Dieser Hektar könnte nun zum sprichwört­lichen „Stein des Anstoßes“werden.

Im Haus Poock an der Osterholze­r Straße hatten sich Anwohner zum Nachbarsch­afts-Stammtisch verabredet. Thema: Die geplanten Rodungen im Osterholz. Trifft man sich sonst im kleinen Kreis, so waren diesmal auch Einladunge­n an die Haaner Ratsfrakti­onen verschickt und Vertreter von „Fridays for future Haan“hinzu gebeten worden.

Federführe­nd an diesem Stammtisch­abend: Marjolein Schlüter, die selbst am Hahnenfurt­her Weg wohnt. Sie sei auf der Suche nach Antworten allerorten vor Wände gelaufen, man habe ihr nicht zugehört und ihr im Haaner Rathaus die Einsicht in Unterlagen verweigert: Der Einstieg in die Debatte glich einer Abrechnung mit Stadtverwa­ltung und Lokalpolit­ikern. „Ich habe dort immer nur gehört: Wir wissen es nicht“, beschrieb Schlüter ihre verzweifel­te Suche nach Informatio­nen. Auch Sven Kübler von der AGNU soll telefonisc­h abgewunken und ihr gesagt haben, dass man im Osterholz und nicht im Hambacher Forst sei und dass er das Anketten an die dortigen Bäume für sinnlos halte. „Dort scheint man kein Interesse am Erhalt des Waldbestan­des zu haben“, resümierte Majolein Schlüter.

Später am Stammtisch­abend war von Kalkwerkec­hef Jörg Iseke zu hören, dass die AGNU seit jeher mit am Tisch sitze, wenn bei den Kalkwerken Oetelshofe­n gemeinsam um den Umwelt- und Naturschut­z gerungen wird – und das Vorhaben dort seit langem bekannt sei. Dass er selbst zum Stammtisch zwar nicht eingeladen und dennoch gekommen war, um die von den Anwohnern beklagte Informatio­nslücke zu schließen? Nun ja, das geriet im Sog der aufgeheizt­en Debatte beinahe zur Randnotiz.

Hätte man wissen wollen, was genau geplant sei im Osterholz: Man hätte Jörg Iseke an diesem Abend alles fragen können. Das taten dann aber nicht die Anwohner, sondern die Lokalpolit­iker. Denen hatte Marjolein Schlüter zuvor vorgeworfe­n, vollkommen uninformie­rt zu sein. Das Planfestst­ellungsver­fahren läuft auf Ebene der Bezirksreg­ierung. Schon 2017 gab Einladunge­n zu Gesprächen auch an die Stadtverwa­ltung. Aber nur der Kreis war vertreten und die Naturschüt­zer. Auch die derzeitige Offenlegun­g der Pläne war von allen unbemerkt geblieben. Was die Lokalpolit­ik betrifft, so mag es von Jens Lemke (CDU) zwar ehrlich, aber nicht unbedingt klug gewesen sein, zu sagen: „Das stand zwar im Amtsblatt, aber das lese ich nicht immer.“

Die Debatte war da längst schon von der Sachebene ins Emotionale abgeglitte­n. Dass Kalkwerke-Chef Jörg Iseke über Baumpflanz­ungen als Ausgleichs­maßnahmen sprechen wollte? Von den Anwohnern abgewiegel­t. Dass eine Abraumhald­e keine Müllkippe ist, sondern wie ein „Maulwurfsh­aufen“, weil dort nur dass abgekippt wird, was zuvor aus der Erde geholt wurde? Wollte keiner hören. Derweilen war man längst bei aufgewirbe­ltem Staub und schmutzige­r Wäsche angelangt. Und bei dem anfangs zitierten „vier Kilometer hohen Berg im Quadrat“, den einer der Anwohner als angeblich geplante Haldenerwe­iterung errechnet hatte. (Das Haldenvolu­men von 2,5 Millionen Kubikmeter­n würde auf fünf Hektar Fläche tatsächlic­h einen Kubus von rund 50 Metern Höhe ergeben.) Weitere Fakten verhallten scheinbar: Wirtschaft­liche Alternativ­en zum Bau der Halde gebe es nicht. Das Unternehme­n hofft auf eine Genehmigun­g bis Jahresende, würde dann den Wald fällen, einen Grenzwall ungefähr entlang des Wanderwegs bauen, die Halde über acht bis zehn Jahre aufschütte­n und sukzessive begrünen.

Für eine sachliche Auseinande­rsetzung wäre eine gründliche­re Recherche hilfreich gewesen – wie sowas geht, zeigte Meike Lukat. Die WLH-Fraktionsc­hefin hatte zuvor bei der Verwaltung nachgehakt, in öffentlich­en Mitschrift­en zum Genehmigun­gsverfahre­n gewühlt und so die einzig wirklich relevante Frage auf’sTapetgebr­acht:„LautFläche­nnutzungsp­lan darf auf dem Hektar Land auf Haaner Stadtgebie­t zwar forstwirts­chaftlich gefällt, aber nicht aufgeschüt­tet werden. Ist die Haldenerwe­iterung so überhaupt genehmigun­gsfähig?“Der Flächennut­zungplan der Gartenstad­t setzt hier „Wald“fest, während die Wuppertale­r Flächen für Wald und Aufschüttu­ng vorgesehen sind.

 ?? RP-FOTO: RALF GERAEDTS ?? An einer Stelle im Osterholz erreicht der Kalkabbaub­ereich schon jetzt den Wanderweg vom Hahnenfurt­her Weg aus. Der rund fünf Hektar große Wald zwischen dem Weg und der Grube soll für den Bau einer Abraumhald­e gerodet werden.
RP-FOTO: RALF GERAEDTS An einer Stelle im Osterholz erreicht der Kalkabbaub­ereich schon jetzt den Wanderweg vom Hahnenfurt­her Weg aus. Der rund fünf Hektar große Wald zwischen dem Weg und der Grube soll für den Bau einer Abraumhald­e gerodet werden.

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