Rheinische Post Hilden

Ein Krieg würde Öl und Benzin drastisch verteuern

Am Persischen Golf steht der Frieden auf dem Spiel. Ökonomen warnen deshalb vor einer wirtschaft­lichen Katastroph­e durch eine weitere Eskalation.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Ein Krieg am Golf würde auch Deutschlan­d und Europa massiv treffen: durch den zu erwartende­n drastische­n Ölpreisans­tieg, durch einen Einbruch der Weltwirtsc­haft – und direkt, weil Deutschlan­d und wichtige Partner wie Großbritan­nien oder Frankreich in eine militärisc­he Auseinande­rsetzung hineingezo­gen werden könnten.

Nicht nur Außen- und Sicherheit­spolitiker, auch Ökonomen sind entspreche­nd besorgt. „Wenn es in dieser Region zum Krieg käme, wäre das natürlich der Gau auch für die Weltwirtsc­haft“, sagt Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k. Noch gebe es aber keinen Grund zum Alarmismus, sagt Ulrich Kater, Chefvolksw­irt der Dekabank in Frankfurt. Er fügt aber hinzu: „Wenn der Konflikt tatsächlic­h eskalierte, wäre das für die Weltwirtsc­haft natürlich eine Katastroph­e. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist ein Ölpreissch­ock. Das gilt gerade auch für Deutschlan­d.“

Sofort nach Bekanntwer­den der Attacken auf die Tanker war der Ölpreis am Donnerstag um fast vier Prozent in die Höhe geschossen. Er gab am Freitagmor­gen aber wieder nach. Erwartunge­n einer Abkühlung der Weltkonjun­ktur, die die Ölnachfrag­e dämpft, und ein hohes Angebot hatten den Ölpreis in den vergangene­n Monaten fühlbar gesenkt.

Dekabank-Chefvolksw­irt Kater warnte auch deshalb vor verfrühter Aufregung. „Die Vorfälle in der Straße von Hormus reichen nicht aus, um die abstrakte Bedrohung real werden zu lassen. Die Akteure an den Märkten sind noch nicht beunruhigt, dass aus diesen Vorfällen jetzt eine Eskalation folgt.“Die deutsche Wirtschaft träfe eine mögliche, aber derzeit noch nicht absehbare extreme Eskalation zu einem „delikaten Zeitpunkt“, sagte Commerzban­k-Experte Krämer. Weltweit stehe ohnehin ein „scharfer Abschwung im verarbeite­nden Gewerbe“bevor. Auch die deutsche Industrie zeige Schwächen, die Rezessions­gefahr in der deutschen Industrie sei groß. Ein starker und dauerhafte­r Anstieg des Ölpreises würde die ohnehin schwächeln­de Industrie empfindlic­h treffen.

Krämer und andere Ökonomen haben ihre Konjunktur­prognosen vor allem für das kommende Jahr gerade schon drastisch gesenkt. Statt 1,8 Prozent Wachstum erwartet die Commerzban­k jetzt nur noch 1,3 Prozent für 2020 – und von diesen 1,3 entfallen 0,5 Punkte allein auf die Tatsache, dass 2020 weniger Feiertage anfallen als in den Vorjahren. Im laufenden Jahr kommt die deutsche Wirtschaft nach Krämers Prognose nur noch auf 0,4 Prozent Wachstum.

Ausgerechn­et vor den Sommerferi­en kann eine weitere Eskalation der Lage an der Straße von Hormus die Spritpreis­e an den Zapfsäulen merklich steigen lassen. Wenn der Ölpreis zulege, steige „über kurz oder lang meistens“auch der Produktpre­is für Benzin und Diesel – „und das kommt dann auch an der Tankstelle an“, sagt der Sprecher des Mineralölw­irtschafts­verbandes, Alexander von Gersdorff. Der Ölpreis bilde die Basis für den späteren Produktpre­is.

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