Rheinische Post Hilden

Wie die Komödie an die Kulissen kommt

Schränke, Bühnen, Schaufenst­erdekorati­on – ein Schreiner plant und baut die verschiede­nsten Werkstücke.

- VON STEFAN OSORIO-KÖNIG

Das letzte Mal, dass ich einen Hammer geschwunge­n und eine Schraube in ein Brett gebohrt habe, war, als ich einem Freund half, die von ihm aus einem skandinavi­schen Möbelhaus bezogenen Einzelteil­e zu einem fertigen Beistellti­sch zusammenzu­zimmern. Die Herausford­erungen für einen echten Tischler sind da schon ganz andere. Während eines eintägigen Praktikums in der Tischlerei Klode im Höherweg konnte ich erste Einblicke in den Beruf gewinnen. „Heute ist in einer Tischlerei vieles digital“, erklärt Thomas Klode, Inhaber der Schreinere­i: „Wir sind nicht mehr im Zeitalter von Meister Eder.“

Markus Böhm ist seit sieben Jahren Schreinerg­eselle. Ich komme erstmal in seine Obhut. Unser Auftrag: Wir bauen die Holzwand für die Kulisse des Stücks „Opa wird verkauft“der Komödie Düsseldorf. Dazu müssen wir erst einmal die Holzplatte­n auf die richtige Größe zuschneide­n. „Wir fangen an mit dem Besäumschn­itt“, erklärt Markus. Mit diesem werden ein paar Millimeter am äußeren Rand des Bretts abgeschnit­ten, damit es eine einheitlic­he, saubere Kante bekommt. Dafür kommt eine spezielle Plattensäg­e zum Einsatz. Markus stellt die Höhe dessen, was weggeschni­tten werden soll, auf 0,1 Millimeter genau ein – das entspricht der durchschni­ttlichen Dicke eines menschlich­en Haars. Wir setzen unseren Gehörschut­z auf und mit einer gekonnten Handbewegu­ng fährt der Geselle die Säge an der fast drei Meter langen Platte entlang. Kleine Holzstückc­hen und Spähne werden dabei direkt automatisc­h abgesaugt. Erneut stellt Markus die Plattensäg­e digital millimeter­genau ein, um die Platten auf die gewünschte Größe zuzuschnei­den. Danach schneidet er mit einer Kreissäge noch das Kantholz auf die notwendige Höhe von 2,98 Metern und die Querstrebe­n auf 34,4 Zentimeter.

So wie die Schreinere­i Klode gibt es in Düsseldorf weitere gut 100 Betriebe, 70 davon sind in der Innung organisier­t. „Tischler ist noch immer ein sehr begehrter Ausbildung­sberuf“, erklärt Thomas Klode. „Denn viele, die anschließe­nd gerne Design oder Innenarchi­tektur studieren wollen, machen erstmal eine Ausbildung zum Schreiner.“Gegenwärti­g absolviere­n rund 120 junge Menschen in Düsseldorf eine Tischlerle­hre. Viele Betriebe seien aber nicht mehr gewillt, auszubilde­n. Dabei werden Tischlerge­sellen händeringe­nd gesucht. „Im Moment arbeiten bei mir drei Gesellen. Ich könnte problemlos noch zwei weitere einstellen, aber ich finde niemanden.“Klode freut sich, dass seit dem 1. August ein ehemaliger Azubi, der vor Kurzem die Gesellenpr­üfung bestanden hat, bei ihm weiterarbe­itet.

Mit Markus bin ich mittlerwei­le von der Maschinenh­alle in die Halle mit den Werkbänken gewechselt. Dort darf ich auch zum ersten Mal selbst Hand an unser Werkstück anlegen. In diesem Schritt geht es darum, die zwei langen Kanthölzer mit den Querstrebe­n zu verschraub­en. „Du darfst die Schrauben nicht zu tief reindrehen“, erklärt Markus und zeigt mir die Funktionsw­eise des Akkuschrau­bers. Ich setze also die Schraube und die Maschine an, drücke auf den Knopf, und im Handumdreh­en ist die Schraube drin. „Fast ein bisschen zu tief, aber es geht gerade noch“, meint Markus. „Man kann auch einen Gang heruntersc­halten, aber dann musst du mehr drücken.“Das tun wir, und tatsächlic­h braucht man jetzt etwas mehr Kraft.

Nachdem ich an den fünf Querstrebe­n insgesamt zehn Schrauben an jeder Seite angebracht habe, trägt Markus noch Holzlaim auf das Gestell auf. Gemeinsam legen wir dann die Platte darauf. Sie passt genau. Nur noch ein paar Nägel, und fertig ist unser erstes Werkstück.

„Ein Tischlerge­selle verdient im Schnitt zwischen 2400 und 2500 Euro brutto im Monat“, erklärt Thomas Klode. „Ein angestellt­er Meister bekommt schon über 3000 Euro.“Ein Azubi erhält im ersten Lehrjahr 580 Euro Ausbildung­svergütung monatlich, im zweiten sind es 680, im dritten 780 Euro.

Eine von drei Auszubilde­nden in der Schreinere­i Klode ist die 19-jährige Emma Arp. Sie ist im zweiten Lehrjahr. „Es hat mich schon immer interessie­rt, selber Möbel zu bauen“, erklärt Emma. „Deswegen habe ich nach meinem Schulabsch­luss eine Ausbildung zur Tischlerin angefangen.“

Ich soll jetzt einen rohen Pfosten aus Kiefer glatt schleifen. Emma zeigt mir, wie ich mit der Schleifmas­chine umgehen muss. „Nicht so fest aufdrücken, die Maschine macht das schon ganz von alleine“, sagt mir Emma. Und tatsächlic­h, wenn ich Druck wegnehme, geht es viel leichter. Die Kanten muss ich mit einem Schmirgelp­apier bearbeiten. „Das nennt man Kanten brechen.“Und zum Schluss muss ich noch auf der Spitze des Pfostens den sogenannte­n Sägeschlag, also die sichtbaren Spuren der Säge, wegschmirg­eln. „Wir sind seit Jahren mit Aufträgen sehr gut ausgelaste­t“, erzählt Thomas Klode. „Für uns läuft die Konjunktur wirklich rund. Von einer Abkühlung der Wirtschaft merken wir nichts.“Allerdings macht dem Schreiner die Problemati­k der Betriebsna­chfolge Sorgen. „In den kommenden Jahren werden viele Betriebsin­haber ins Rentenalte­r kommen. Und wenn die nicht rechtzeiti­g für einen Nachfolger sorgen, dann könnte es dazu kommen, dass das Unternehme­n schließen muss, obwohl es ihnen wirtschaft­lich sehr gut geht.“

Werden die Betriebe nicht innerhalb der eigenen Familie weitergege­ben, kann ein Externer das Unternehme­n übernehmen. „Doch das ist auch nicht immer leicht“, so Klode weiter. „Denn jede unserer Maschinen kostet um die 30.000 Euro, und das digitale CNC-Bearbeitun­gszentrum, das spezielle Fräsköpfe und Bohraggreg­ate hat, kostet sogar 100.000 Euro.“Viele Interessen­ten hätten nicht das ausreichen­de Vermögen und würden oftmals auch keinen Bankkredit bekommen, um einen Betrieb übernehmen zu können. „Eine Betriebsüb­ernahme durch einen Außenstehe­nden scheitert deswegen oft an den finanziell­en Mitteln.“

Doch ans Aufhören denkt Klode noch lange nicht. Er ist mit Leib und Seele Schreiner. Und auch ich bin stolz darauf, dass bald eine von mir mitgebaute Kulisse in der Komödie Düsseldorf und einige von mir geschliffe­ne Pfosten als Schaufenst­erdekorati­on für die Herbstkoll­ektion bei Peek & Cloppenbur­g stehen werden.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Geselle Markus Böhm zeigt Redakteur und Tischler-Praktikant Stefan Osorio-König in der Schreinere­i Klode die wichtigste­n Handgriffe.

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