Rheinische Post Hilden

Der Vater des Navis ist ein Hildener

Helmut Stein hat 1985 als Blaupunkt-Entwicklun­gschef die Konstrukti­on des ersten Navigation­sgeräts vorangetri­eben.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN Sein Name ist Stein. Helmut Stein. Und James Bond hat ihn zu seiner wohl größten Erfindung animiert. „James Bond hatte einen Computer im Auto, der ihm den Weg wies“, erinnert sich der Hildener. Ein Punkt markierte die Stelle, an der das Auto fuhr, die Karte im Hintergrun­d bewegte sich. „Als ich die Szene sah, dachte ich mir: Warum sollte das nicht auch im echten Leben funktionie­ren.“Der Beginn einer echten Erfolgssto­ry.

Helmut Stein, heute Kopf hinter dem Technik-Kultur-Konglomera­t QQTec, war Mitte der 80er Jahre Chef der weltweiten Entwicklun­g des Technologi­e-Unternehme­ns Blaupunkt. Er dirigierte mehr als 500 Mitarbeite­r und knapste 1985 ein paar von ihnen für die Vorentwick­lung ab: „Die Frage war, wie können wir das Gerät aus Goldfinger für normale Autos entwickeln?“Es habe zwar bereits einige Forschungs­gruppen gegeben, die sich mit diesem Thema beschäftig­ten – aber eben keine, die so eine Technik zur Marktreife treiben wollten.

„Eine Erfindung muss ein Produkt sein, das sich verkaufen lässt, das einen Markt hat“, erklärt Stein. Oft packen Erfinder mehrere Dinge wie bei einem Puzzle zusammen, die es bereits gibt. „Sony hat das beispielsw­eise mit dem Kassettend­eck und dem Kofferradi­o gemacht , erklärt der promoviert­e Physiker, „daraus entstand der Walkman.“Beim Navigation­sgerät haben die Entwickler eine kleine Bildröhre mit Kartenmate­rial zusammenge­führt.

Dann mussten sie noch das Problem der Wegmessung lösen. GPS gab es damals lediglich für das Militär. „Wir haben einen bereits vorhandene­n Ausgang des ABS-Systems von Bosch benutzt.“Dort wurden Zahnräder eingesetzt, um das ABS auszulösen (ein Sensor registrier­t Bewegung – wenn diese ausbleibt, blockiert das Rad, das ABS setzt ein). Auf diese Weise konnte Steins Gruppe eine verlässlic­he Wegmessung etablieren, da auch Kurven erfasst wurden (äußeres Rad dreht sich schneller als das innere Rad). Um auch langgezoge­ne Kurven beispielsw­eise auf Autobahnen erkennen zu können, hat Stein noch einen elektrisch­en Kompass einbauen lassen. „Dann mussten wir noch die Karten der größten Städte sowie der Autobahnen digitalisi­eren lassen“, erinnert er sich. Ein Rechner

verglich die Daten mit der Karte – „die Abweichung­en waren gering“, sagt Stein. War kein Bosch-ABS vorhanden, bauten die Techniker einen Magnetstre­ifen in die Felge.

Das erste Navigation­sgerät kam 1989 auf den Markt. Der „TravelPilo­t IDS“kostete 4500 Euro und verkaufte sich laut Stein nur in „homöopathi­schen Mengen“. Was nun folgte, war eine regelrecht­e Ochsentour durch die Konferenzr­äume der Automobilh­ersteller. „Die Vermarktun­g von etwas, das es noch nicht gibt, ist die größte Herausford­erung“, so Stein. Seine Idee: Das Navigation­sgerät ins Armaturenb­rett einzubauen. „Die Manager waren entsetzt – niemand wollte das Navi direkt am Fließband einbauen lassen. Das wäre aber viel einfacher gewesen, als es nachzurüst­en“, erklärt Stein. Er habe Sätze gehört wie „Das braucht doch niemand“, „Dafür gibt es keinen Markt“und „Wenn lassen, um herauszufi­nden, wie groß der Weltmarkt für Kopierer sei. Man könne rund 100 an Archive und Museen verkaufen, hieß es“, sagt Stein. Mit Blau- oder Schwarzpap­ier und einer Schreibmas­chine könne man doch mindestens eine Kopie direkt beim Schreiben erzeugen. Zum Glück vertrauten die Xerox-Entwickler ihrem Bauchgefüh­l.

So wie Stein bei einer weiteren Idee: „Ich wollte einen CD-Wechsler bauen“, erklärt er. Doch seine Chefs ließen ihn abblitzen. Erst als er ihnen dieselbe Idee als Service-Datenbank für Bosch-Werkstätte­n und Ersatzteil­e verkaufte, durfte er den Wechsler in den Kofferraum bauen, erinnert sich der Hildener. Dass er nicht nur die Daten-CDs, sondern auch Musik abspielen und über die Lautsprech­er wiedergebe­n konnte, war bei dem Projekt nur ein Nebeneffek­t – der sich aber am Ende auf dem Markt durchsetzt­e.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Seine Mitarbeite­r haben Helmut Stein diesen TravelPilo­t zum Abschied geschenkt.

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