Rheinische Post Hilden

Gerry Weber ohne Gerry Weber?

Noch im Juni soll eine Zukunftslö­sung für den insolvente­n Modekonzer­n stehen.

- VON GEORG WINTERS

HALLE Am Montag wird beim Rasen-Tennisturn­ier im ostwestfäl­ischen Halle alles so sein wie immer. Fast jedenfalls. Die Fans werden dem 20-maligen Grand-Slam-Sieger Roger Federer und dem Weltrangli­sten-Fünften Alexander Zverev zujubeln. Sie werden erneut auf ein Traumfinal­e zwischen dem Schweizer und dem Deutschen hoffen, das ihnen 2018 verwehrt blieb, weil Zverev schon in der ersten Runde der Gerry Weber Open scheiterte. Das kann dem 22-Jährigen in diesem Jahr nicht passieren. Allerdings nur deshalb nicht, weil es die Gerry Weber Open nicht mehr gibt. Nach dem Insolvenza­ntrag der Modefirma im Januar hat das Unternehme­n auch das Sponsoring (etwas mehr als vier Millionen Euro pro Jahr) für das ATP-Turnier eingestell­t. Der neue Geld- und Namensgebe­r heißt Noventi und ist nach eigenen Angaben Deutschlan­ds größter Gesundheit­sdienstlei­ster.

Der quasi über Nacht erfolgte Wechsel des Sponsors ist einer der vielen Aspekte in der Gerry-Weber-Story, in der sich einige Beteiligte gegenwärti­g nicht besonders grün zu sein scheinen. Ralf Weber, der Sohn des Firmenmitg­ründers Gerhard Weber, hat öffentlich sein Bedauern geäußert, dass die Gründerfam­ilie bei allen Entscheidu­ngen außen vor ist („Die Entwicklun­gen erfahre ich momentan mehr oder weniger auch nur aus der Presse. Da gibt es gar keine Kommunikat­ion“). Aber das geht natürlich auch nicht anders, weil die Webers zwar noch der größte, aber auch nur einer von vielen Aktionären sind und der Sachwalter ihnen keine Sonderrech­te gewähren darf.

Der amtierende Vorstandsv­orsitzende Johannes Ehling hat den Webers dafür in der „Wirtschaft­swoche“ziemlich unmissvers­tändlich zu verstehen gegeben, was sie aus seiner Sicht in der Vergangenh­eit alles falsch gemacht haben. Ein Auszug: „Man hat sich strategisc­h nie mit Produktlei­stung, mit den Abverkaufs­quoten und vor allem mit der Zielgruppe beschäftig­t. Ein großer Teil der Designer wusste nicht, für wen er Mode entwirft.“Und: „Im Grunde hat Gerry Weber bis vor Kurzem seinen Großhandel­skunden Kollektion­en angeboten wie in den Achtzigerj­ahren. Es wurde soviel wie möglich auf die Fläche gekippt, und anschließe­nd fuhr man zurück nach Halle und hat sich für die guten Verkaufser­gebnisse gefeiert.“Die Gründer wiederum suchen eine Mitschuld bei Aufsichtsr­äten und Ex-Vorständen.

Komplizier­te Gemengelag­e. Ehling will gemeinsam mit dem ihm zur Seite gestellten Sachwalter Stefan Meyer und dem Insolvenze­xperten Christian Gerloff alles besser machen. Dem Vernehmen nach liegen mehrere verbindlic­he Angebote von Investoren vor, die einsteigen wollen. Ob die Webers dabei noch im Boot sind, bleibt offen. Gäben sie auf, fände Gerry Weber künftig ohne Gerry Weber statt. Das ist aber zunächst nur Spekulatio­n. Bis Ende des Monats soll eine Entscheidu­ng darüber fallen, ob es einen oder mehrere Käufer gibt, ob das Unternehme­n über einen Sanierungs­plan wieder fit gemacht werden oder ob es eine Kombinatio­n aus beidem geben soll.

146 Filialen werden bis Jahresende in drei Etappen (bis Ende September, Ende Oktober, Ende November) gestrichen; das hat Meyer jüngst in einer Gläubigerv­ersammlung gesagt. Es bleiben damit nur etwas mehr als 60 Prozent aller bisherigen Niederlass­ungen übrig, und auch die sollen künftig nur noch die Hälfte der Umsätze liefern. Ein zweistelli­ger Millionenb­etrag soll bei den Personalko­sten gespart werden; etwa 330 Vollzeitjo­bs in den Filialen und 140 in der Zentrale werden gestrichen. Die Zahl der betroffene­n Mitarbeite­r ist höher, weil es auch bei Gerry Weber viele Teilzeitkr­äfte gibt. In den Niederlass­ungen bleiben nach Angaben eines Sprechers etwa 700 Vollzeitjo­bs übrig.

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FOTO: IMAGO/HASENKOPF Der Modemeiste­r und der Maestro: Gerry Weber und Tennis-Star Roger Federer nach dessen Sieg in Halle 2008

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