Rheinische Post Hilden

Immer noch kommen 500 Flüchtling­e pro Tag

Der Zuzug von Menschen aus Afrika, Syrien und dem Irak wächst, weil die Balkan-Route wieder attraktive­r wird.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND EVA QUADBECK

DÜSSELDORF Der Zuzug von Flüchtling­en nach Deutschlan­d hält unverminde­rt an, und er konzentrie­rt sich wieder verstärkt auf die Balkan-Route. Das geht aus aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration und der Bundespoli­zei hervor, die an das Bundesinne­nministeri­um geschickt wurde, und unserer Redaktion vorliegen. Dabei handelt es sich um jene Flüchtling­e, die in Erstaufnah­meeinricht­ungen registrier­t und in das „Easy“-System zur Erfassung der Asylbewerb­er aufgenomme­n wurden. Am Donnerstag waren es 485 Flüchtling­e, im Schnitt liegen die Zahlen bei derzeit 500 Flüchtling­e pro Tag. Seit Januar sind 56.000 Flüchtling­e neu registrier­t worden.

Der Großteil kommt aus Syrien, Afghanista­n, Somalia sowie weiteren afrikanisc­hen Ländern. Zwei Drittel reisen über die Balkan-Route über die Türkei nach Bulgarien ein. Hauptziel ist Deutschlan­d.

Sollte die Entwicklun­g konstant bleiben, würden im laufenden Jahr 180.000 Flüchtling­e in Deutschlan­d ankommen. Das wären etwa so viel wie 2018 und im Rahmen dessen, was Union und SPD als jährliche Obergrenze festgelegt haben. In den vergangene­n Wochen habe sich der Zuzug nach Europa im Vergleich zum Vorjahr erhöht, hieß es. Die meisten Flüchtling­e würden nach Stationen in anderen Ländern dann später nach Deutschlan­d kommen. EU-weit hatten bis Ende Mai fast 250.000 Menschen einen Asylantrag gestellt, 15 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum.

Als Grund für den Anstieg gilt etwa die politisch schwierige Lage in Ländern wie Venezuela und Kolumbien, aber auch die Wiederentd­eckung der Balkan-Route durch Schlepperb­anden. Die Landgrenze zwischen der Türkei und Bulgarien sei „die neue Lieblingsr­oute“für Flüchtling­e aus Ostafrika, hieß es.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise kamen 2015 täglich Tausende Flüchtling­e von der Türkei über den Seeweg nach Griechenla­nd und zogen dann weiter nach Deutschlan­d. Mit den Grenzschli­eßungen auf dem Balkan und dem Flüchtling­sabkommen der Türkei mit der EU, das Asylsuchen­de von der gefährlich­en Flucht über die Ägäis abhalten soll, konnten die Zahlen reduziert werden. Seither galt die Balkan-Route eigentlich als geschlosse­n.

Problemati­sch ist die sogenannte Schutzquot­e, also der Anteil der positiven Asylentsch­eidungen. Sie liegt für die Flüchtling­e, die in Deutschlan­d registrier­t werden, unterhalb von 30 Prozent. Heißt konkret: Nur jeder dritte Asylbewerb­er hat aufgrund seiner persönlich­en Situation, etwa der Flucht vor Krieg und Verfolgung, eine Chance auf eine dauerhafte Bleibe. Die übrigen Asylbewerb­er müssten zurückgefü­hrt werden, was in der Praxis aber auf erhebliche Hinderniss­e stößt. Derzeit leben in Deutschlan­d etwa 230.000 Menschen, die nach Recht und Gesetz abgeschobe­n werden müssten. Die Zahl der abgebroche­nen Abschiebun­gen, etwa weil die Identität oder das Herkunftsl­and des Asylbewerb­ers nicht festgestel­lt werden kann oder der Betroffene untergetau­cht ist, übersteigt die Zahl der Rückführun­gen.

Die Abschiebun­gen sind Ländersach­e. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) will mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“die Rückführun­gen erleichter­n und die Asylbewerb­er stärker in die Pflicht nehmen. Dagegen sperren sich einige Bundesländ­er. Das Gesetz liegt im Vermittlun­gsausschus­s.

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