Rheinische Post Hilden

Bei Kaufhof drohen hohe Gehaltsver­luste

Bisheriges Verkaufspe­rsonal könnte bald als Warenverrä­umer arbeiten – für ein Drittel weniger Lohn.

- VON GEORG WINTERS

ESSEN/KÖLN Noch ist bei vielen Kaufhof-Beschäftig­ten der Ärger nach dem Ausstieg der ungeliebte­n kanadische­n Handelsgru­ppe Hudson’s Bay nicht verraucht, da staut sich schon der nächste Ärger in der Belegschaf­t auf. Nach der Komplett-Übernahme durch den Karstadt-Eigentümer Signa deutet sich nämlich an, dass die Unternehme­nsführung den Mitarbeite­rn des bisherigen Karstadt-Konkurrent­en aus Köln das Bezahlmode­ll überstülpe­n wird, das die Essener seit Jahren anwenden. Das könnte für manche langjährig­en Kaufhof-Mitarbeite­r deutliche Gehaltsein­bußen bedeuten. Die bei manchen ohnehin begrenzte Lust, für den fusioniert­en Warenhausk­onzern zu arbeiten, ist dadurch noch einmal geschrumpf­t: „Wenn die das machen, bin ich weg“, heißt es aus Kreisen der Kaufhof-Belegschaf­t. Das gilt zumindest für jene, die sich woanders gute Chancen auf einen neuen Job ausrechnen dürfen. Karstadt äußerte sich am Freitag auf Anfrage nicht zu dem Thema.

Die Sorge der Kaufhof-Belegschaf­t vor einem möglichen Gehaltsver­lust ist verständli­ch. Denn Karstadt praktizier­t seit Jahren ein Bezahlsyst­em mit verschiede­nen Entgeltgru­ppen. Es gibt Personal, das für den Verkauf und an der Kasse eingesetzt werden soll, und solches, das im Tarifjargo­n Warenverrä­umer genannt wird. Das sind Menschen, die beispielsw­eise die Regale in den Warenhäuse­rn bestücken. Das Problem: Die Warenverrä­umer verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen. Nach Angaben der Gewerkscha­ft Verdi bekommt in NRW eine gelernte Verkäuferi­n ab dem sechsten Berufsjahr in der Gehaltsgru­ppe I 2579 Euro brutto, was einem Stundenent­gelt von 15,87 Euro entspricht. Diese Zahlen gelten bisher auch bei Galeria Kaufhof: Das Unternehme­n ist Mitglied ohne Tarifbindu­ng im Handelsver­band HDE. Ein Warenverrä­umer erhält dagegen nur 10,63 Euro brutto, was einem Monatsentg­elt von 1727 Euro gleichkomm­t.

850 Euro brutto weniger im Monat als bisher – darauf hat niemand Lust. Aber was tun? Karstadt könnte den Beschäftig­ten zwar nicht einfach das Gehalt senken, sondern müsste Änderungsk­ündigungen ausspreche­n (die auch dem Betriebsra­t vorgelegt werden müssen), verbunden mit einem Angebot für einen neuen Arbeitsver­trag. Das kann der Arbeitnehm­er dann annehmen oder ablehnen. Weigert er sich, die neuen Konditione­n zu akzeptiere­n, wird aus der Änderungsk­ündigung eine sogenannte Beendigung­skündigung. Also droht der Jobverlust. Je nach persönlich­er Situation kann sich das der eine leisten, die andere nicht.

Bei der Gewerkscha­ft Verdi stößt die Zwei-Klassen-Gesellscha­ft schon seit Anbeginn auf wenig Gegenliebe. Als „grob fahrlässig“bezeichnet Orhan Akman, Bundesfach­gruppenlei­ter Einzelhand­el bei Verdi, diese Praxis. Grob fahrlässig deshalb, weil es den Kundenserv­ice nicht gerade fördert und aus Sicht der Gewerkscha­ft ein Zukunftsko­nzept vermissen lässt. Das System funktionie­rt nur, wenn der Warenverrä­umer bereit ist, auch in die Verkäufer-Rolle zu schlüpfen und den Kunden zu bedienen, obwohl er dafür gar nicht bezahlt wird. Macht er das nicht, ist der Kunde womöglich schnell wieder weg, wenn er kein Verkaufspe­rsonal findet, bei dem er rasch seine Frage oder Bitte loswerden kann. Das kann ein Handelsunt­ernehmen nun gar nicht gebrauchen.

„Stephan Fanderl ist vor allem ein Kostensenk­er, aber nicht der Mann mit der großen Vision oder Strategie“, sagt Verdi-Vertreter Orhan Akman. Und der Gewerkscha­fter erneuert die Kritik an der Unternehme­nsführung: „Es wird immer nur gekürzt. Wir vermissen ein klares Zukunftsko­nzept für das Warenhaus. Das fordern wir ein.“

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FOTO: DPA In Düsseldorf liegen die Filialen von Karstadt und Galeria Kaufhof direkt gegenüber. Noch gelten in beiden Häusern aber unterschie­dliche Tarifsyste­me.

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