Bei Kaufhof drohen hohe Gehaltsverluste
Bisheriges Verkaufspersonal könnte bald als Warenverräumer arbeiten – für ein Drittel weniger Lohn.
ESSEN/KÖLN Noch ist bei vielen Kaufhof-Beschäftigten der Ärger nach dem Ausstieg der ungeliebten kanadischen Handelsgruppe Hudson’s Bay nicht verraucht, da staut sich schon der nächste Ärger in der Belegschaft auf. Nach der Komplett-Übernahme durch den Karstadt-Eigentümer Signa deutet sich nämlich an, dass die Unternehmensführung den Mitarbeitern des bisherigen Karstadt-Konkurrenten aus Köln das Bezahlmodell überstülpen wird, das die Essener seit Jahren anwenden. Das könnte für manche langjährigen Kaufhof-Mitarbeiter deutliche Gehaltseinbußen bedeuten. Die bei manchen ohnehin begrenzte Lust, für den fusionierten Warenhauskonzern zu arbeiten, ist dadurch noch einmal geschrumpft: „Wenn die das machen, bin ich weg“, heißt es aus Kreisen der Kaufhof-Belegschaft. Das gilt zumindest für jene, die sich woanders gute Chancen auf einen neuen Job ausrechnen dürfen. Karstadt äußerte sich am Freitag auf Anfrage nicht zu dem Thema.
Die Sorge der Kaufhof-Belegschaft vor einem möglichen Gehaltsverlust ist verständlich. Denn Karstadt praktiziert seit Jahren ein Bezahlsystem mit verschiedenen Entgeltgruppen. Es gibt Personal, das für den Verkauf und an der Kasse eingesetzt werden soll, und solches, das im Tarifjargon Warenverräumer genannt wird. Das sind Menschen, die beispielsweise die Regale in den Warenhäusern bestücken. Das Problem: Die Warenverräumer verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi bekommt in NRW eine gelernte Verkäuferin ab dem sechsten Berufsjahr in der Gehaltsgruppe I 2579 Euro brutto, was einem Stundenentgelt von 15,87 Euro entspricht. Diese Zahlen gelten bisher auch bei Galeria Kaufhof: Das Unternehmen ist Mitglied ohne Tarifbindung im Handelsverband HDE. Ein Warenverräumer erhält dagegen nur 10,63 Euro brutto, was einem Monatsentgelt von 1727 Euro gleichkommt.
850 Euro brutto weniger im Monat als bisher – darauf hat niemand Lust. Aber was tun? Karstadt könnte den Beschäftigten zwar nicht einfach das Gehalt senken, sondern müsste Änderungskündigungen aussprechen (die auch dem Betriebsrat vorgelegt werden müssen), verbunden mit einem Angebot für einen neuen Arbeitsvertrag. Das kann der Arbeitnehmer dann annehmen oder ablehnen. Weigert er sich, die neuen Konditionen zu akzeptieren, wird aus der Änderungskündigung eine sogenannte Beendigungskündigung. Also droht der Jobverlust. Je nach persönlicher Situation kann sich das der eine leisten, die andere nicht.
Bei der Gewerkschaft Verdi stößt die Zwei-Klassen-Gesellschaft schon seit Anbeginn auf wenig Gegenliebe. Als „grob fahrlässig“bezeichnet Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel bei Verdi, diese Praxis. Grob fahrlässig deshalb, weil es den Kundenservice nicht gerade fördert und aus Sicht der Gewerkschaft ein Zukunftskonzept vermissen lässt. Das System funktioniert nur, wenn der Warenverräumer bereit ist, auch in die Verkäufer-Rolle zu schlüpfen und den Kunden zu bedienen, obwohl er dafür gar nicht bezahlt wird. Macht er das nicht, ist der Kunde womöglich schnell wieder weg, wenn er kein Verkaufspersonal findet, bei dem er rasch seine Frage oder Bitte loswerden kann. Das kann ein Handelsunternehmen nun gar nicht gebrauchen.
„Stephan Fanderl ist vor allem ein Kostensenker, aber nicht der Mann mit der großen Vision oder Strategie“, sagt Verdi-Vertreter Orhan Akman. Und der Gewerkschafter erneuert die Kritik an der Unternehmensführung: „Es wird immer nur gekürzt. Wir vermissen ein klares Zukunftskonzept für das Warenhaus. Das fordern wir ein.“