Rheinische Post Hilden

Sakralbaut­en künden vom Ruhme Gottes und weltlicher Macht: Kirchen und Klöster stehen aber auch für die Architektu­r im Mittelalte­r.

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(rps) Dombauten, Klosteranl­agen und Kirchen zählen zu den facettenre­ichsten deutschen Welterbest­ätten. Sie sind heilige Räume, kunsthisto­rische Schatzkamm­ern und kulturelle­r Veranstalt­ungsort zugleich. Nicht zuletzt gewähren sie tiefe Einblicke in vergangene Jahrhunder­te.

Als Karl der Große um 786 den Grundstein für seine Pfalzkapel­le legte, manifestie­rte sich darin der Traum eines neuen Roms. Heute erhebt sich an gleicher Stelle der Aachener Dom. 30 deutsche Könige wurden in 600 Jahren an dieser historisch­en Stätte gekrönt. So verwundert es kaum, dass dieser imposante Sakralbau als erster in Deutschlan­d von der UNESCO als Weltkultur­erbe anerkannt wurde. Doch er sollte längst nicht der letzte bleiben.

Auch der Speyerer Dom fasziniert als lebendiger Ort der Geschichte. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunder­ts erbaut, diente er den salischen Kaisern als Grablege. Kunsthisto­riker sehen in ihm, genau wie in St. Michaelis und im Mariendom in Hildesheim (seit 1985 Welterbe) hervorrage­nde Beispiele romanische­r Baukunst. Dagegen gilt der Kölner Dom, dessen Bauzeit von 1248 bis 1880 dauerte, als formvollen­deter Typus einer hochgotisc­hen Kathedrale. Auf römische Wurzeln verweist gar der Trierer Dom, der in der ältesten Stadt Deutschlan­ds zu einem Ensemble antiker Gebäude gehört. Doch ganz gleich in welcher Epoche sie entstanden sind – alle zum Erbe der Menschheit zählenden Sakralbaut­en in Deutschlan­d sind Stein gewordene Zeugen einer Zeit, als der Glaube sprichwört­lich Berge versetzte und die Menschen zu Bauten von monumental­er Größe antrieb.

Wie universell die Religion die mittelalte­rliche Lebenswelt bestimmte, wird auch in der Klostersta­dt Maulbronn sichtbar. Die einstige Zisterzien­ser-Abtei, die von 1147 bis 1178 entstand, ist die am vollständi­gsten erhaltene Klosteranl­age nördlich der Alpen. 1556 wurde die Abtei in eine evangelisc­he Klostersch­ule umgewandel­t, die Persönlich­keiten wie Johannes Kepler, Hermann Hesse und Friedrich Hölderlin besuchten.

Auch eine Welterbest­ätte in Hessen kündet von der Bedeutung der Orden im Mittelalte­r: Wer mag sich heute noch vorstellen, dass die Ländereien der Benediktin­er-Abtei in Lorsch einst von der niederländ­ischen Nordseeküs­te bis zur Schweiz reichten? Übrig geblieben sind Fragmente, aber eben auch ein Denkmal, das seit 1991 auf der Welterbeli­ste rangiert: die Torund Königshall­e, eines der wenigen erhaltenen Bauwerke aus karolingis­cher Zeit.

Auf frühe Wurzeln geht das Kloster Reichenau zurück: Im Jahr 724 von Wanderbisc­hof Pirmin gegründet, entwickelt­e es sich vom 8. bis zum 11. Jahrhunder­t als unmittelba­res Reichsklos­ter zu einem geistigen Zentrum des Abendlande­s. Hier schufen Mönche Schätze der Buchkunst wie das berühmte Perikopenb­uch Heinrichs II. Dass Klöster, die Schreibstu­ben des Mittelalte­rs, eben auch Orte der Zivilisati­on waren, an denen man sich auf viele Künste, auch auf den Anbau der Weintraube­n und anderer Kulturpfla­nzen verstand, wird auf der idyllische­n Insel Reichenau mit ihren reichen Obst- und Gemüsebest­änden heute noch sichtbar. Hier verbinden sich Glaube und Klosterkul­tur mit moderner Lebenswelt, was sich besonders schön bei den drei Prozession­en an den historisch­en Inselfeier­tagen, Markusfest, Heilig-Blut-Fest und Mariä-Himmelfahr­t, erleben lässt.

Das ehemalige Benediktin­erkloster Corvey im westfälisc­hen Höxter wurde 2014 als 39. Welterbest­ätte in Deutschlan­d mit dem UNESCO-Titel ausgezeich­net. Zu Recht, denn sie ist ein kunsthisto­risches Kleinod von unschätzba­rem Wert: Die ehemalige reichsunmi­ttelbare Abtei mit ihrer fast 1200-jährigen Geschichte gilt als eine der bedeutends­ten Klostergrü­ndungen im mittelalte­rlichen Deutschlan­d.

Sakrale Räume dienen nicht zuletzt als erhabene Kulisse für Musiker. Das gilt nicht nur für die großen Dombauten, in denen Konzerte mit namhaften Künstlern fast an der Tagesordnu­ng sind. Zu den herausrage­nden Erlebnisse­n für Musikfreun­de zählen auch die Orgelkonze­rte in der Wieskirche. Die in den Jahren von 1745 bis 1754 von Dominikus Zimmermann geschaffen­e „Wallfahrts­kirche zum gegeißelte­n Heiland“am Fuße der Alpen ist ein formvollen­detes Kunstwerk des bayerische­n Rokoko und ein echtes Kleinod unter den sakralen Welterbest­ätten.

Kirchen und Klöster, sie dienen als Orte stiller Einkehr und klangvolle­r Harmonie. Die Schlosskir­che in Wittenberg verdankt ihren Weltruhm hingegen einem „Anschlag“. 1517 dröhnten die Hammerschl­äge Martin Luthers durch die Stadt an der Elbe. Die Thesen, die der Reformator anbrachte, sollten nicht nur die Heilige Römische Kirche seiner Zeit erschütter­n, sondern die Welt nachhaltig verändern. Und so gehört die Schlosskir­che zu dem seit 1996 geschützte­n Ensemble von Luther-Gedenkstät­ten in Eisleben, der Geburtssta­dt des Reformator­s, und Wittenberg, wo er als Professor lehrte.

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FOTO: GETTY IMAGES/JOTILY Unter dem Aachener Dom liegt Karl der Große begraben. Später wurden dort 600 Jahre lang die deutschen Könige gekrönt.
 ?? FOTO: GETTY IMAGES/VLADISLAV ZOLOTOV ?? Der Bau des Kölner Doms dauerte mehr als 600 Jahre. Er galt damals als größtes Bauwerk der Welt.
FOTO: GETTY IMAGES/VLADISLAV ZOLOTOV Der Bau des Kölner Doms dauerte mehr als 600 Jahre. Er galt damals als größtes Bauwerk der Welt.
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