Wie die Komödie an die Kulissen kommt
Schränke, Bühnen, Schaufensterdekoration – ein Schreiner plant und baut die verschiedensten Werkstücke.
Das letzte Mal, dass ich einen Hammer geschwungen und eine Schraube in ein Brett gebohrt habe, war, als ich einem Freund half, die von ihm aus einem skandinavischen Möbelhaus bezogenen Einzelteile zu einem fertigen Beistelltisch zusammenzuzimmern. Die Herausforderungen für einen echten Tischler sind da schon ganz andere. Während eines eintägigen Praktikums in der Tischlerei Klode im Höherweg konnte ich erste Einblicke in den Beruf gewinnen. „Heute ist in einer Tischlerei vieles digital“, erklärt Thomas Klode, Inhaber der Schreinerei: „Wir sind nicht mehr im Zeitalter von Meister Eder.“
Markus Böhm ist seit sieben Jahren Schreinergeselle. Ich komme erstmal in seine Obhut. Unser Auftrag: Wir bauen die Holzwand für die Kulisse des Stücks „Opa wird verkauft“der Komödie Düsseldorf. Dazu müssen wir erst einmal die Holzplatten auf die richtige Größe zuschneiden. „Wir fangen an mit dem Besäumschnitt“, erklärt Markus. Mit diesem werden ein paar Millimeter am äußeren Rand des Bretts abgeschnitten, damit es eine einheitliche, saubere Kante bekommt. Dafür kommt eine spezielle Plattensäge zum Einsatz. Markus stellt die Höhe dessen, was weggeschnitten werden soll, auf 0,1 Millimeter genau ein – das entspricht der durchschnittlichen Dicke eines menschlichen Haars. Wir setzen unseren Gehörschutz auf und mit einer gekonnten Handbewegung fährt der Geselle die Säge an der fast drei Meter langen Platte entlang. Kleine Holzstückchen und Spähne werden dabei direkt automatisch abgesaugt. Erneut stellt Markus die Plattensäge digital millimetergenau ein, um die Platten auf die gewünschte Größe zuzuschneiden. Danach schneidet er mit einer Kreissäge noch das Kantholz auf die notwendige Höhe von 2,98 Metern und die Querstreben auf 34,4 Zentimeter.
So wie die Schreinerei Klode gibt es in Düsseldorf weitere gut 100 Betriebe, 70 davon sind in der Innung organisiert. „Tischler ist noch immer ein sehr begehrter Ausbildungsberuf“, erklärt Thomas Klode. „Denn viele, die anschließend gerne Design oder Innenarchitektur studieren wollen, machen erstmal eine Ausbildung zum Schreiner.“Gegenwärtig absolvieren rund 120 junge Menschen in Düsseldorf eine Tischlerlehre. Viele Betriebe seien aber nicht mehr gewillt, auszubilden. Dabei werden Tischlergesellen händeringend gesucht. „Im Moment arbeiten bei mir drei Gesellen. Ich könnte problemlos noch zwei weitere einstellen, aber ich finde niemanden.“Klode freut sich, dass seit dem 1. August ein ehemaliger Azubi, der vor Kurzem die Gesellenprüfung bestanden hat, bei ihm weiterarbeitet.
Mit Markus bin ich mittlerweile von der Maschinenhalle in die Halle mit den Werkbänken gewechselt. Dort darf ich auch zum ersten Mal selbst Hand an unser Werkstück anlegen. In diesem Schritt geht es darum, die zwei langen Kanthölzer mit den Querstreben zu verschrauben. „Du darfst die Schrauben nicht zu tief reindrehen“, erklärt Markus und zeigt mir die Funktionsweise des Akkuschraubers. Ich setze also die Schraube und die Maschine an, drücke auf den Knopf, und im Handumdrehen ist die Schraube drin. „Fast ein bisschen zu tief, aber es geht gerade noch“, meint Markus. „Man kann auch einen Gang herunterschalten, aber dann musst du mehr drücken.“Das tun wir, und tatsächlich braucht man jetzt etwas mehr Kraft.
Nachdem ich an den fünf Querstreben insgesamt zehn Schrauben an jeder Seite angebracht habe, trägt Markus noch Holzlaim auf das Gestell auf. Gemeinsam legen wir dann die Platte darauf. Sie passt genau. Nur noch ein paar Nägel, und fertig ist unser erstes Werkstück.
„Ein Tischlergeselle verdient im Schnitt zwischen 2400 und 2500 Euro brutto im Monat“, erklärt Thomas Klode. „Ein angestellter Meister bekommt schon über 3000 Euro.“Ein Azubi erhält im ersten Lehrjahr 580 Euro Ausbildungsvergütung monatlich, im zweiten sind es 680, im dritten 780 Euro.
Eine von drei Auszubildenden in der Schreinerei Klode ist die 19-jährige Emma Arp. Sie ist im zweiten Lehrjahr. „Es hat mich schon immer interessiert, selber Möbel zu bauen“, erklärt Emma. „Deswegen habe ich nach meinem Schulabschluss eine Ausbildung zur Tischlerin angefangen.“
Ich soll jetzt einen rohen Pfosten aus Kiefer glatt schleifen. Emma zeigt mir, wie ich mit der Schleifmaschine umgehen muss. „Nicht so fest aufdrücken, die Maschine macht das schon ganz von alleine“, sagt mir Emma. Und tatsächlich, wenn ich Druck wegnehme, geht es viel leichter. Die Kanten muss ich mit einem Schmirgelpapier bearbeiten. „Das nennt man Kanten brechen.“Und zum Schluss muss ich noch auf der Spitze des Pfostens den sogenannten Sägeschlag, also die sichtbaren Spuren der Säge, wegschmirgeln. „Wir sind seit Jahren mit Aufträgen sehr gut ausgelastet“, erzählt Thomas Klode. „Für uns läuft die Konjunktur wirklich rund. Von einer Abkühlung der Wirtschaft merken wir nichts.“Allerdings macht dem Schreiner die Problematik der Betriebsnachfolge Sorgen. „In den kommenden Jahren werden viele Betriebsinhaber ins Rentenalter kommen. Und wenn die nicht rechtzeitig für einen Nachfolger sorgen, dann könnte es dazu kommen, dass das Unternehmen schließen muss, obwohl es ihnen wirtschaftlich sehr gut geht.“
Werden die Betriebe nicht innerhalb der eigenen Familie weitergegeben, kann ein Externer das Unternehmen übernehmen. „Doch das ist auch nicht immer leicht“, so Klode weiter. „Denn jede unserer Maschinen kostet um die 30.000 Euro, und das digitale CNC-Bearbeitungszentrum, das spezielle Fräsköpfe und Bohraggregate hat, kostet sogar 100.000 Euro.“Viele Interessenten hätten nicht das ausreichende Vermögen und würden oftmals auch keinen Bankkredit bekommen, um einen Betrieb übernehmen zu können. „Eine Betriebsübernahme durch einen Außenstehenden scheitert deswegen oft an den finanziellen Mitteln.“
Doch ans Aufhören denkt Klode noch lange nicht. Er ist mit Leib und Seele Schreiner. Und auch ich bin stolz darauf, dass bald eine von mir mitgebaute Kulisse in der Komödie Düsseldorf und einige von mir geschliffene Pfosten als Schaufensterdekoration für die Herbstkollektion bei Peek & Cloppenburg stehen werden.