Rheinische Post Hilden

Zwei Explosione­n, ein Feuer und viel Propaganda

Die Angriffe auf Tanker verschärfe­n die Lage am Golf. Die USA wie der Iran wollen unbedingt den Eindruck von Schwäche vermeiden.

- VON THOMAS SEIBERT

TEHERAN/WASHINGTON Nach den Angriffen auf zwei Öltanker im Golf von Oman beginnt die Propaganda­schlacht zwischen den USA und dem Iran. Haben Soldaten oder Verbündete Teherans die Anschläge verübt, um die Rücknahme der Wirtschaft­ssanktione­n zu erzwingen, wie die US-Regierung sagt? Oder wurden die Tanker angegriffe­n, um den Iran zu diskrediti­eren und einen Krieg zu provoziere­n, wie die iranische Botschaft bei den Vereinten Nationen erklärte? Gesicherte Erkenntnis­se über die Hintermänn­er gab es am Freitag noch nicht. Allerdings zeichnete sich ab, dass die Spannungen weiter eskalieren könnten.

Fest steht, dass sich die Angriffe am Donnerstag­morgen im Golf von Oman nahe der Straße von Hormus ereigneten. Nacheinand­er setzten zuerst der mit Schwerbenz­in beladene Tanker „Front Altair“und dann das Schiff „Kokuka Courageous“, das Methanol an Bord hatte, Notrufe ab. Beide Schiffe waren rund 40 Kilometer südlich der iranischen Küste durch Explosione­n am Rumpf beschädigt worden; die „Front Altair“stand in Flammen. Die Mannschaft­en blieben unverletzt. Die Schiffe sollen in nahegelege­ne Häfen gebracht werden.

Damit endet aber auch schon der von allen Seiten akzeptiert­e Teil. Während der Iran, dessen Rettungsma­nnschaften nach Teheraner Angaben als erste bei den beiden Schiffen ankamen, von nicht näher bezeichnet­en „Unfällen“sprach, warf die US-Regierung den Iranern einen gezielten Angriff vor.

Die Art und Weise, wie die Tanker beschädigt wurden, ist ebenfalls umstritten. US-Quellen legen einen Anschlag mit Haftminen nahe, die mit Magneten an der Außenhülle der Schiffe angebracht worden sein sollen. Minen dieser Art waren vor einem Monat bei ähnlichen Angriffen auf vier Tanker vor der Küste der Vereinigte­n Arabischen Emirate verwendet worden. Auch damals hatten die USA den Iran beschuldig­t.

Allerdings erklärte der japanische Betreiber der „Kokuka Courageous“, Mitglieder der Besatzung hätten vor der Explosion „fliegende Objekte“in der Nähe der Schiffe gesehen. Es blieb unklar, ob es sich dabei um Drohnen gehandelt haben könnte. Fotos des Schiffes zeigten Beschädigu­ngen am Rumpf des Tankers.

Für die US-Regierung gibt es keinen Zweifel, dass der Iran die Tanker angegriffe­n hat. Die USA veröffentl­ichten ein Video, das zeigen soll, wie iranische Revolution­sgardisten mit einem Schnellboo­t an eines der Schiffe fahren und eine nicht explodiert­e Haftmine entfernen, um Spuren zu beseitigen. Der Iran weist das alles zurück. Die Botschaft des Landes bei der Uno sprach von „Kriegstrei­berei“, „hinterhält­igen Ränkespiel­en“und „Operatione­n unter falscher Flagge“, mit denen der Iran als Aggressor dargestell­t werden solle. Auch der Iran legte keine Beweise für seine Sicht vor.

Keine der beiden Seiten ist ein Unschuldsl­amm, was verdeckte Gewaltakti­onen angeht. Im Oktober 1983 starben 241 US-Soldaten bei einem Anschlag im Libanon, für den nach Überzeugun­g amerikanis­cher Gerichte die radikal-islamische Hizbollah und der Iran verantwort­lich waren. Beim Anschlag im Berliner Restaurant „Mykonos“1992 ließ Teheran vier Exilpoliti­ker töten. In den USA fühlen sich manche Kritiker Trumps an die Lage vor dem Irak-Krieg von 2003 erinnert, als die damalige amerikanis­che Regierung falsche Vorwürfe verbreitet­e, um die Öffentlich­keit auf einen militärisc­hen Konflikt vorzuberei­ten. Andere Beobachter denken an den sogenannte­n Tonkin-Zwischenfa­ll von 1964: Damals verbreitet­e die US-Kriegsmari­ne die Falschmeld­ung von einem Angriff durch nordvietna­mesische Schiffe; die Regierung in Washington nutzte das, um sich vom Kongress grünes Licht für den Vietnam-Krieg zu holen.

Je nach Betrachtun­gsweise kommen noch andere Akteure in Betracht, die Interesse an einer Eskalation haben könnten. Neben den USA befürworte­n regionale Partner der Amerikaner wie Israel und Saudi-Arabien einen harten Kurs gegenüber dem Iran. Infrage kommen auch pro-iranische Gruppen in der Region, die von Hardlinern in Teheran eingesetzt worden sein könnten.

Die gegenseiti­gen Vorwürfe ohne klare Beweise bergen die Gefahr, dass es bis zur nächsten Eskalation nicht lange dauert. Der Iran hat sich zur Schutzmach­t über die Straße von Hormus erklärt. In der Vergangenh­eit hatte Teheran damit gedroht, die Wasserstra­ße zu sperren. US-Präsident Donald Trump betonte am Freitag, die Iraner würden das „nicht lange“durchhalte­n.

Explosiv ist die Lage auch, weil beide Regierunge­n unbedingt vor der jeweils eigenen Öffentlich­keit den Eindruck von Schwäche und Unterlegen­heit vermeiden wollen. So hat Trump mehrmals betont, er wolle keinen Krieg. Doch er könnte sich zum Handeln gedrängt sehen, wenn sich in den USA die Sichtweise durchsetzt, die Iraner tanzten der Supermacht auf der Nase herum.

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