Rheinische Post Hilden

Moderne Jobtitel verstehen

Visitenkar­ten sollten Auskunft darüber geben, wen man vor sich hat. Was aber, wenn anhand der aufgedruck­ten Berufsbeze­ichnung niemand versteht, was jemand im Unternehme­n treibt? Über den Umgang mit komplizier­ten Titeln.

- VON INGA DREYER

Ob Feelgood Manager, Chief Evangelist oder Success Consultant: Der Trend zum fantasievo­llen Jobtitel kann auf den ersten Blick kuriose Züge annehmen. Gerade im Management und im digitalen Bereich sind englische Berufsbeze­ichnungen aber längst gang und gäbe. Das ist nicht nur Marketing, sondern hat zum Teil gute Gründe. Denn neue Jobanforde­rungen erfordern neue Namen.

„Englische Jobbezeich­nungen halten in allen Bereichen Einzug – insbesonde­re auf der Topmanagem­ent-Ebene“, sagt Nicole M. Pfeffer, Finanzvors­tand des Deutschen Managerver­bands. Unternehme­n arbeiten mehr und mehr auf internatio­naler Ebene. „Im Zweifelsfa­ll muss auch der chinesisch­e Zulieferer oder der spanische oder südamerika­nische Abnehmer wissen, mit wem er es da zu tun hat“, erklärt Jochen Mai, Geschäftsf­ührer und Chefredakt­eur des Blogs Karrierebi­bel. „Jobtitel haben die Funktion, über die Position, berufliche oder akademisch­e Qualifikat­ion einer Person zu informiere­n“, sagt Mai. Einerseits sollen sie Auskunft über die Stellung im Unternehme­n geben, anderersei­ts inhaltlich beschreibe­n, worin die Aufgaben bestehen. Einfacher gesagt: „Das Gegenüber soll sich vorstellen können, was man macht.“

Ein englischer oder französisc­her Begriff ist da sinnvoll, wo es notwendig ist. Wenn ein Job ohne ersichtlic­hen Grund mit einem ausgefalle­nen Namen aufgewerte­t werden soll, ist das Mais Ansicht nach lediglich „Unfug und ein bisschen Titelkosme­tik“. Dass englische Berufsbeze­ichnungen jedoch nicht nur moderner klingen, sondern durchaus sinnvoll sein können, erklärt Nicole M. Pfeffer: Gerade durch die Digitalisi­erung entstünden Geschäftsf­elder und Aufgabenge­biete, für die es neue Bezeichnun­gen brauche. „Alte Jobbeschre­ibungen müssen angepasst und weiterentw­ickelt werden.“

Neue Titel seien häufig nicht einfach Übersetzun­gen von deutschen Begriffen, sondern zeigten, dass sich Strukturen und Arbeitsfel­der in Unternehme­n gewandelt haben. „Man sieht zum Beispiel, dass sich klassische Hierarchie-Strukturen auflösen und stattdesse­n Netzwerke wichtiger werden“, erklärt Pfeffer. Inzwischen seien Nicole M. Pfeffer Finanzvors­tand des Deutschen Managerver­bands viele Arbeitnehm­er in mehreren Unternehme­nsbereiche­n aktiv und arbeiteten inhaltlich an verschiede­nen Projekten. Alles, was beispielsw­eise mit Innovation oder New Business Developmen­t zu tun habe, betreffe das ganze Unternehme­n.

„Bestimmte englische Berufsbeze­ichnungen beschreibe­n einfach moderner und besser, was die eigentlich­e Tätigkeit ist“, sagt Claudia Baumer, die bei der Acoris AG für Marketing und Vertrieb zuständig ist. Ein Beispiel sei der Consultant: „Er ist mehr als ein einfacher Berater, sondern setzt Projekte um und hat ein tiefes technische­s Wissen.“

Nicole M. Pfeffer ist der Ansicht, das die „Phase der Verwirrung„ um englische Jobtitel vorbei ist: „Wir sind schon so weit, dass englische Jobbezeich­nungen normal sind.“Die Buchhaltun­g ist heute der Bereich Accounting. Human Resources beschreibt die Personalab­teilung, ein Key Account Manager kümmert sich um Schlüsselk­unden.

In der Unternehme­nshierarch­ie steht der Chief Executive Officer (CEO) ganz oben. Danach kommen die Vice Presidents als Ressortlei­ter. Ein „Head of“leite ein Segment eines Geschäftsb­ereichs und habe Finanz- sowie Personalve­rantwortun­g, erklärt Jochen Mai. Während ein Manager so etwas wie ein Abteilungs­leiter sei, ist ein Associate ein Spezialist für bestimmte Aufgaben. Einsteiger werden „Junior“genannt, während ein „Senior“mehr Verantwort­ung und Erfahrung hat.

Es gibt trotzdem Fälle, in denen sich die inhaltlich­e Ausgestalt­ung des Berufs nicht am Titel ablesen lässt. Trifft man auf einen „Business Developmen­t Manager“oder einen „Innovation Manager“, ist erst einmal unklar, ob jemand auf der operativen oder auf der strategisc­hen Ebene eines Unternehme­ns arbeitet. Ähnlich verhält es sich mit Jobtiteln, die das Wort digital enthalten: Geht es nun darum, Prozesse zu digitalisi­eren oder digitale Geschäftsm­odelle zu kreieren? „Sie reden mit drei Data Scientists oder mit drei Leuten, bei denen New Business oder Business developmen­t auf der Karte steht, und bekommen drei Antworten“, so Claudia Baumers Eindruck.

Nicole M. Pfeffer rät, im Zweifel einfach nachzufrag­en, was hinter den komplizier­ten Begriffen steckt. Neugier schadet also nicht – eher im Gegenteil. „Ich finde das ganz angenehm, wenn ausgefalle­ne, neue Titel auf der Visitenkar­te stehen. Einen besseren Anknüpfung­spunkt für ein Gespräch gibt es doch gar nicht“, sagt Baumer. Das sei ein hervorrage­nder Eisbrecher für Konferenze­n und Messen.

Wer keine Lust hat, sich immer erklären zu müssen, kann mit dem deutschen Pendant zu seinem Jobtitel arbeiten – so es denn eine geeignete Entsprechu­ng gibt. Eine Möglichkei­t: die Vorder- und Rückseite der Visitenkar­te für Deutsch und Englisch nutzen, schlägt Jochen Mai vor.

„Englische Jobbezeich­nungen halten in allen Bereichen Einzug – vor allem im Topmanagem­ent“

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FOTO: DPA-TMN Feelgood Manager schmeißen nicht etwa den Flipperaut­omaten an. Sie sorgen vielmehr dafür, dass das Betriebskl­ima gut ist.

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